Serenity - Those Left Behind

Wir bei der DORP lieben ja bekanntlich Joss Whedon. Gut, es gibt ein paar schwarze Schafe, aber ein Großteil hat sich zu Schulzeiten noch jeden Montag für neue Folgen von Buffy und Angel vor der Glotze versammelt, hat mindestens eine der beiden Serien auf DVD und schaut diese immer wieder gerne.
Und dann ist da noch Firefly. Joss Whedons dritte Fernsehserie, ein Mix aus Western und Sci-Fi, dürfte in den Kreisen, aus denen ein Großteil unserer Leser stammt, schon eine gewisse Berühmtheit erreicht haben und wurde ja durch ihre Kinoadaption Serenity allgemein zum Medienphenomen.
„Serenity – Those Left Behind“ ist ein Comic aus der Feder des Schöpfers Whedon persönlich und überbrückt die Zeit seit Absetzung der Serie bis hin zum Kinofilm. Sogar einige Erklärungen und Antworten werden einem da versprochen und hey, interessant ist das sicherlich.

Aber für jene, die hinter‘m Mond leben, lieber einige Stunden Kant lesen anstelle mal so triviale Dinge wie TV-Serien zu gucken tun und das Kino für seine Kommerzialisierung verachten, hier Firefly respektive Serenity in kurzen Worten:
Captain Malcolm Reynolds ist der Kommandant eines kleinen Raumtransporters, der „Serenity“, und erledigt mit seiner Crew jeden Job, der ihm das Geld einbringt, um das Schiff so in Schuss zu halten, um auch den nächsten Job annehmen zu können. Seine Crew besteht aus Zoe, wie er Veteran eines vergangenen Krieges, ihrem Mann Wash, dem Piloten des Schiffes, Jayne, einem klassischen Söldnercharakter, der Mechanikerin Kaylee sowie vier „Mitreisenden“. Dem Arzt Simon, der seine Schwester River aus einem Forschungslabor der finstern „Alliance“ gerettet hat und mit ihr auf dem Schiff ein Refugium gefunden hat, dem Prediger Book und Inara, die als qualified companion arbeitet, was man sich hier der Einfachheit halber als Mischung zwischen Eskortservice, Nobelhure und Geisha vorstellen mag.
Das natürlich ist eine extremst verkürzte und der komplexen Serie unwürdige Zusammenfassung, aber andererseits schon mehr Einführung, als der Comic einem gibt. Aber sparen für uns die Kritik für das Ende auf.

„Those Left Behind“ sammelt drei Einzelausgaben von je 32 Seiten Umfang zu einem demnach 96 Seiten schweren Sammler (Meister-Mathe-Genie im Einsatz) und kommt nicht im gewohnten Comicformat, sondern im kleineren 23x15er-Maß daher, das Comickäufer vielleicht schon von entsprechenden Sin City-Veröffentlichungen her kennen.
Die Geschichte beginnt recht unvermittelt mit einem typischen Raubzug unserer Crew, der – natürlich – auch wie immer schiefgeht. Doch am Ende des ersten „Heftes“ schleicht sich Rahmenhandlung ein und die beiden aus der Serie für ihre blauen Handschuhe bekannten Attentäter tauchen wieder auf. Sie sind nach wie vor hinter der „Serenity“ her und treffen dort auf jemanden, den Serienfans auch bereits kennen, dessen Namen ich aber an dieser Stelle nicht nennen möchte, um niemanden zu spoilern.

Die Crew trifft derweil auf Badger, der ihnen die Koordinaten zu einer möglichen Fundgrube für schieren Reichtum gibt, wo aber dann auch bereits die Blauhände lauern und wo es demnach dann zum Finale kommt.
End of story. Doch einmal mehr halten wir uns noch zurück und bleiben noch bei den positiven Seiten des Comics.

