Spaced
They say the family of the 21st century is made out of friends, not relatives.
But maybe that‘s all just bollocks.
- Daisy Steiner in Spaced
Tim (Simon Pegg) und Daisy (Jessica Stevenson) haben ein Problem – beide haben sie keine Wohnung mehr. Obschon sie sich nur durch Zufall treffen, beschließen sie irgendwann, das Problem gemeinsam anzugehen. Der Hafen der Hoffnung scheint für sie eine schöne, große und billige Wohnung zu sein, die zur Miete steht, allerdings nur an Paare.
Die Lösung ist einfach: Tim (gerade unfreiwillig solo geworden) und Daisy (theoretisch in einer Fernbeziehung) geben sich als Paar aus.
Auf diese Entscheidung folgen 14 Episoden des wohl seltsamsten Freundeskreises, den man bis dato erlebt hat. Von ihrer schrulligen Vermieterin Marsha (Julia Deakin) und deren pubertierenden Tochter, dem irren Künsterl Brian (Mark Heap), der auch im Haus wohnt, über Daisys aufgedrehte Freundin Twist (Katy Carmichael) und Tims militärfanatischen Freund Mike (Nick Frost) hin zu den Hauptcharakteren selbst: Er ist ein skateboardfahrender, Videospiele spielender, Star Wars liebender Comiczeichner (to be) und sie ist eine arbeitslose, ambitionierte Schreiberin mit Blockade.
Zusammen sind sie die Charaktere einer Serie, die das Konzept einer Sitcom revolutioniert hat.
Zur Umsetzung:
Richtig, nominell gesehen sieht sich Spaced selbst als Sitcom. Doch wer jetzt die typischen Konventionen (Lacher vom Band oder Publikum, fest installierte Frontkamera etc.) erwartet, wird verblüfft sein. Die Serie ist näher an dem Kern der klassischen Sitcom als viele der neuen, modernen Humorserien (beispielsweise näher daran als etwa „Scrubs“, bei der zwar das Serienformat stimmt, die „Wohnhaus“-Idee aber nicht mehr existiert, oder gar „Ally McBeal“, die schon vom 42-Minuten-Format her als Sitcom disqualifiziert ist), bringt aber ganz neue Ebenen mit hinein.
Rein filmisch geht da der Tribut klar an Edgar Wright, der einen herausragenden Job abliefert und einerseits selbst zwei Leute, die auf einer Couch sitzen, zu einer spannenden Szene machen kann, andererseits bereit war, viel zu Experimentieren. Zahlreiche Filmanspielungen, nachgestellte Szenerien, Kamerafahrten, Trickblenden – Spaced bietet dem Betrachter unglaublich viel Eye Candy.
Inhaltlich dagegen steckt noch mehr in der Serie, verteilt auf drei Gebiete, in denen sie unglaublich stark ist. Einerseits die besagten Anspielungen. Da werden alle paar Sätze lang Filmklassiker zitiert, vor allem aber die moderne Popkultur, von Star Wars über Matrix bis Jurassic Park. Teils wirklich nur in Dialogfetzen, teilweise in komplett nachgebauten Einspielern. Ja, die gibt es bei Spaced öfter – meist fährt die Kamera schnell zur Seite, ist plötzlich ganz wo anders und man sieht einen Teil der aktuellen Gedankenwelt der Charaktere visualisiert.
Das gab es schon einmal anderswo, aber noch nie so konstant und lustig.
Punktegebiet zwei sind ganz klar die Charaktere. Jeder von denen hat einen eindeutigen Sprung in der Schüssel, wobei Daisy und Tim dabei wirklich noch die Normalsten sind. Es lässt sich schwer beschreiben, aber sie alle sind so unglaublich charmant und – vor allem – ich denke, jeder Zuschauer kann irgendeinen Bekannten in irgendeinem von ihnen wiedererkennen.
Zu der oben genannten Stammbesetzung kommen noch diverse Nebencharaktere (etwa der neue Freund von Tims Ex oder ein paar „Bekannte“ Mikes), alles in allem entsteht ein vollkommen absurder Mikrokosmos, mitten im Herzen Londons.
Doch die größte aller Stärken die Spaced besitzt ist einfach die, dass man es der Serie abkauft. Daisy und Tim stehen im Auge dieses Orkans der schärgen Ideen und sind, wenn man alle Gags mal ablegt, vor allem zwei alleinstehende, zusammenlebende, moderne Mit-Zwanziger in unserer Zeit.
Wenn sie etwas sagen, dann glaubt man, dass das die Worte echter Mit-Zwanziger aus London gegen Anfang des neuen Millenniums sind, da die Serie von eben diesen beiden Personen geschrieben wurde. Ihr Interaktion miteinander ist glaubwürdig, die mehr oder minder subtile Attraktion zwischen den Beiden verirrt sich nicht in Liebeskonventionen, sondern zeigt zunächst einmal diese beiden Leute, die Freunde werden.
Sie gehen zusammen was trinken, man auch mal ‚Clubben‘, man hat Freunde, man hat Ärger, man hat schöne Momente. Mehr als jede Soap, jedes Drama, gelingt es Pegg und Stevenson in „Spaced“, die Essenz dieser Lebensphase in unserer Zeit auf den Schirm zu bringen und dabei auch noch erfrischend „normal“ auszusehen.
Unrankt von einigen der schrägsten Gags, die man je im Fernsehen gesehen hat.
Dazu gesellt sich dann noch eine herausragend gute DVD-Box. Auf zwei Silberlingen gibt es zunächst einmal die beiden Staffeln à sieben Episoden – die Briten drehen kurze Staffeln, wie ja auch Fans von „Blackadder“ und co. wissen.
Zu jeder Staffel gibt es dabei Outtakes, Trailer, Audiokommentare, Biographies, Deleted Scenes und etwas Rohmaterial, alles in hervorragendem (!) anamorphen 16:9-Bild, das durch extrem gute Schärfe und satte Farben manchen Blockbuster alt aussehen lässt.
Der Ton ist in allen Fällen in Stereo, dazu aber kommen noch normale Unteritel (ebenfalls in Englisch) sowie das sogenannte Homage-O-Meter. Das wiederum ist eine sehr feine Idee, die im Laufe einer Folge einfach jeweils unten einblendet, worauf da gerade in der Szene angespielt wird. Das hat mir sehr gut gefallen.
Dazu kommt dann noch eine dritte Disk mit der 84 Minuten langen Doku „Skip to the End“, die 2004 entstanden ist und in der Pegg und Stevenson einen Rückblick auf die Serie liefern, sowohl persönlich, indem sie die alten Locations noch mal besuchen, als auch allgemein in Form eines Überblicks über die komplette Entstehung der Serie.
Somit bekommt man zwei Mal rund 170 Minuten unglaublich lustiger, trotzdem bewegender Sitcom-Innovation, begleitet von zwei Mal 40 und ein Mal 84 Minuten Bonusmaterial, auf drei DVDs in einer wunderschön designten Box für insgesamt weniger als 45 Euro.
Fairer werden Preise kaum.
„Spaced“ ist für mich die Beste humorvolle Serie, die bisher fürs Fernsehen produziert wurde. Abgedrehte Charaktere, die aber glaubwürdig handeln, überzeugen durch ihren Chame sowie das Talent aller Darsteller, die Inszenierung ist von herausragender Güte und der hemmungslose Gebrauch von Popkultur-Referenzen hebt dies alles noch mal auf eine ganz andere Ebene.
Wer hier nicht zuschlägt, ist selber Schuld und verpasst ein kleines Meisterwerk.
Galerie:{jcomments on}