Arkham Asylum - A serious house on a serious earth

„Der Comic, der das Genre veränderte.“
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Mit solchen Slogans wurde teilweise für das vorliegende Buch geworben. Nun, allzu nachdrücklich beeindruckt hat mich das nun nicht, es war ein anderer Grund für mich da, das nicht ganz billige Büchlein zu erwerben: Dave McKean.
Das Genie hinter den ganz wundervoll-verstörenden Covern von Neil Gaimans Sandman-Reihe, der Illustrator hinter Mr. Punch, Signal to Noise und Violent Cases, hatte ganz offenbar einen Batman-Comic gezeichnet. Einen, der auf einem Script von Grant Morrison basiert, der schon manche Superhelden-Reihe zeitweise betreut hat. Das war ein Kaufgrund.

Dennoch, jetzt wo ich mehr weiß, erscheint es nur angemessen, einen Schritt zurück in die Zeit zu tun, zurück in das Jahr 1986. Die Seele der Schar feierte also mutmaßlich den dritten Geburtstag, als Karen Berger, seinerzeit frisch mit der Betreuung von DCs britischen Freelancern betraut, sich mit einem jungen Künstler traf. Grant Morrison hatte, neben der Idee einer Wiederbelebung von Animal Man, auch ein Script dabei, dass Batman selbst in das Arkham Asylum steckte. Weniger das typischen Superhelden-Hickhack, welches so oft publiziert wurde, sondern eine psychologische Charakterstudie des Menschen, der selbst ganz offensichtlich kein normaler Geist ist.
Das kam gut an, hatte zuvor Frank Miller mit „The Dark Knight Returns“ (ich bin sicher, dem wird sich [ego] hier noch widmen) schon demonstriert, dass Comics auch neue Dimensionen erreichen konnten.
Da war es nur passend, dass Berger zuvor den jungen Künstler Dave McKean, damals im Schlepptau von Neil Gaiman, getroffen hatte, und diesen gleich mit in das Projekt einbezug, dessen Buch weniger wie ein typisches Comicscript und mehr bereits in richtiges Drehbuch war. Dazu aber später in dieser Rezension noch mehr.

Was letztlich aus dieser Kollaboration dreier richtiger Personen am richtigen Ort entstanden ist, ist sicherlich ein kleines, revolutionäres Stück Comicgeschichte und liegt nun, in der Jubiläumsausgabe zum 15. Geburtstag, auch vor mir.
Was zunächst ins Auge springt ist natürlich der eigenwillige Stil von Dave McKean, der stellenweise mit normaler Comicillustration gar nichts gemein zu haben scheint. In Montagen aus Zeichnung, Skizze, Photographie und Skulpturen, die für Erzeugnisse aus der Prä-Computerära geradezu genial anmuten, erzählt er in verstörenden Bildern auf 128 Seiten die Geschichte, die auch Batman an ganz neue Grenzen führt.
Batman wird gerufen, denn die Insassen des Arkham Asylum haben den Aufstand mit Erfolg geprobt und ihre einzige Bedingung zur Freilassung der Geiseln ist es, dass sich Batman in ihr Reich begibt. Gordon schlägt noch ein SWAT-Kommando vor, doch Batman willigt ein, war er es doch, der dieses Gebäude ohnehin erst gefüllt hat.
Das titelgebende „serious house on a serious earth“ (man vergebe dem Rezensenten, dass er diesen vieldeutigen Spruch gar nicht erst wagt, übersetzen zu wollen) ist hier wahrlich eine Irrenanstalt. Nicht so sehr wegen einer bizarren Architektur, sondern wegen der gesamten Wirkung der Bilder. Alles ist verzerrt, bizarr, einem düsteren Alptraum gleich. Es sind immer die Insassen, die im „Licht“ stehen, Batman selbst ist selten mehr als ein Schemen im Hintergrund. Steht er einmal nahe genug am virtuellen Betrachter, um etwas erkennen zu können, so fällt auf, dass „die Fledermaus“ hier nur wenige der klassischen Merkmale hat. Fast schwarz ist sein gesamtes Kostüm, die viel-beunkte „Zielscheibe“ auf seiner Brust ist nicht erkennbar. Noch wichtiger aber ist es, dass nicht einmal der Übergang seiner Gesichtsmaske zu seinen menschlichen Zügen erkennbar ist. Das ist mehr als nur visuelle Gestaltung, das ist Symbol für das, was Batman hier allgemein anhaftet: in den Augen der Insassen von Arkham ist Batman einer von ihnen, ein Irrer.
Es kommen dort sehr weise Worte vom Joker. „I say we take off his mask, I want to see his real face...“ wird gefordert, als Batman sich in die Reihen der Verrückten begibt, doch der Joker kontert dies nur mit „Oh, don‘t be so predictable for christ‘s sake. This is his real face.“

