Wing Commander

"Quiet – shhh..."
- aus Wing Commander

Einleitung:
Um das volle Maß der vorliegenden Film-Rezension erfassen zu können, muss der geneigte Verfasser einen Schritt zurück in die Zeit gehen und an einem früheren Punkt, einem viel früheren Punkt einsetzen.
Objekt unserer Betrachtung ist ein kleiner Junge namens Thomas. Dieser zeichnete sind neben einem ausgesprochen hässlichem Pottschnitt vor allem durch eines aus: durch eine unbändige Liebe.
Nein, keine dubiose Kindergarten-Liaison wie man nun vielleicht erwartet, sondern eine unbändige Liebe zur Space Opera. "Star Wars" hatte ihm eine neue Welt eröffnet, die Dialoge dieser Filme sprach er bald schon mit und ein mit Klebeband umwickelter Holzstab, Verzeihung, sein Lichtschwert, leistete ihm treueste Dienste auf den Planeten 'Garten' und 'Wald'.
In dieser Zeit der fremden Welten stieß er bald noch auf ein anderes Stück Kultur, als er für seinen Heimrechner das Spiel "Wing Commander" erwarb. Seinen seligen Amiga 500 hatte er damals gerade mit einer DVD-Hüllen-großen Platine um 500 kb auf den gigantischen Arbeitsspeicher von einem Megabyte gebracht, weshalb der Flügelkommandant sogleich mit lockeren 15 fps über den Bildschirm "rauschte".
Und was man heute für Grafikfehler halten dürfte, das waren damals reale Raumschiffe der bösen Kilrathi, die es mit grobpixeligen Geschossen aus dem All zu fegen galt.
Der zweite Teil war eben genau das, der dritte aber brachte noch echte Videosequenzen mit sich und erhob sogleich das Idol aus Thomas' Jugend, Mark "Luke Skywalker" Hamill, in die Hauptrolle des Commander Christopher Blair. Das die Kilrathi dabei aussahen wie der Muppet-Show entlaufen, war dabei vollkommen egal. Außerdem reizte das Spiel seinerzeit auch schon Thomas' Pentium 100 ganz schön aus, während der vierte Teil – das Glanzstück der Serie und die perfekte Synergie aus 10 Millionen Dollar teuren Videosequenzen und spannendem Gameplay – diesen schon richtig zum Stocken brachte. Thomas wusste vielleicht nicht wirklich, was Polygone machen, aber es sah schon richtig cool aus. Für den fünften Teil, fas fünf Jahre ist es her, brauchte es dann auch schon einen waschechten Pentium II.
Zugegeben, die wenigsten Spieler von heute erinnern sich vermutlich noch an diese Serie, deren Ende Thomas noch heute schmerzt. Doch viele Jahre sind seither vergangen, Thomas studiert nun und sein Lichtschwert ist längst im Wirbel der Zeit verloren gegangen. Doch sein Herz weiß um seine Vergangenheit und wird sicherlich auch nicht schweigen, wenn es gilt, das vorliegende Stück Film zu rezensieren.

Zur Handlung:
Die Menschheit liegt seit langer Zeit im intergalaktischen Krieg mit dem Volk der Kilrathi, böser Aliens vom Planeten Kilrah. Warum das so ist war wohl noch nie so egal wie in diesem Film.
Jedenfalls gelangen die Aliens in den Besitz eines Navigationscomputers der Menschen und können so nun direkten Kurs zu deren Heimat, richtig, der Erde, nehmen. Das einzige Schiff, dass davon überhaupt Wind bekommt, ist die Tiger's Claw. Somit finden sich die beiden frischen Rekruten Christopher Blair und Todd "Maniac" Marshall plötzlich mitten an der Front wieder, haben aber auch noch eigene Sorgen. Während Maniac sich in die Pilotin Rosie verschießt muss Blair nicht nur darunter leiden, dass es von den verschrieenen "Pilgern" abstammt, sondern sich zugleich noch um die Gunst der Kommandantin Jeanette "Angel" Devereaux mühen.
Und der Moment der Entscheidung rückt sogleich immer näher...

