Glenn Yeffeth (Hrsg.): Five Seasons of Angel

Wer schon länger hier mitliest, oder wen einfach Sachbücher zu TV-Serien interessieren, dem ist ja vielleicht schon „Finding Serenity“ untergekommen, eine Essay-Sammlung zu Joss Whedons kurzlebigem SciFi-Meisterwerk. Mir selber war damals bei der Rezension gar nicht klar, dass das Buch nur Teil einer ganzen Ausgabenreihe ist.
„SmartPop“ nennen die Macher das, clevere Bücher zu popkulturell interessanten Themen. Wissenschaftlich, aber nicht trocken. Fundiert, aber nicht bieder. Eine sehr lobenswerte Herangehensweise, von der ich auch gerne in der deutschen Geisteswissenschaft mal etwas sehen würde.

Wie dem auch sei, das vorliegende Buch hat sich ebenfalls einer Whedon-Serie gewidmet und heißt zweckmäßig „Five Seasons of Angel“. Es erscheint damit in Schwesternschaft zu „Seven Seasons of Buffy“, dass mich aber weniger reizt und mir auch schlichtweg nicht vorliegt. Außerdem sei angemerkt, dass es älter ist als das „Firefly“-gewimdete Buch, eventuelle Vergleiche zu dem anderen SmartPop-Buch, dass mir bislang vorliegt, sind also in Teilen nicht ganz fair und demnach werde ich sparsam mit ihnen umgehen.
Glenn Yeffeth (die Jane Espenson auch mit „Finding Serenity“ geholfen hat) hat hier 21 Essays von ebenso vielen Autoren versammelt, die sich allerdings in größeren Teilen auch recht ähnlich sind.

Ein guter Teil des Essays widmet sich dabei den einzelnen Charakteren der Serie. Klar, eine Reihe Essays zum Vampir selber, aber auch zu Jasmine („Jasmine: Scariest Villain Ever“ von Steven Harper), Lorne („It‘s not easy being green and nonjudgemental“ von Abbie Bernstein), Doyle („Parting gifts“ von Sherrilyn Kenyon), Lindsey („Why we love Lindsey“ von Michelle Sagara West), Wesley („The Path of Wesley Wyndam-Price“ von Amy Berner), Spike („Death becomes him: Blondie Bear 5.0“ von Nancy Holden) und zwei Mal Cordelia Chase („True Shanshu: Redemption through compassion, and the journey of Cordelia Chase“ von Laura Anne Gilman und „The Assassination of Cordelia Chase“ von Jennifer Cruise). Die schwanken in ihrer Qualität etwas, einige wenige fand ich eher schwer nachzuvollziehen – gerade den zu Doyle – andere sind sogar ausgesprochen schlüssig. Insbesondere die Ideen zu Wesley und die Analysen zu Cordelia sind eingängig und gefallen gut.

Die anderen beiden großen Thema der Serie nehmen dann einen weiteren beträchtlichen Teil des Buches ein: Freundschaft/Familie/Liebe auf der einen, „Redemption“ auf der anderen Seite. „Angel“ dreht sich immer wieder um Fragen zu Zugehörigkeit und Vetrauen, Familie und Heimat, dem moralischen Gut vs. Böse – alles Themen, die hier nun diskutiert werden. Das beginnt der dunklen Seite Angels und dem von ihr ausgehenden Reiz („Angelus Populi“ von Don DeBrandt) und gipfelt in einigen schönen Betrachtungen zu der doch sehr verirrten „Familienbande“ von Darla, Angelus, Drusilla und Spike (u.a. in „There‘s my boy...“ von Joy Davidson). Eher locker ist darunter übrigens auch der Essay „The Good Vampire: Spike and Angel“ von dem vielleicht prominentesten Beitragenden in dem Buch, denn der Essay stammt von Peter S. Beagle – richtig, dem Autor von „Das letzte Einhorn“.
Das alles führt zum großen Thema Vergebung. Angel wurde mit einer Seele verflucht, Spike mit einer gesegnet; alle streben sie bei Angel nach einer Art von Erlösung und keiner kann sie wirklich erlangen. Joss Whedons Aufbau wird bisweilen in dem Buch mit der griechischen Tragödie verglichen, ein Vergleich, der es gut trifft. Diese Essays lassen all dies noch einmal Revue passieren.

Ein letzter Teil des Buches wird von Essays eingenommen, die in meinen Augen jetzt nicht ganz so markant eigene Kategorien einnehmen. „Angel by the Numbers“ von Dan Kerns beschreibt aus Sicht des Beleuchters der Serie in Zahlen und Fakten den Ablauf der gesamten Produktion, Roxanne Longstreet Conrad liefert mit „Welcome to Wolfram & Hart: The semi-complete guide to evil“ einen in Form von Intime-Texten geschilderten Überblick zu den Anwälten des Bösen und Candace Havens widmet ihren Essay „To all girls he loved, maimed and banged before“. Weder den Kerns noch den Conrad fand ich gut, den letztgenannten Essay dagegen herrlich. Ein Berater für wahre Liebe gibt so ziemlich jeder Frau mit wiederkehrender Rolle in der Serie eine aufsteigend vergebene Wertung auf einer Skala von 1 bis 5, ob sie Angels wahre Liebe werden könnte. Bezeichnend, dass es keine auf Rang 5 schafft...

Insgesamt hat mir die Lektüre von „Five Seasons of Angel“ jedenfalls ordentlich Spaß gemacht. Das Buch liest sich flüssig und die Essays wurden dezent, aber gekonnt überarbeitet, so dass es insgesamt eine durchgehende Lektüre ergibt. Allerdings muss man zugeben, dass das Buch in Teilen repetativ ist. Das ist bei einer Sammlung durchaus okay, aber dafür, dass die Serie über 100 Episoden hatte, sind es doch immer sehr verdächtig exakt die gleichen Stellen, auf die Bezug genommen wird.
So ist das Buch sicher ein feines Begleitwerk zur Serie, aber verglichen mit „Finding Serenity“ fehlen mir etwas die Artikel, die einen so richtig neue Einsichten bescheren. Hier lässt man eher eine durchaus grandiose Fernsehserie noch mal vor seinem inneren Auge Revue passieren. Auch fehlen mir einige Themenkomplexe einfach. Gunn etwa findet kaum Erwähnung. Der Charakter hat im Laufe der Serie unglaublich an Tiefe gewonnen und wäre mit seinem ganzen „Pakt mit dem Teufel für das Gute“-Topos sicherlich interessant gewesen, wird aber kaum angesprochen. Auch Fred wird allenfalls mal am Rande erwähnt, hat aber ebensowenig ihren eigenen Essay bekommen, obwohl es da einiges zu sagen gegeben hätte.

Es lohnt sich sicher, das Buch einmal zu lesen. Es kommt nicht oft vor, dass sich SciFi-Autoren, Phantasten, Folklore-Spezialisten und Sextherapeuten zusammensetzen, um eine Fernsehserie zu analysieren und dabei auch noch eine spannende Lektüre entsteht.
Ob man gewillt ist, die vollen 17,95 Dollar für das Buch hinzublättern sei dahingestellt, aber wer bei den Gebrauchtbüchern im Netz mal nachschaut, kriegt „Five Seasons of Angel“ für unter zehn Euro – und das Geld sollte das Buch jedem Fan der Serie dicke wert sein.
Name: Five Seasons of Angel. Science Fiction and Fantasy Writers Discuss Their Favorite Vampire.
Verlag: BenBella Books
Sprache: Englisch
Autor: Glenn Yeffeth (Hrsg.)
Seiten: 216
ISBN: 1-932199-33-4{jcomments on}