Visuell ist der Band zweifelsohne schön geworden. Die Charaktere sind, wenigstens im Durchschnitt, gut eingefangen und gerade die Colorierung sehr stimmungsvoll. Schade ist es dabei, dass es bisweilen zu „Mutationen“ kommt. So ist Mal etwa auf dem ersten Panel, das ihn zeigt, schon gut getroffen, auf dem zweiten Bild dagegen nur anhand seiner Klamotten zu erkennen. So schwankt die Qualität allgemein hin und her. Manche Bilder treffen ihre Vorbilder exakt, andere wiederum funktionieren eher nach dem „Er trägt ein Hawaii-Hemd und sitzt im Pilotensessel – na, das wird wohl mal Wash sein“-Modell. Schade eigentlich, aber zu verschmerzen.
Dafür ist das Arrangement sehr schön, einigen Einstellungen merkt man wohl auch Whedons Herkunft vom Film an. Wenn er etwa davon spricht, dass seinm Revolver eine von zwei Sachen wäre, die ihn durch den Krieg begleitet hätten und heute noch an seiner Seite wären, diese Textblase aber in einem Bild von Zoe mündet, so werden Fans schnell anerkennen, wieviel da zwischen den Zeilen (oder eher: zwischen den Bildern) ausgesagt wird.
Whedonscher Sprachwitz ist natürlich auch in dem Band zu finden, wenn er mir auch etwas rarer Gesät schien als in der Serie. Dafür wurden die aus der Vorlage bekannten Aussprüche in Mandarin dadurch umgesetzt, dass eben auch manchmal chinesische Schriftzeichen abgedruckt sind.
Die Schilderungen rund um Book sind zuletzt ebenfalls sehr sehenswert und eine konsequente Fortentwicklung des Charakters.

Doch der Band hat Schwächen, eklatante Schwächen, wobei ein Großteil aus dem geringen Umfang entsteht. Es ist klar, dass man auf 96 Seiten keinen „Sandman“ erzählen kann, aber das ist ein Grund, keine Entschädigung.
Abgesehen von einer fehlenden Einführung, die zwingend notwendig gewesen wäre, um diesen Band für jene, die die Serie nicht kennen, wenigstens im Ansatz verständlich zu machen, leidet „Those Left Behind“ vor allem daran, dass Whedon offenbar keinen Raum hatte, seine Handlung irgendwie zu entfalten.
Man kann es sich wirklich wie am Reißbrett vorstellen: Charaktere verüben Raubzug, scheitern. Nächstes Heft. Alle Charaktere gehen in Position für‘s Finale. Nächstes Heft. Finale.
Das mag für eigentlich nicht mal mehr wirklich kostengünstige Comicheftchen gerade noch in Ordnung sein, für ein als ausgewachsenes Trade Paperback veröffentlichtes Werk eines Eisner-Award-Ausgezeichneten ist es aber definitiv zu wenig.
Es ist vor allem deshalb ärgerlich, weil der Band so fast schon einen Schatten auf die Serie selbst wirft. Der wiederkehrende Charaktere „entwertet“ damit eine gerade aufgrund ihrer Schmuck- und Schonungslosigkeit großartige Szene vom Anfang von Firefly, ohne dass es einen wirklich Grund oder gar eine Erklärung für seine Wiederkehr gäbe. Gleiches gilt für die Kerle mit den blauen Händen, die hier recht sang- und klanglos verbraten zu werden scheinen. Vergeudetes Potential.

Unter‘m Strich bin ich von „Serenity – Those Left Behind“ sehr enttäuscht worden. Ein Hauch des Flairs der Serie ist zu spüren, aber damit hat es sich auch bereits erschöpft. Serien-Fans greifen der Komplettheit wegen vermutlich zu, Whedon-Fans sollten sich aber bereits darauf einstellen, von dem Werk insgesamt nicht zu viel zu erwarten.
Leute, die mit der Serie nichts anfangen konnten werden hier auch nichts finden, was das ausgleichen könnte und jene, die weder Firefly noch Serenity kennen, können ihr Geld eh stecken lassen, denn ihnen sei versprochen, dass sie nichts verstehen werden.
Ich bin einfach enttäuscht; hier wurde enormes Potential vergeudet und zu einem Kauf kann ich weißgott nicht raten.


Joss Whedon, Brett Matthews und Will Conrad
96 Seiten Softcover, Dark Horse
ISBN: 1-59307-449-2 {jcomments on}