Andreas Friedrich (Hrsg.): Filmgenres: Fantasy- und Märchenfilm
Ich war heute in der Stadt Bücher kaufen. Das tue ich gelegentlich mal; nicht unbedingt wenn ich bestimmte Werke suche, sondern auch wenn ich mir einen Überblick verschaffen will. Manchmal, wenngleich auch nicht immer, führt mich mein Weg dann auch in die Mayersche Buchhandlung hier in Aachen, und sei es nur, um durch die großen Fenster der obersten Etage auf das regnerisch-graue Aachen zu blicken.Und in just dieser Buchhandlung fiel mir das vorliegende Buch in die Hände, ein Buch das ich am selben Tag noch auslas und von dem ich bis jetzt noch immer nicht weiß, ob es denn nun Feuer oder Wasser ist.
Die Rede ist, um mal ganz unliterarisch am Anfang zu beginnen, von dem Reclam-Buch "Filmgenres: Fantasy- und Märchenfilm". Reclam, richtig lieber Leser, sind der Feind jedes Schülers – bedeuten sie doch Zwangslektüre – und zugleich der Freund eines jedes Studenten, bedeuten sie doch billige Lektüre. Naja, zumindest früher Mal. Im Jahr 2004 kostet so ein Buch dann auch mal eben 7 Euro – billig ist anders.
Aber die Neugierde hatte mich gepackt, ich wollte wissen, was das Buch nun ist. Und meine geneigten Leser hoffentlich auch, denn dazu komme ich nun:
Das Buch kommt im klassischen gelben Reclam-Look daher, ist klein, wie man das kennt, und zeigt ein jämmerlich aufgelöstes, farbarmes und schwer zu erkennendes Bild von Galadriel aus dem ersten Teil des Herrn der Ringe. Es ist ein Teil einer ganzen Reihe von Büchern, einer neuen Reihe, die versucht, anhand exemplarischer Filmbeispiele die Grenzen der Genres abzustecken. Und weil diese Grenzen ja, so sagt das Backcover, so klar sind, behandelt das vorliegende Buch gleich Fantasy- und Märchenfilme. Aha. Der Rezensent ist nicht überzeugt.
Zusammengestellt wurde das Buch von Andreas Friedrich, der zusammen mit 19 anderen Autoren hier insgesamt über 60 Filme vorstellt; 58 direkt gelistet, bei vielen aber eben auch gleich die Sequels mit.
Und weil das Genre, siehe oben, ja so klar ist, umfasst das Buch dann auch wirklich alle Teilgebiete von 'Peter Pans Heitere Abenteuer' zu 'Conan', von 'Harry Potter' zu 'Ein Sommernachtstraum' und von 'Herr der Ringe' zu 'Hexen Hexen'. Da stehen 'Prinzessin Mononoke' und 'Shrek' dann eben eiskalt 'Ritter der Kokosnuss' und 'X-Men' gegenüber. Das wirft sogleich auch direkt meine erste Kritik an dem Büchlein auf, denn sagen wir es mal klar und deutlich: hätte ich vorher keine Ahnung gehabt, was ein Fantasyfilm ist, nach der Lektüre ging es mir nicht anders.
Sicher, irgendwo gehören alle diese Filme entweder dem Märchen oder einem Teilaspekt der Fantasy an, aber der große Zusammenhang fehlt irgendwo.
Nicht zuletzt auch wegen der etwas eigenartigen Zusammenstellung der Filme. Warum sind die X-Men drin, aber Batman nicht – gerade wo in den beiden Filmen von Tim Burton, die besprochen werden – 'Edward mit den Scherenhänden' und 'Sleepy Hollow' – auf sie Bezug genommen wird? Überhaupt, wo die ganzen anderen Superhelden sind, fragt man sich. "Drei Nüsse für Aschenbrödel" ist sicherlich eines der Urgesteine der klassischen Märchenfilme, aber es steht dann auch wiederum alleine und somit schon als Ausnahme in diesem Buch. Dann aber sind da Filme wie 'Kwaidan' oder 'Akira Kurosawas Träume', die nur sehr begrenzt dem Leser bekannt sein dürften.
Dabei war man aber auch bei der Exotenriege nicht gerade gründlich, denn 'Die fabelhafte Welt der Amélie' wäre hier auch nicht schlechter aufgehoben gewesen als viele der genannten Titel. Man fragt sich, warum 'Dragonheart' drin ist und 'Dragonslayer' nicht und wie wiederum 'Tiger and Dragon' in das Buch geraten ist.
Das Vorwort gibt etwas Aufschluss und belegt die Motivationen des Herausgebers, etwa, das man eben auch versucht habe, möglichst viele Kulturen mit einzubinden, aber das Gesamtwerk rechtfertigt diesen Ansatz irgendwo nicht.
Bleibt die Qualität der Texte selber. Die schwankt, um es kurz zu sagen. Teilweise gefallen die Texte recht gut und werden den Filmen auch gerecht, man nehme nur einmal 'Sindbads siebente Reise' als Beispiel.
