Sin City
Es ist ein Klassiker unter den Comics: Sin City. Und während in Deutschland kommenden Monat endlich auch mit ordentlicher Verspätung die Verfilmung von Desperado-Macher Robert Rodriguez anlaufen wird, wollen wir uns doch einmal die Vorlage aus dem Jahre 1991 anschauen.
Was einem sofort auffällt, ist ein sehr, sehr eigener Stil, den Miller für den Comic gewählt hat. Eher unüblich für den amerikanischen Raum scheint es, dass er selber zeichnet und schreibt, aber der Erfolg gibt ihm in diesem Falle ja durchaus Recht.
Die Zeichnungen sind schwarzweiß bis zu einem Extrem, wie ich es andernorts noch nicht gesehen habe. Sie sind schwarzweiß, nicht in Graustufen gehalten. Sie sind weiterhin schwarzweiß, ohne dabei mit den typischen kleinen, schwarzen Strichen detailliertere Akzentuierungen vorzunehmen. Der Look von Sin City besteht aus schwarzen und weißen Flächen, die in ihrer Komposition dann die recht kantigen, markigen Charaktere und Objekte bilden, die Miller auf den einzelnen Bildern zu sehen haben will.
Man muss sich an diesen Look erst einmal gewöhnen. Das muss man zugegebenermaßen bei vielen Comics, aber bei Miller scheint es mir immer etwas extremer zu sein. Teilweise wirken die Bilder invertiert (also schwarz ist weiß, weiß ist schwarz), teilweise sind etwa Hintergrundobjekte wie Mauerwerk nur im Umkreis der Schatten der Personen zu sehen, teilweise erkennt man auch nur in ganzen vagen Schemen überhaupt etwas auf den Bildern. Allerdings gelingt es Miller trotzdem, den Charakteren einen hohen Wiedererkennungswert zu geben, was leider ja auch nicht in allen Comics gegeben ist.
Worum nun aber geht es in „Sin City“? Sin City, das ist eigentlich „Basin City“, doch danach fragt niemand mehr, da der verkürzte Name definitiv besser passt. Es ist ein korrupter und verkommener, verdorbener und vom Verbrechen regierter Ort, an dem es, kurz und gut, einfach keine ehrlichen Menschen zu geben scheint.
Einer der ehrlicheren Menschen ist auch zugleich der Protagonist der Handlung. Marv ist groß, bullig und hässlich und umso verwunderter, als die wunderschöne Goldie recht ohne Umschweife mit ihm ein Raum mit Bett aufsuchen will. Dumm für ihn nur, dass Goldie am nächsten Morgen tot und die Polizei hinter ihm her ist – also macht er sich, ganz klassisch, auf die Spur der Täter.
Dabei merkt man dann aber auch schon, dass auch er kein unbeschriebenes Blatt ist. Er hat nicht nur eine Bewährungshelferin, die ihn mit Antipsychotika versorgt, er ist auch mehr als skrupellos, was seine Ermittlungen betrifft.
„Sin City“ orientiert sich klar erkennbar am Film Noir, auch was die Erzählform betrifft, doch der Protagonist hier erscheint dennoch noch einmal als die Eskalation eines Hard Boiled Cop aus der Vorlage. Das muss er aber auch sein, denn gleichermaßen ist auch die Welt von „Sin City“ eine solche Eskalation, wo es niemanden gibt, der nicht wahlweise strippt, Drogen verkauft, wahnsinnige Morde begeht oder eben in der Verbrechensbekämpfung tätig ist.
Leider erwächst aus dieser skrupellosen Direktheit auch eine gewisse Linearität für die Handlung, die Suche nach dem Täter verschwimmt im Hintergrund und wird nur ein Rahmen für den inszenierten Rachefeldzug, der wiederum nur Rahmen zu sein scheint, um möglichst viel der Sünde der Stadt zu zeigen.
Ich weiß, ich führe gerade einmal mehr eine heilige Kuh zur Schlachtbank, aber für meinen Geschmack kommt die Handlung in „Sin City“ etwas zu kurz. Es kommt keine rechte Spannung auf, da man einerseits sowieso ahnt, was kommen wird, andererseits aber auch Marvs Schritte nicht nachvollziehen kann, da er zwar aus dem „Off“ (also neben den Bildern...) sagt, was er tut, man aber oft länger damit zu tun hat zu erahnen, bei wem er da jetzt ist und was er sich davon erhofft, als wirklich der Handlung zu folgen.
„Sin City“ ist kein schlechter Comic, das ganz sicher nicht. Im Gegenteil, er trägt seinen Klassikerstatus ebenso wie seinen Will Eisner Award durchaus mit Recht, nur hat man anno 2005 einfach schon bessere Graphic Novels gelesen.
Es gibt ja nun noch zahlreiche weitere „Sin City“-Bände und es mag sein, dass Miller über die Jahre auch seinen Erzählstil weiter verfeinert hat. Werden wir in gegebener Zeit auch hier erkunden, denke ich.
So aber bleibt ein Erstling zurück, der zwar ein Klassiker und Wegbereiter ist, aber der auch, wie so oft, mittlerweile von der Zeit einfach etwas überholt wurde. Irgendwie gemahnt mich „Sin City“ insofern auch an die knallharten Actionthriller der Achtziger – kompromisslos, direkt und bar jeder Differenzierung einfach nicht mehr ganz zeitgemäß.
Frank Miller
208 Seiten Softcover, Dark Horse{jcomments on}
ISBN: 1-878574-59-0