John Constantine, Hellblazer – Fear and Loathing

Irgendwie scheint es bei Vertigo jemanden zu geben, der sowohl für die Hellblazer-TPBs zuständig als auch großer Feind aller Kompletisten dieser Welt ist. Nachdem der erste Sammler, „Original Sins“, die allerersten neun Ausgaben rund um den britischen Beschwörer vereinte und Sammler zwei, „Dangerous Habits“, dann einen gewaltigen Sprung hin zu den Ausgaben 41-46 machte, machen wir heute gleich einen dritten Zeitsprung mit.
„Fear and Loathing“ führt uns ins Veröffentlichungsjahr 1993 und vereint die Hefte 62-67. Vom Umfang her entspricht der Band damit seinem Vorgänger und liegt, wie dieser, merklich hinter dem vom ersten Sammler.

Federführend war auch diesmal wieder Garth Ennis, der jedoch dieses Mal eine nicht ganz so eng verwobene Handlung durch den ganzen Band webt. Eröffnet wird vielmehr mit zwei Einzelgeschichten, die jedoch beide sehr lesenswert sind. „End of Line“ beschreibt, wie John feststellt, dass eine junge Verwandte versucht, seinen magischen Wegen zu folgen. Da er aber um deren (selbst-)zerstörerisches Potential weiß, setzt er alles daran, ihr diesen Unsinn aus dem Kopf zu treiben. „Forty“ dagegen beschreibt, nun ja, seinen vierzigsten Geburtstag. Ein besonderes Kleinod, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Der eigentliche „Fear and Loathing“-Plot umfasst dagegen nur hundert Seiten des Bandes und schildert zunächst einmal einen seltsamen Selbstfindungstrip, auf den sich Gabriel macht. Ja, der Gabriel, der Erzengel Gabriel durchlebt so eine Art Midlife Crisis und sucht daher einen Ausweg.
Constantine verbringt derweil eine glückliche Zeit mit seiner Flamme Kit, ahnt noch nicht, welche dunkle Wolken am Horizont stehen. Doch eine Drittpartei ist von Gabriels Seinszustand eher unerfreut und gibt Constantine die Schuld; man beschließt, über dessen große Liebe an ihn selbst heranzukommen.

Wie man das aus der Reihe kennt, ist am Ende doch noch einmal vieles nicht so, wie es zu sein schien. Auf dem Backcover heißt es „His enemies don‘t tend to live long ... but then, neither do his friends.“ Eine Erkenntnis, die auch bei dieser Erzählung definitiv zutrifft.
Zwar enthüllt sich am Ende noch ein ganz überraschender Umstand und es gibt eine verblüffende Erklärung, was nun genau für Gabriels Seinskrise verantwortlich war. Constantine selbst ist nicht unerfolgreich beim Verfolgen eigener Interessen, doch erkauft er sich diesen Teilsieg – wie immer – auf Kosten einer mindestens ebenso immensen, privaten Niederlage.
Die Handlung erreicht dabei nicht ganz das bewegende Potential von „Dangerous Habits“, gleicht dies aber mit der überraschenden Auflösung und einem sehr intensiven Abschluss aus.
Diesmal geht es auch wieder etwas sozialkritischer und politischer zu als beim Vorgängerband.

Auf künstlerischer Seite ist diesmal, erstmals, Steve Dillon mit an Bord. Der ist auch Chefzeichner bei Ennis‘ „Preacher“-Comicreihe und zweifelsohne ein großartiger Künstler. Zwar sieht man dem Look der einzelnen Hefte defintiv das Alter an, doch ist der Band fraglos schön anzuschauen und klar gefertigt, der Look passt geradezu perfekt zur erzählten Geschichte.
Die Entwicklung des Hauptcharakters ist hier ebenfalls sehr schön zu verfolgen. Wie vor Wochen in der Rezi zu „Original Sins“ schon vermerkt, ist Constantine ein Unikat insofern, als dass der Charakter in Echtzeit altert. Wenn in der echten Welt fünf Jahre seit einer bestimmten Ausgabe vergehen, so sind für Constantine ebenfalls fünf Jahre vergangen. Das gibt einigen Ereignissen aus „Fear and Loathing“ eine ganz besondere Bedeutung und macht auch etwa „Forty“ zu einem kleinen Schatz.

Wem die Reihe zusagt, der macht auch mit „Fear and Loathing“ sicher nichts falsch. Wer einen wirklich guten Comic sucht, der wird hier fündig. Nur als direkter Einstieg ist die Geschichte vermutlich nicht geeinget, da hier die Kenntnis einiger Entwicklungen vorausgesagt hat, die für Neueinsteiger vermutlich schwer zu erfassen sind.
Alle anderen aber greifen zu – was Ennis und Dillon hier abgeliefert haben, ist ein Comic, den man sich eigentlich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.


Garth Ennis, Steve Dillon
160 Seiten Softcover, Vertigo
ISBN: 1-56389-202-2 {jcomments on}