John Constantine, Hellblazer – Dangerous Habits

Selten habe ich eine Trade Paperback-Comic-Reihe gesehen, die einen derartigen Sprung macht wie Hellblazer hier. Band 1, „Original Sins“, den wir letzte Woche besprochen haben, beinhaltete die ersten neun Ausgaben der Reihe. Der zweite Band (auch wenn er keine offizielle Nummerierung aufweist) nun bringt uns irgendwo in die Vierziger-Ausgaben und stürzt auch einen willigen Leser erst einmal haltlos ins Chaos.
Die Rahmenhandlung von „Dangerous Habits“ erstreckte sich von Band 41 bis 46 und ist wesentlich enger gewoben, als es noch bei dem Plot der ersten Ausgaben der Fall war. Die Federführung oblag mittlerweile Garth Ennis (auch der führende Kopf der „Preacher“-Reihe) und folgt doch einem erkennbar anderen Ansatz als die Delano-Serie.

Die ersten Worte machen gleich unmissverständlich klar, dass es hier dem Protagonisten an den Kragen zu gehen scheint: „Springtime. Everything wakes up and gets on with it. Everything carries on living. All except for me. I‘m dying.“
Die Prämisse ist die, welche auch der Kinofilm aufgegriffen hat – Constantine raucht seit jeher wie ein Schlot und genau das schickt sich nun an, seinem Leben ein Ende zu machen. Denn er hat Krebs und seine Uhr läuft unaufhaltsam ab. Doch ein Beschwörer, ein Magier wie er, gerade einer mit derartig mächtigen Feinden, stirbt nicht so einfach. Viele haben ein Interesse an seiner Seele oder suchen einfach Genugtuung darin, ihn leiden und sterben zu sehen.
Constantine macht sich also auf, sein Schicksal zu verhindern. Dazu sucht er über den Verlauf der Geschichte eine ganze Reihe alter Bekannter auf, versucht noch vorhandene Gefallen aufzubrauchen und dem scheinbar Unabwendbaren zu entkommen.

Dabei entfalten sich schöne Einzelgeschichten, die eben die separaten Heftveröffentlichungen ausmachten, das Damoklesschwert des nahenden Todes bleibt aber auf jeder einzelnen Seite präsent. Constantine hat einen Plan, doch den zu Durchblicken ist nicht ganz leicht. Die Auflösung, die Ennis letztlich für seine Geschichte gefunden hat, ist jedenfalls sehr genial geraten und kommt zu einem sehr befriedigenden Ende für den Band.
Der Preis ist jedoch, typisch für die Serie, recht hoch und einmal mehr muss Constantine am Ende einige gefallene Freunde tief betrauern. Er kriegt oftmals direkt seine Rache (gerade die Weihwasser-Auflösung von „A Drop of the Hard Stuff“ ist geradezu genial), doch Leute sterben einfach, ohne, dass er etwas dagegen tun könnte.

Anders als „Original Sins“ ist „Dangerous Habits“ dabei weniger politisch, als vielmehr persönlich. Zwar sind bestimmte Elemente geblieben, doch anstelle der Thatcher-Yuppie-Dämonen und Rassismus-Motive wendet sich dieser Band vielmehr persönlichen, menschlichen Schicksalen zu.
Besonders deutlich wird das durch einen ebenfalls krebskranken Charakter, den Constantine kennenlernt. Dessen Leidensweg ist sehr menschlich, sehr glaubwürdig und gibt den Band eine bittere Note, die ihn jedoch zugleich merklich aufwertet. Anhand der Entwicklung dieses Charakters kann man sehen, wie ernst die Lage auch um John ist. Der härteste Feind ist hier kein Dämon, Engel oder Teufel, sondern eine ganz „mundäne“ Krankheit. Constantine mag dem durch seine Schläue und seine Fähigkeiten entgehen können, normale Menschen aber sind dazu nicht in der Lage. Wie hier eben demonstriert.

Der Band ist zudem recht schön geraten. Der Art, wie die Bilder eingefärbt sind, merkt man das Alter des Bandes klar an, denn die Hefte wurden erstmals bereits 1991 veröffentlicht. Doch die Zeichnungen selber sind sehr schön und viele Bilder sind einfach ausdrucksstark.
Der Zugang fällt leichter als noch bei „Original Sins“ und heutzutage an das Medium herangeführte Leser werden sich nicht ganz so verloren fühlen, wie noch beim Erstling.

Unter‘m Strich ins „Dangerous Habits“ ein Comic, auf den jeder Fan düsterer Urban-Horror-Geschicten mal einen Blick werfen sollte. Die erzählte Geschichte ist spannend, die Auflösung recht genial, das Artwork ansehnlich und der Stil fesselnd.
Wer einen guten Einstieg ins Hellblazer-Universum sucht und dabei damit leben kann, sich zeitweise etwas verloren zu fühlen, wer die Charaktere, die dort handeln eigentlich sind, der sollte mal einen Blick riskieren – Garth Ennis‘ Auftakt in der Hellblazer-Reihe ist jedenfalls grandios gelungen.


Garth Ennis, William Simpson, Mark Pennington, Tom Sutton und Malcolm Jones III
160 Seiten Softcover, Vertigo
ISBN: 1-56389-150-6 {jcomments on}