Zur Umsetzung:
Gerade wer die Computerspiel-Vorlagen zu "Wing Commander" kennt, der wird diesen Film hier vermutlich immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten; ebenso vermutlich jeder andere Filmfan. Aber gerade als Verfilmung eines der Spiele mit den meisten 'echten' Filmsequenzen des Geschichte und einer Hollywood-artigen Besetzung muss sich der Film eben auch gerade an diesen messen lassen.
Kaum das der Film läuft, fühlt man sich eigentlich auch gleich wieder heimisch. Schon der Vorspann alleine zeigt eindeutig Chris Roberts' Handschrift und weckt direkt Erinnerungen, ebenso wie die Musik.
Auch die sofort sichtbaren Spezialeffekte sind ausnahmslos gut und werden den Film über auch nirgendwo richtig schlecht. Im Gegenteil: viele der Effekte stecken auch heutige Filme noch locker in die Tasche. Umso beachtlicher, wenn man bedenkt, dass der Film nicht nur 1999 ins Kino kam (das Jahr des 'Episode-I'-GAUs), sondern die Effekte auch noch von der kleinen texanischen Firma 'Digital Anvil' stammen. Es gibt sogar so eine Art Bullet Time – das Bild friert und die Kamera rotiert um die Darsteller – inklusive einer gerade verschüttet werdenden Tasse. Sehr geil, und zeitlich bestenfalls gleichzeitig zur Matrix, niemals aber danach entstanden.
Auch das Design ist hervorragend und rundum stimmig, wenn auch teilweise recht losgelöst vom Spiel.

Leider, leider endet das einstimmige Lob aber auch schon an dieser Stelle.
Das die Handlung sich viele Freiheiten von der Vorlage nimmt ist im Grunde in Ordnung, das haben eigentliche alle Computerspiel-Verfilmungen getan; mal besser ('Resident Evil') mal so richtig schlecht ('Street Fighter', 'Super Mario Bros.').
Schade aber ist, dass daraus ein so nichtssagender und belangloser Brei geworden ist. Denn während der Film viele sehr spannende Einzelszenen hat, so bleibt das große Ganze doch massiv auf der Strecke. Viele Charaktere bleiben blass, die Kilrathis sogar nahezu ungezeigt und ein richtiges Finale gibt es dann auch nicht.
Viel schlimmer aber ist es sicherlich, dass Roberts Chris Blair zu einem der Nachfahren der sogenannten 'Pilger' gemacht hat. Die sind nicht nur vorher noch nie genannt worden und zudem völlig albern (es geht hier um die ersten Raumfahrer, die durch ihre Erfahrung am Ende alleine durch Intuition durch das All navigieren konnten), sondern wirken auch aufgesetzt und, was das schlimmste ist, wie eine billige Kopie der Jedis von Star Wars. Nur halt noch ohne die coolen Fähigkeiten. Was sich Roberts dabei gedacht hat wird wohl ewig sein Geheimnis bleiben, zumal Wing Commander auf der Seite der Menschen eigentlich immer vollkommen frei von Mythen war.

Besser gefällt das schon der Neu-Cast der Hauptrollen. Die alte Besetzung wäre natürlich fehl am Platz gewesen, dieser Film hier dreht sich ganz klar um die Frischlinge Blair und Maniac, nicht um die alten Hasen der Computerspiele.
Blair wurde im Spiel, wie schon gesagt, von Mark Hamill gespielt und wenn ich ihn persönlich auch vermisse, so hat die Rolle in Freddie Prinze Jr. Einen durchaus guten Neu-Cast bekommen. Der seit September '02 mit Buffy-Star Sarah Michelle Gellar verheiratete Mime besitzt Charisma, passt optisch gut (sportlich, aber kein 'Heldentyp') in die Rolle und kann recht geradeaus spielen.
Maniac wurde im Spiel wurde Thomas F. Wilson dargestellt, dem Biff-Darsteller aus 'Back to the Future'. Ein verrückter Freak mit gutem Kern – und auch hier ist Roberts die Neubesetzung gut gelungen. Matthew Lillard hackte als "Cereal Killer" in 'Hackers' und im übertragenen Sinne auch in 'Scream', fürchtete sich in 'Thir13en Ghosts' und spielt den Shaggy in den Scooby-Doo-Realfilmen (übrigens an der Seite von Prinze Jr. und Gellar). Kurzum ein sympathischer Schauspieler, der dem Maniac in meinen Augen sogar besser zu Gesicht steht als Wilson.
Saffron Burrows gibt die bisher nie wirklich relevant gecastete "Angel" und gefällt in der Rolle sehr gut. Die 'Enigma' zierende Schauspielerin ist zwar bisher nur selten wirklich aufgefallen, was sich vielleicht durch ihre Rolle als Andromache im kommenden "Troy" ändern kann, schafft aber gut die Wanderung zwischen der harten Kommandantin und dabei eigentlich selbst noch unerfahrener Soldatin.
Schwerer war da sicherlich das Erbe um James 'Paladin' Taggart. In der Vorlage von John-Rhys Davis verkörpert, dürfte nun der französische Mime Tchéky Karyo ans Werk, den man hierzulande eher aus wenigen Rollen kennt. Doch die im Vergleich zu den Spielen auch massiv umgeschriebene Rolle fügt sich auch noch gut ein.
Der immerhin von Jürgen Prochnow gespielte Cmdr. Paul Gerald bleibt dabei vollkommen sinnlos und scheint eher drin zu sein, weil man den 'Boot'-geprüften Schauspieler unerwartet an Bord hatte, der Fan dagegen dürfte zumindest vermisst dagegen Vagabond und Captain Eisen und fragt sich, warum Tolwyn (im Spiel Malcolm McDowell, hier David Warner) nur wenige Minuten vorkommt.

