New Rose Hotel
Ich spiel hier doch nicht den Idioten!
Willem Dafoes leere Versprechung aus New Rose Hotel
Um einen wichtigen Forscher (gespielt von "Final Fantasy"-Designer Yoshitaka Amano) aus einem multinationalen Konzern auszulösen und zu einem anderen zu bringen, heuern Fox (Christopher Walken) und X (Willem Dafoe) die schöne Sandii (Asia Argento) an, ihn zu verführen und entsprechend zu manipulieren.
Was sie jedoch nicht bedenken sind die Gefühle, die zwischen X und Sandii entstehen und das die Handlung einer Kurzgeschichte nicht zwangsläufig für 89 Minuten Film reicht…
Zur Umsetzung:
Manchmal hat man diese Filme, bei denen eigentlich alle Zeichen auf Erfolg stehen und doch nichts draus wird. Hier haben wir ein wundervolles Beispiel für diese Sorte Film. Die Protagonisten sind, unter normalen Umständen, eine gute Wahl…
Christopher Walken ist ein Mann, der normalerweise selbst in der miesesten Rolle sein Charisma versprüht, der seit fünfzig (!) Jahren Filme dreht und dabei sowohl B-Klassiker wie "God's Army", Kuriositäten wie den Videospielen "Privateer 2: the Darkening" und "Ripper" als auch Hollywood-Produktionen und -Klassiker wie "Pulp Fiction", "Sleepy Hollow" oder "Catch me if you can" vorzuweisen hat.
Willem Dafoe ist ebenfalls ein solches Schwergewicht der Filmwelt, ebenso wie Walken keiner der Akteure der ersten Reihe und doch ein Gesicht, das nie unterging. Auch er kann auf Filme zurückblicken, die man lieber vergessen sollte ("Speed 2: Cruise Control"), hat aber auch an wahren Blockbustern mitgewirkt (zuletzt als Green Goblin in "Spiderman") und gelegentlich hinterlässt auch er wahre Schätze, etwas in seiner genialen Darstellung des Max Schreck in "Shadow of the Vampire".
Asia Argento letztlich ist eher eine Newcomerin, wenn auch schon seit 1985 im Geschäft. Doch hat die 1975 geborene Darstellerin schon neben Gerard Depardieu in "Les Misérables" als Éponine Thénardier schauspielerisch zu gefallen gewusst und zuletzt als Yelena in Triple X gezeigt, dass sie gut aussieht und sollte daher für die ihr zugedachte Rolle ebenfalls keine schlechte Besetzung sein.
Der Regisseur zuletzt, Abel Ferrara, hat mit "The Addiction" schon der Vorstoß in wirre und düstere Visionen gewagt und der Produzent, wenn da der Einfluss auf das Endprodukt natürlich auch schon schwindet, Edward R. Pressman, hat unter anderem American Psycho und, was besonders schmerzt, sämtliche Filme zu "The Crow" und sogar die dazugehörige TV-Serie produziert.
Und für das Kapitel Schuldzuweisung: Walken und Dafoe fungierten sogar als Co-Produzenten.
Klingt doch alles gut, oder? Leider muss man trotz allem sagen, dass die Verfilmung der gerade mal gut 4.000 Worte langen, gleichnamigen Kurzgeschichte von Cyberpunk-Ikone, Kultfigur und vermutlich sogar Begründer William Gibson ziemlich daneben ging. Dass ich den Film auf DVD für einen Preis, der nur eine Stelle vor dem Komma hatte, erwarb, spricht für seine Bekannt- und vor allem Beliebtheit, dass es mir dennoch um mein Geld leid tut, für seine Qualität.
Die Kurzgeschichte ist ein Rückblick aus der Perspektive von X, der schildert, wie er zusammen mit Fox besagte Sandii anwarb und Hiroshi (den Forscher) abzuwerben, wie er aber nach und nach der wunderschönen Frau verfällt und es so zu Spannungen zwischen ihm und seinem Kumpel kommt und wie es dann zum Schluss zum totalen Bruch, zum Zusammenbruch ihres Plans und ihrer ganzen Unternehmung kommt.
Der Film, das muss man schon sagen, hält sich grob an diese Ereignisse, begeht dabei aber einen Fehler nach dem anderen.
Der erste ist, dass er nicht weiß, was er sein will…
Die Handlung plätschert so dahin, irgendwo im Hintergrund verborgen, überdeckt von der verführenden Asia. Diese bekommt einen Großteil der Laufzeit zugedacht, wie sie angeworben wird, wie sie in ihrem Nachtclub singt, wie sie mit Dafoe schläft, wie sie weiter mit Dafoe schläft und so weiter und so fort.
Irgendwo zwischen all der Szenen voll nackter Haut entfaltet sich dann die eigentliche Geschichte, aber größtenteils überaus billig erzählt. Billig ist dabei wörtlich zu nehmen, der Film scheint mit einem nahezu nicht vorhandenen Budget gedreht zu sein, die Welt der Zukunft sieht aus wie … heute, nur irgendwie billiger.