Andere Texte wiederum sind ganz in Ordnung, widersprechen einander aber in Details. So erklärt uns der Text zu 'Conan' (korrekt), der Film sei nicht zuletzt auf den Erfolg von 'Excalibur' hin in die Tat umgesetzt worden. Bei dem Text zu besagtem Artus-Epos von 1981 heißt es dann aber, er sei "zeitgleich" mit den "Barbarenfilmen" produziert worden. In sich unschlüssig und noch falsch dabei, sind diese doch wiederum nur alle Nachfolger des 1982 erschienen 'Conan the Barbarian'.
Überhaupt ist mit einigen Autoren etwas die Liebe zum Schwafeln durchgegangen. So liest man dann bei 'Conan' etwa, dass Schwarzenegger die Rolle, "die ihn berühmt machte, [...] in zwei weiteren Filmen, Conan der Zerstörer (1984) und Red Sonja (1985)" spielte. Und das ist im Bezug auf 'Red Sonja' schlicht Unfug, da er dort zwar mitspielt, nicht aber als Conan. Ebenso setzt der Artikel 'Der letzte Mohikaner' und 'Braveheart' als Nachfahren der Barbarenfilme auf, eine Aussage, die ich keinesfalls so unterschreiben wollte.
Manch' andere Fakten sind zwar nett zu wissen und zeichnen die Filme selbst dann auch aus, helfen aber bei der Genrefindung nicht weiter. So erfahren wir etwa, dass der Regisseur von 'Highlander' zugleich auch bei dem allerersten Videoclip, den MTV jemals ausgestrahlt hat (alle die jetzt 'Video Killed the Radio Star' gerufen haben, 1+, setzen), Regie geführt hat.
Schlimmer ist es aber noch, dass den Verfassern mehrfach der Wissenschaftler durchbricht. Da liest man dann also bei dem vom Herausgeber verfassten Text über die 'X-Men' "Heldinnen wie Storm sind die guten Feen, Schurken wie Magneto die bösen Zauberer von heute oder morgen. Mit ihnen kehrt ein Hauch des Metaphysischen und Numinosen in unser technisiertes, säkularisiertes Dasein zurück." Alles klar? Ist noch nicht mal ganz falsch, dient der Wahrheitsfindung aber erneut schlicht nicht.
Besser noch finde ich reitet aber der Verfasser des Textes zu 'Tiger and Dragon' auf den Wolken, wenn er da in seinem Elfenbeinturm schreibt: "In Crouching Tiger, Hidden Dragon verlieren Zeit und Raum ihre Bedeutung. In einer nie gesehenen Leichtigkeit finden die Übergänge zwischen Pathos und Ironie, Melodram und verspielter Komödie statt. Das Fantastische und das Reale amalgamieren zu einer wunderbaren Reflexion über das Männliche und Weibliche und den Stolpersteinen zwischen den Geschlechtern – fokussiert auf das spannungsreiche Verhältnis zwischen Müttern, Töchtern, Großmüttern und Schwiegermüttern."
Auch hier gilt: es ist ja durchaus im Film zu finden, aber das Buch verfehlt hier einfach seine Zielsetzung, das Genre zu erfassen. Man bekommt im Endeffekt eben mehr oder weniger verständliche, mehr oder weniger bodenständige und mehr oder weniger nachvollziehbare Interpretationen zu den einzelnen Filmen geboten, aber ein Gesamtbild zeichnet sich nicht ab.
Somit muss der Leser nun selbst entscheiden, ob er das Buch haben will. Es ist eine interessante Lektüre, teils sperrig, teils unsinnig, teils auch informativ. Aber weder weiß man danach besser, was ein Fantasyfilm ist, noch wird man den bekannten Filmen durch die Lektüre viele neue Seiten abgewinnen können.
Dann aber wiederum kann man die Augen im örtlichen Antiquariat offen halten, denn zu einem älteren Reclam-Preis um die drei Euro würde ich das Buch vielleicht sogar, abseits des verfehlten Zieles, noch empfehlen.
So bleibt mir am Ende nur ein einziges Lob auszusprechen: die Texte über die ersten beiden Teile der Trilogie um den 'Herr der Ringe' (Teil 3 war zur Drucklegung noch nicht im Kino zu sehen) sind nicht nur sehr hingebungsvoll und gut geschrieben, der Verfasser – übrigens einmal mehr Herausgeber Andreas Friedrich – beweist auch Mut und Gefallen am neueren Medium Film, wenn er einfach anerkennt, das Teile der Geschichte auf der großen Leinwand besser wirken als in Tolkiens Buch selbst.
Name: Filmgenres: Fantasy- und Märchenfilm
Verlag: Reclam
Sprache: Deutsch
Autor: Andreas Friedrich
Seiten: 255
ISBN: 3-15-018403-7{jcomments on}