Aber alles das ist noch zu ertragen und sicherlich nicht der Grund für das weinende Auge. Das Auge weint wegen eines Themenkomplexes, welchen ich hier mal schlicht 'Blödsinn' nennen möchte.
Und da weiß ich kaum, wo ich anfangen soll? Vielleicht bei den Kilrathi, die – in den wenigen Sekunden Screentime, die sie haben – zwar nicht mehr aussehen wie Katzen-Puppen aus der Schmiede von Jim Henson (wie im Spiel), dafür aber wie kahle Katzen in konstant grünem Licht und Nebel ... und wie schlechte Puppen, nebenbei.
Dann fragt man sich auch, warum Kilrathi-Jäger beim Bomberangriff exakt so klingen wie alte Düsenjäger des zweiten Weltkriegs im Sturzflug. Und wenn man dabei ist, fragt man sich weiter, warum man an Bord eines Raumschiffs (!) im luftleeren (!!) Raum ruhig sein muss um der Ortung zu entgehen, so ganz ohne übertragenen Schall.
Wieso passt eigentlich ein menschlicher Navigationscomputer exakt in die Struktur der Kilrathi-Schiffe? Überhaupt fragt man sich um den Stand deren Technologie. Einerseits hauen sie die Menschheit konstant in die Pfanne. Sie haben auch etwa perfekt getarnte Torpedos, die man nicht mal mit bloßen Auge sehen kann, geschweige denn auf dem Radar.
Andererseits sterben eigentlich alle Menschen in dem Film aufgrund eigener Dummheit oder der Dummheit ihrer Mitmenschen, ich glaube, es gibt exakt einen echten Abschuss. Und wenn die Menschen mal eines ihrer Schiffe stürmen, dann können die Katzen nicht mal zurückschießen. Oh, und dass die Kilrathi-Flotte ein Schiff nach dem anderen aus dem Hyperraum springt, um Schiff für Schiff von den Menschen dezimiert zu werden spricht auch nicht gerade für die feliden Antagonisten.
Der Pilger-Blödsinn gehört natürlich auch hier genannt. Oder das Schiffe im Weltall mit Seilen geentert werden ... zumindest hier. Warum ist Tolwyns Name in einem Kommuniqué falsch geschrieben? Er ist immerhin der Admiral...

All das zusammen (und noch einiges mehr) zieht Film leider weit, weit runter, zumindest, wenn man sich zu sehr daran aufhängt.
Was bleibt ist eine teils erfreulich, teils erschreckend werkfremde Verfilmung eines Computerspiels, die alleine aufgrund des mittlerweile recht raren Genres der Space Operas nennenswert ist. Wer auch trashige SciFi steht, der wird hier fündig – und wer über die Bugs hinwegsehen kann und einfach nette Weltraumaction mit ungewohnt viel Charakterdarstellung haben will, der auch.
Wer aber einen durchweg guten Film sucht oder eine exakte Umsetzung des Computerspiels, den erwarten hier eher Kopfschmerzen.
Der Junge aus unserer Einleitung jedenfalls hatte seinen Spaß. Und auch wenn er nunmehr wieder auf 'das Kind im Manne' reduziert werden wird, so waren die 90 Minuten im Krieg gegen die Kilrathi ein unterhaltsamer Ritt, denn er gerade zum aktuellen Preis von unter zehn Euro warmen Herzens allen empfiehlt, die sich von der obigen Definition angesprochen fühlen.
Der Film ist nicht wirklich gut, die DVD nur Durchschnitt (Bild ist exzellent und Widescreen, Ton in Deutsch und Englisch ist okay, aber außer deutschen Untertiteln allein gibt es nichts auf der Scheibe), aber Spaß macht der Streifen schon.


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