Lurkers, The

Steve Niles ist inzwischen vor allem durch sein Werk "30 Days Of Night" als Drehbuch- und Comicautor im Bereich Horror recht bekannt, wobei er klassische Horrorelemente mit interessanten Perspektiven und Settings verbindet und so aus Altbewährtem Innovationen herauskitzelt. "The Lurkers" ist eine kleine, feine Comicminiserie, die genau in diese Kerbe schlägt.

Die Comics sind als Softback-Sammelausgabe zu haben, das Cover ziert dabei das Frontbild des ersten Heftes der Serie, auf dem der Protagonist der Geschichte, ein typischer Detektiv in Fedora und Trenchcoat von knochigen Leichenhänden hinabgezogen wird, das Ganze gehalten in dramatischen Rottönen. Darüber prangt der Titel in einer gruslig verzitterten Horrorschrifttype. Das Erscheinungsbild wird durch einen Prägedruck und Hochglanzapplikationen auf mattem Grund noch einmal gewaltig aufgemonstert.
Das Cover wirkt unglaublich eindringlich und war der Grund, warum ich überhaupt auf den Comic aufmerksam geworden bin, von dem ich zuvor nie gehört hatte und ich sehe es immer wieder gern an - der Umschlag kann also alles, was er können soll. Ansonsten ist an dem Band nichts Besonderes zu vermerken: Er ist ordentlich verarbeitet, hat Standardformat und enthält den Comic und als Bonus die Coverbilder aller Heftausgaben sowie ein paar Konzeptzeichnungen, alles auf Hochglanz gedruckt.

In der Geschichte geht es um Polizeiermittler Jack Dietz, einen archetypischen Bullen aus Los Angeles, der den schlimmsten Fall seines Lebens bekommt: Kinder werden entführt und ermordet, Leichen ihrem Grab entrissen und Friedhofspersonal angegriffen. Das einzige verbindende Element sind menschliche Bissspuren am Tatort. Recht schnell stößt Dietz darauf, dass in der Welt ghulartige lebende Tote unerkannt ihr Unwesen treiben. Ohne die Möglichkeit, die Bedrohung mit konventionellen Polizeimethoden aufzuhalten, ist Dietz auf sich allein gestellt und bringt sich und seine Familie dabei in schreckliche Gefahr.
Der Comic ist kein Krimi und keine klassische Monsterhatz, im Vordergrund stehen die Charaktere, nicht der Fall. Trotz der Kürze der Geschichte sind alle Figuren tiefgängig und interessant und während die Handlung recht einfach gestrickt ist, entsteht eine unglaubliche Spannung durch die menschliche Seite der Geschichte, vor allem bei Dietz, der am Anfang der Geschichte als stereotyper zynischer und abgestumpfter Detektiv erscheint, bei dem dann jedoch durch die Konfrontation mit dem Horror allerlei positive Facetten zum Vorschein kommen. Mit der Zeit wird so aus der Noir-Detektivgeschichte eine Heldenerzählung. Dietz muss am Ende einen hohen Preis zahlen, um die Unschuldigen vor dem Monster zu retten, allerdings erkauft er sich damit ein unglaublich positives und hoffnungsvolles Ende für die Geschichte.

Der Comic würde nicht halb so gut funktionieren ohne die eindrucksvollen Bilder von Hector Casanova. Der ungewöhnliche Zeichenstil lässt die Figuren flach und silhouttenhaft wirken, Proportionen und Winkel sind oft seltsam, Bewegungen scheinen erstarrt, undynamisch und posenartig, die Bilder selbst sind verzerrt und insgesamt entsteht eine eher abstrakte Wirkung. Die Gesichter verfügen dabei allerdings über eine detailreiche, oft schon übertrieben wirkende Mimik, die extrem ausdrucksstark ist. Diese Gegensätze haben den Effekt, dass das Innenleben der Charaktere vor der äußeren Handlung in den Vordergrund tritt, was die Erzählung ausgezeichnet unterstützt.
Von der Farbgebung her sind die Bilder sehr düster, es herrschen gedeckte Nacht- und Pastellfarben vor und angelehnt an den Film Noir heben sich dunkle Vordergründe oft von hellen oder farbkräftigen Hintergründen ab. Durch geschickt gewählte Farbnuancen und den kunstvollen Einsatz von Licht ist das Bildmotiv jedoch trotz der dunklen Farben immer deutlich und detailreich. Der hochwertige Hochglanzdruck bringt auch die verschiedenen Schwarztöne wunderschön zum Wirken und worüber Layouter und Drucker bestimmt nicht zu wenig geflucht haben, kann beim Lesen nur beeindrucken.
Abgerundet wird das Artwork durch die meisterliche Kadrierung der Bilder, die vom Doppelseitigen Großbildern bis zur Zerstückelung von Seiten in kleinste Frames reicht. Die meisten Bilder sind von dicken schwarzen Balken gerahmt, aber es gibt auch offene Bilder, Überlagerungen und ein paar ausgefeilte Bild-im-Bild-Tricks. Bei dynamischeren Szenen gehen die Bilder oft diagonal ineinander über. Trotz der großen Spannbreite des Stils wird der Comic nie chaotisch, vielmehr lassen die Bilder die Geschichte mal rasch, mal langsam, aber immer angenehm vor dem Leser fließen.
Die Erzählung und das Artwork bilden ein unnachahmliches Ganzes und "The Lurkers" illustriert ganz deutlich, warum man Comics liest: Dieser Art des Erzählens kann man weder durch Prosa noch durch Bewegtbild nahekommen und eine Übertragung in ein anderes Medium würde aus der Geschichte etwas sehr anderes machen.

Fazit: "The Lurkers" ist sicherlich ein unbedeutendes Werk und man muss nicht von ihm gehört haben, um sich als Comic-Kenner bezeichnen zu dürfen. Die Geschichte ist auch keine, die die Welt aus ihren Angeln hebt. Aber der Comic ist einfach schön und wer sich ein rundum schönes Produkt in den Schrank stellen will, bei dem alles richtig gemacht wurde, der sollte unbedingt zugreifen. Und jeder comiclesende Horrorfan darf sich die düstere, tiefgründige Geschichte nicht entgehen lassen.


Steve Niles / Hector Casanova
Englisch, 92 Seiten Softcover, IDW Publishing{jcomments on}
ISBN: 1-932-38280-1