Steam Noir - Das Kupferherz #1

Das Gespann Felix Mertikat und Benjamin Schreuder ist dem Comic-Interessierten sicher im Jahr 2010 schon einmal begegnet. Mit Jakob schufen sie einen einfühlsamen Comic mit einer ernsten Thematik und bekamen neben viel Lob aus den verschiedensten Richtungen auch einige Preise.  Steam Noir geht nun mit seinem ersten Band Das Kupferherz 1 einen etwas anderen Weg. Ein Weg der sehr stark an das Rollenspiel Opus Anima erinnert, bei dem Felix Mertikat führend war. Das beginnt bei den Schollen, die durch den Äther treiben und auf denen die Menschen wohnen, den Bizarromanten, den Maschinenmenschen, der Steampunk-Optik, den Namen ... ach, der ganze Comic könnte praktisch dem Rollenspiel entsprungen sein. Das ist keinesfalls eine Kritik, denn als ich zur Vorbereitung dieser Rezension ins Regal griff, um den dicken Rollenspiel-Band noch einmal durchzublättern, erlag ich umgehend wieder dessen optischer wie sprachlicher Wirkung. Wer über die Grundlage von Das Kupferherz 1 mehr erfahren möchte, sollte bei http://www.opusanima.de vorbeischauen und sich Regelbuch kostenlos herunterladen.

Aber zurück zum Comic. Sobald man den Hardcover-Band etwa im Format DINA4 in die Hand nimmt, merkt man umgehend, dass hier Leute am Werk waren, die Comics lieben. Alleine die Verarbeitung weiß zu beeindrucken, mit extrem stabiler Bindung und sehr dickem Papier. Bevor man sich alleine mit dem Inhalt beschäftigt wird klar, dass man ein sehr hochwertiges Produkt vor sich hat.

In Das Kupferherz 1 ermittelt ein Team des Leonardsbundes, der Bizarromant Herr Lerchenwald, seine Kollegin Frau D. und der Maschinenmann Herrn Hirschmann, der auch das Cover ziert, in einem grotesken Fall. Eine entkommene Seele führt die Gruppe auf die Spur eines ermordeten Mädchens und ihrer verschwundenen Leiche. Dabei stellt sich heraus, dass es wohl um viel mehr geht, als "nur" einen Mord. Das muss Herr Lerchenwald bald am eigenen Leib spüren, als der mysteriöse Kalendarische Orden in seine Wohnung eindringt und er von einer weiteren verlorenen Seele weitere Hinweise bekommt ... und eine Hand verliert. Und als man ihm eine mechanische Prothese schenkt, führt das zu weiteren Hinweisen, die mit dem Fall zusammenhängen. Und gemeinerweise endet dann alles mit einem Cliffhanger ... und es soll erst im Oktober 2012 weitergehen.

Der erste Band dient vor allem dazu, die Charaktere, die Welt und den Fall einzuführen und so bleiben viele Fragen offen. Wenn man nicht durch Opus Anima einigermaßen an das Thema herangeführt wurde, wird der Leser sich sicher in der grotesken Welt von Steam Noir verlieren können, im positiven wie im negativen. Ein Appendix am Ende erklärt einige der Orte, Organisationen und Hintergründe und stößt damit das Tor in eine faszinierende Welt auf, deren Umfang beeindruckt. Das Spiel mit vertrauten Elementen schafft durch die Einordnung in die fremde Welt und die Kombination mit neuen Eigenheiten einen ganz eigenen Stil, dem der Markenname Steampunk nicht gerecht wird. Bisweilen finden sich neben all der Düsternis und der Ernsthaftigkeit der Erzählung auch lustige Elemente, die sich aber problemlos in die Erzählung einreihen, ohne wie Fremdkörper zu wirken. Mein Favorit ist dabei sicherlich, wenn die zerbrochene Eingangstür wieder eingehängt wird und eigentlich alles, was mit dem Orden zu tun hat.

Die Bilder, die Felix Mertikat zu Benjamin Schreuders Handlung findet, unterstreichen die Geschichte mit wunderbaren, gedeckten Farben. Auch wenn die Kleidung und andere Stilelemente in unserer Welt absurd bis lächerlich wirken würden, fügen sie sich doch wunderbar in die Welt ein, die die beiden auf die Seiten bannen. Die Erzählstruktur durchbricht dabei ab und zu gewohnte Bahnen, wodurch jede Seite vom Aufbau einzigartig wird, aber bisweilen auch den Lesefluss erschwert.

Steam Noir - Das Kupferherz 1 hat mich beeindruckt. Es ist ein fantastischer Comic aus deutschen Landen mit einem riesigen Haufen frischer Ideen, tollen Zeichnungen, interessanten Dialogen und einer großartigen Verarbeitung. Ich wurde durch Opus Anima ja bereits vorgeglüht, bin aber sicher, dass man auch ohne Kenntnis dieses Rollenspiels diesen Band genießen kann. Klare Kaufempfehlung für Comic-Fans, die auch (fast) ohne Action auskommen!


Titel: Steam Noir: Das Kupferherz 1
Autor: Felix Mertikat und Benjamin Schreuder
Verlag: Cross Cult
ISBN: 978-3942649278
Seitenzahl: 64 Seiten Vollfarbe, Hardcover
Sprache: deutsch
Preis: 16,80 Euro{jcomments on}