Astonishing X-Men 4, The - Unstoppable

Zur Erinnerung: Joss Whedon, Schöpfer von Fernsehserien wie „Buffy“, „Angel“, „Firefly“ und derzeit „Dollhouse“, von Kinofilmen wie „Serenity“ und von Kino-Drehbüchern wie denen zu „Alien Ressurection“ oder „Toy Story“, übernahm vor einigen Jahren die Comic-Subreihe der „Astonishing X-Men“. Sein erster Band, „Gifted“, wurde von Fans wie Kritikern einstimmig gelobt, diente u.a. dann später auch als Vorlage zum dritten „X-Men“-Kinofilm. Der zweite Band, „Dangerous“, wurde hingegen von Fans wie Kritikern mehr oder weniger einstimmig als nicht gelungen betrachtet, da er zwar akzeptable Standard-Kost lieferte, allerdings auch keinen Deut mehr als das. „Torn“ wiederum verursachte dann nur noch ein bedingtes Medienecho, gefiel mir persönlich aber relativ gut.
Und nun erreicht die Reihe mit „Unstoppable“ ihr Finale.

In den vorigen Bänden erlebte der Leser, wie sich die X-Men, mittlerweile unter der Führung von Cyclops und Emma Frost, neu arrangieren mussten und zuerst mit einem „Heilmittel“ gegen ihre eigene Mutation (Band 1) und danach mit dem (mal wieder) Amok laufenden Danger Room herumschlagen mussten (Band 2). Im dritten Band dann mussten die X-Men sich mit einem hinterhältigen Angriff durch den Hellfire Club auseinandersetzen, der jedoch mehr oder weniger plötzlich dadurch beendet wurde, dass sie aus ihrem gewohnten Setting gerissen wurden und auf eine Reise zur Breakworld gezwungen wurden. Das fand ich da schon seltsam und Band 4 kann wenigstens das auch nicht rausreißen, aber dazu später mehr.

Im vierten Band nun zwingt Special Agent Brand vom S.H.I.E.L.D.-Nebenprojekt S.W.O.R.D. die Gruppe dazu, sich auf der Breakworld mit dem Quell allen Ärgers auseinander zu setzen: Einer Prophezeiung, die davon kündet, das Colossus die komplett Breakworld vernichten werde.
Eine etwas eigenartige Prämisse, die dazu führt, dass der komplette Band mit ganz wenigen Ausnahmen auf der Breakworld spielt und damit ein ungewohnten uns, ehrlich gesagt, in meinen Augen wenig mitreißendes Setting bietet.
Die Handlung, die sich rund um diese Prophezeiung dann entfaltet, kann prinzipiell überzeugen, hat aber so ihre Höhen und Tiefen. Während das Finale und das komplette letzte „Heft“, der sich noch mal mit ganz neuem Fokus an die Geschichte annähert und eine der wohl absurdesten, aber besten Spiderman-Interpretationen der letzten Zeit bietet, begeistern können, wirkt gerade der Verlauf der Handlung streckenweise etwas unmotiviert.
Alles, was passiert, wirkt recht 'deus ex machina'-Haft, da die Breakworld geradezu geschaffen zu sein scheint, die Handlung zügig durchzuwinken. Whedon gibt sich redlich Mühe, die Geschichte zu einem Ende zu bringen und verwebt Danger, Ord von der Breakworld, Agent Brand, Kittys „Drachen“ Lockheed und einige andere Elemente zu einem in sich durchaus geschlossenen, aber irgendwie auch unbefriedigenden Cocktail.

Mein Problem: Zwar schließt „Unstoppable“ genauso gut an seinen Vorgänger an wie dieser an seinen, aber wenn man die vier Sammelbände jetzt einmal abschließend betrachtet, so fällt es schwer, die Reihe als ein geschlossenes, Ganzes zu erkennen.
Wenn man bedenkt, dass es auch ungefähr vier Jahre gedauert hat, diese teils mit extremen Verzögerungen gestrafte Reihe zu veröffentlichen, und man sieht, dass Whedon beispielsweise mittlerweile selber einräumt, dass seine Doppeltätigkeit für „Serenity“ und damals Band 2 dieser Reihe den Comics nicht geholfen hat, wird das verständlich. Aber der Bogen vom Heilserum bis zum Kampf um die Breakworld wirkt konstruiert und viele Fragen, etwa rund um Professor X oder den Hellfire Club bleiben am Ende gänzlich unberührt.

Wenn man über „Unstoppable“ etwas Gutes sagen kann, dann vor allem über Whedons Interpretation des Charakters Cyclops. Er schafft es, dem vermutlich von allen X-Men des Kernteams am häufigsten mit hochgezogener Augenbraue begegneten Charakter eine ganze neue Tiefe zu geben und ihm wirklich Kontur zu geben. So wie hier habe zumindest ich ihn noch nie gesehen und, zu meiner eigenen Überraschung, fand ich durchaus sehr gut, was ich da sah.
Das umfasst auch gerade eine sehr zentrale Szene der Handlung, mein eines, großes Highlight des Bandes, die insgesamt zwei Mal in diesem Buch aus sehr unterschiedlichen Winkeln beleuchtet wird und dabei einen extrem ausgeprägten „Aha!“-Effekt aufweist.

Aber reicht das aus, um den Band zu empfehlen?
Sagen wir mal so: Wer die Reihe eh begonnen hat, der wird ja auch wissen wollen, wie es ausgeht. Vermutlich wird das Ende nicht zu begeistert gelesen werden, aber es ist jetzt auch nicht schlecht und etwa noch deutlich über „Danger“-Niveau. Wer dagegen noch gar nicht damit angefangen hat, dem sei „Gifted“ nach wie vor von ganzem Herzen empfohlen. Ob er sich aber auch die Bände 2 bis 4 geben muss, lasse ich mal offen.
Cyclops-Fans wie Gegner kriegen jedenfalls im positiven Sinne ungewohnte Kost in diesem Band geboten, die es eigentlich schon fast wert macht, die Bücher zu lesen. Dann aber vielleicht eher aus der Bibliothek geliehen, falls das möglich ist.
Es hat mir persönlich nicht Leid getan um mein Geld, aber Whedon kann es weitaus besser, wie er etwa mit den neuen Buffy-Comics oder dem „Serenity“-Band „Better Days“ bewiesen hat.

Die „Astonishing X-Men“ sind mittlerweile in die Hände von Comic-Legende Warren Ellis und Zeichner Simone Bianchi übergeben worden und ich werde beizeiten auch mal schauen, was die beiden aus den Charakteren heraus locken können.
„Unstoppable“ ist jedenfalls 'soweit ganz okay'.


Joss Whedon
200 Seiten Softcover, Dark Horse
ISBN: 978-0-785-12254-8 {jcomments on}