Ghost in the Shell

"A copy is just an identical image. There is the possibility that a single virus could destroy an entire set of systems and copies do not give rise to variety and originality. Life perpetuates itself through diversity and this includes the ability to sacrifice itself when necessary. Cells repeat the process of degeneration and regeneration until one day they die, obliterating an entire set of memory and information, only genes remain. Why continually repeat this cycle? Simply to survive by avoiding the weaknesses of an unchanging system."
- aus Ghost in the Shell

Zur Handlung:
Im Jahr 2029 hat die Technik nicht nur endgültig Einzug in die Heime aller Menschen, sondern auch in ihre Körper gefunden. Verbesserte Körperteile und nicht zuletzt kybernetische Ergänzungen der Gehirne sorgen für eine erhöhte Leistungsfähigkeit und verbinden die Menschheit endgültig mit den großen Informationsnetzwerken.
Doch auch Verbrecher nutzen diese Möglichkeiten, hacken sich teilweise sogar in die Gehirne anderer Menschen hinein, verleiten sie so zu Taten oder löschen Erinnerungen. Um dies zu verhindern, wurde sie Section 9 gegründet. Ihr aktuelles Zielobjekt: ein meisterhafter Hacker namens Puppetmaster entzieht sich bisher all ihren Agenten.
Die nahezu komplett durch kybernetische Körperteile aufgewertete Motoko Kusanagi und ihr Kollege Bateau sollen ihn nun aufspüren – doch die Fragen, auf die sie dabei stoßen, gehen viel weiter, in viel philosophischere Dimensionen.

Zur Umsetzung:
"Ghost in the Shell" dürfte wohl einer der mit weitem Abstand bedeutsamsten Animes sein, die es bisher gegeben hat. Nicht nur technisch und inhaltlich, sondern auch für die Gattung an sich. Denn zumindest soweit der westliche Markt betroffen ist, kann man den Film wohl als die Initialzündung dafür betrachten, dass wir heute auch Animes über "Heidi" hinaus in unserem Kenntnisgebiet haben.

Zudem ist der Film, womit wir auch schon mitten im Thema wären, der erste gewesen, der massiv, anhaltend und umfassend Computereffekte zur Visualisierung verwendet hat. Zwar merkt man den Zeichnungen von 1995 noch an, dass sie etwas älteren Datums sind und sie können sich nicht mit einer Detailsorgie à la "Vampire Hunter D: Bloodlust" mässen, aber das müssen sie auch gar nicht.
Der Look ist so, wie er ist, sehr fesselnd und faszinierend, spiegelt eine der Leitfragen des Films auch gleich bildlich wieder. "Ghost in the Shell" ist zwar natürlich auch ein Actionthriller um die Ermittler der Section 9, doch wie man es von Regisseur Mamoru Oshii ("Avalon", "Patlabor", "Angel's Egg") gewohnt ist, steckt auch mehr dahinter.
Die zentrale Fragestellung des Films ist es, ab wo Leben beginnt. Dies wird von den Charakteren anhand des Titelgebenden "Ghosts" gemessen, dessen sinngemäße Entsprechung vielleicht am ehesten eine Seele ist. Wenn ein Mensch nun, wie Motoko, eigentlich nur noch das Gehirn des früheren Selbst ist und wiederum auch dieses schon erweitert wurde – ist der "Ghost" dann noch immer da? Ist er dann noch ein Mensch?
Und wenn eine rein künstliche Entität nun sozusagen transzendiert und zumindest den Anschein erweckt, ein Bewusstsein zu haben – könnte sie dann unter Umständen auch einen eigenen "Ghost" entwickeln?

Diese Fragestellung zieht sich durch den Film, in kleinen wie in großen Elementen, sei es nun, dass Motoko ihre Zweifel offen ausspricht oder auch in Form von Bildsprache, wenn etwa im Feuergefecht ein von Menschen konstruierter Panzer einen als Relief gefassten Baum des Lebens bis zu seiner Spitze, "Hominis", komplett ausradiert.
Der Film regt damit eine Frage an, die sicherlich nicht uninteressant ist und auf diese Art und Weise ja durchaus auch bei wichtigen westlichen Autoren wie Asimov oder William Gibson zu finden ist.

Der Film ist dabei allerdings nicht so vergeistigt, wie das nun klingen mag. Auch das Auge kriegt ordentlich etwas geboten – die Ästhetik dieses Films war etwa auch einer der wichtigsten Paten bei der Entstehung von "Matrix". Die grünen Computerdisplays, die grauen Stadtlandschaften, die teilweise überflutete Stadt, auf der Gondeln treiben, während geheimnisvolle Maschinen, irgendwo zwischen Hubschrauber und Raubvogel, am Himmel kreisen, ist visuell sehr stark und beeindruckt auch heute noch.
Ebenso begeistern kann das "Optical Camouflage", also eine Oberflächentarnung, die die exakte Umgebung imitiert und so zu einer Art Unsichtbarkeit herbeiführt. Nicht nur, dass das – 2003 nun als Prototyp wirklich präsentierte – Konzept mehr oder weniger durch den Anime geboren wurde, es ist auch einfach eine rundum faszinierende und fesselnde Szene, wenn Motoko und Bateau einen Getarnten über einen mit Menschen gefüllten Markt jagen.

Eine deutsche DVD-Veröffentlichung des Filmes gibt es dagegen leider noch nicht, dieser Rezension hier liegt die englische DVD zugrunde. Diese ist dann aber auch durchweg empfehlenswert, kommt als Amaray im Pappschuber daher und bietet ein gutes Widescreen-Bild sowie den englischen Ton in Dolby Digital 5.1 und 2.0, den japanischen O-Ton allerdings nur in Stereo. Es gibt Untertitel in Englisch, Portugiesisch, Dänisch, Finnisch, Norwegisch und Schwedisch sowie allerlei Extras, von einem Making Of über den Original-Trailer bis hin zu 20 furchtbar anfangenden und dann nur selten besser werdenden Trailer mit weiteren Angeboten des Verleihs.
So könnten ruhig auch mal mehr deutsche Anime-DVD sein...

Abschließend kann man den mit 125 Minuten auch recht langen Film nur bedingungslos jedem SciFi- und Anime-Fan empfehlen. Er ist spannend, hat einige sehr dramatische Szenen, ist schön gezeichnet und bietet eine durchweg faszinierende Optik und ist einfach ein Wegbereiter wie kaum ein anderer.
Pflichtprogramm!


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