Doch gibt es sogar noch einen zweiten Erzählstrang. In immer wieder eingestreuten Abschnitten wird auch die Geschichte von Amadeus Arkham erzählt, der das Sanatorium einst gegründet hat. Ich möchte da gar nicht so auf die Details eingehen, doch ein Arkham, dessen Erlebnisse in den 1920ern in Tagebuchform vorgetragen werden … ich denke, wer sich für die Materie interessiert, der erkennt die Anspielung.

Anspielung ist ohnehin eines der Schlagwörter, die aus „Arkham Asylum“ mehr machen als „nur“ einen netten Comic. In Wort wie Bild findet sich Verbindungen zu unzähligen anderen literarischen und anderweitig inspirativen Quellen, die das Buch sehr vielschichtig wirken lassen. So ist gleich das erste Bild stark von einer Tarotkarte inspiriert, welche ohnehin eine wichtige Rolle spielen werden. Lewis Carroll wird am Beginn wie am Ende zitiert, der Mad Hatter sitzt ziemlich genau in der Mitte der Handlung und spricht davon, wie Arkham einem „looking glass“ ähnelt. Schattenwurf ist ebenfalls ein Thema, eilt der Erzählung voraus und symbolisiert, was Jung unter dem symbolischen Begriff des Schattens zusammengefasst hat.
Damit dies aber nicht alles an unbedarfteren Lesern vorbeigeht, hat die Jubliäumsausgabe noch ein besonderes Highlight: das zuvor erwähnte Script zum Comic liegt in der finalen Fassung, mit zusätzlichen Kommentaren von Morrison, komplett dem Band bei. Es gibt zwar auch wieder eine Cover-Sammlung sowie einige erste Skizzen, doch das Script ist das wahre Highlight des Bandes, zeigt erst wirklich auch, wie unglaublich vielschichtig er geraten ist.
Darin findet man dann auch die Erklärung, warum etwa Robin nur in einem einzigen Satz Erwähung findet: „Dave McKean, however, felt that he had already comprised his artistic integrity by drawing Batman and refused point blank to bend over for the Boy Wonder.“
Sehr lohnenswerte Lektüre, die auch sehr stark aufzeigt, weshalb einige Comics eben doch den Rang von Literatur verdient hätten.

Abschließend kann man nur sagen, dass „Arkham Asylum“ ein Stück Comicgeschichte ist, deren Lack jedoch im Gegensatz zu einigen anderen Klassikern nirgendwo zu blättern begonnen hat. Und während Morrisons Geschichte vielleicht nicht die schiere Genialität von Gaimans „Sandman“ zu bieten hat, so muss man sagen, dass die Lektüre dieses Comics hier sehr, sehr lohnend ist.
Die Bilder sind faszinierend, teils regelrecht verstörend, der Blick auf den Mann im Fledermauskostüm ist erfrischend und ungeschönt und die Gesamtkomposition trotz verhältnismäßig geringem Umfang von 128 Seiten sehr vielschichtig.
Die Geburtstagsausgabe ist dazu noch schön ausgestattet und aufgemacht – unter dem Schutzumschlag etwa verbirgt sich noch ein Leineneinband, der das Buch als Amadeus Arkhams Tagebuch ausgibt.
Eine uneingeschränkte Kaufempfehlung mag ich nicht geben, da der verstörende Stil und die düstere Erzählform sicherlich nicht jedermanns Geschmack sind. Wer nun aber bereit ist, sich einmal in die psychologischen (Un-)Tiefen der kranken Geister des Arkham Asylums zu begeben, der macht mit diesem Meisterstück sicher nichts falsch.


Grant Morrison, Dave McKean
216 Seiten Hardcover im Schutzumschlag, DC Comics
ISBN: 1-4012-0424-4