So hat X einen kleinen Computer, in Gibsons Geschichte ein "Cray Microsystem". Dieser "Cray" nun sollte, von heute auf morgen schließend ein High-End-Gerät ohne Grenzen sein, ist aber, in der traurigen Praxis, ein kleines Notebook mit einer Prä-C64-Optik und der Möglichkeit, hässliche Videos abzuspielen. Selbst die ersten UMTS-Handys können da ja mehr.
Aber es ist ohnehin schwer der Handlung zu folgen, denn jeglicher Spannungsaufbau wird ja von vorneherein von Asias Mehr-oder-weniger-Nacktszenen unterbrochen. Somit fällt ein Thriller als Genre, wie die DVD-Hülle behauptet, ja schon mal aus. Es ist aber auch kein Erotikfilm, den besagte Szenen bemühen sich eben auch nicht um Erotik, sondern enthalten ja durchaus angeblich handlungsrelevanten Dialog und auch nie mehr als Andeutungen. Da Science Fiction aufgrund des Budget-Mangels nun aber ebenso ausfällt wie Action, denn da gibt es keine, bleibt doch die Frage, was für ein Film nun eigentlich noch übrig ist. Den totalen Abschuss erleidet das Werk allerdings in seinen letzten 25 Minuten. Hier erreicht die Handlung nun die Stelle, an der die Kurzgeschichte einsetzt. X flieht in das titelgebende New Rose Hotel und zieht sozusagen sein Resümee. Blickt zurück auf das Geschehene. Was in der Kurzgeschichte, die da ja erst beginnt, wunderbar funktioniert, artet allerdings im Film zu einer fünfundzwanzigminütigen Rückblende auf bereits gesehene Szenen aus. In manchen Rezensionen wurde dies als großes Stilelement, die große Wende in der Bedeutung des Filmes gefeiert … ich für meinen Teil kann die Faszination der Wiederholung von Szenen, die beim ersten Mal schon langweilig waren, allerdings kaum nachvollziehen.
Wer nun aber meint, er könne sich in die Darsteller flüchten, wenigstens da noch Qualität abschöpfen, der wird auch dort Enttäuscht.
Okay, Argento macht das, wozu sie im Film gedacht ist, nämlich gut aussehen, durchaus erfolgreich, allerdings ist es schon eine Verschwendung von Talent, wenn man ihre gute Darstellung in "Les Misérables" bedenkt. Ihr Charisma greift irgendwo auch hier, doch Sandii ist eine so undankbare Rolle, dass das ebenfalls untergeht.
Willem Dafoe zeichnet sich vor allem durch mangelnde Tiefe aus, rennt die meiste Zeit rum, bemüht sich (erfolglos) darum, wichtig auszusehen und vergnügt sich halt mit Sandii, aber die Art und Weise, wie er die zugegeben nur dürftig in der Kurzgeschichte gezeigte Persönlichkeit seiner Rolle zu füllen versucht, schafft es nicht, ihn dem Publikum irgendwie nahe zu bringen.
Doch ist er immer noch näher als Christopher Walken, der eine der exzentrischsten und bizarrsten Leistungen seiner Karriere abliefert. Sein Charakter fuchtelt unbeholfen durch die Gegend, aber ohne dabei die mysteriöse Gestik zu bekommen, die Fox in der literarischen Vorlage hat. Er tanzt gelegentlich herum, meist eher unmotiviert, tanzt aber schlechter als es in Walkens Bereich der Möglichkeiten liegt (in dem Musikvideo "Weapon of Choice" ging er neulich noch ab wie verrückt, hier wirkt er eher wie ein angeschossener Opa) und wirkt auch dabei eher gezwungen.
Was dann beiden endgültig den Hals bricht ist die deutsche Synchronisation, aber eine englische Tonspur bietet die DVD auch nicht.
Ferrara ließ Walken und Dafoe wohl am Set meistens die Freiheit, ihre Dialoge zu improvisieren, was in der englischen Fassung wohl in der Tat zu faszinierenden Wortwechseln geführt hat, zumal Fox und X als Gangster ebenso exzentrisch sind wie Walken und Dafoe als Schauspieler, doch in der deutschen Fassung fehlt es daran. Fox ist eigentlich stetig nach etwas auf der Suche, was er "the Edge" nennt, jenen schmalen Grand am Abgrund, auf dem man noch wandeln kann. Im Deutschen wurde daraus "der Kick", lapidar und unglaubwürdig, doch es ist ein gutes Beispiel für die Art der Übersetzung.
In Gibsons Kurzgeschichte heißt es, einfach mal um den Ton zu illustrieren, einmal: "Imagine an alien, Fox once said, who's come here to identify the planet's dominant form of intelligence. The alien has a look, then chooses. What do you think he picks? I probably shrugged. The zaibatsus, Fox said, the multinationals. The blood of a zaibatsu is information, not people. The structure is independent of the individual lives that comprise it." Derartiges scheint Walken im Englischen auch von sich zu geben, im Deutschen ist kein Funken mehr davon geblieben.
Fazit:
Somit bleibt ein Film ohne Genre, der seinen Funken Handlung hinter der Haut der gutaussehenden Tochter des legendären Horrorfilmregisseurs Dario Argento versteckt, dies aber ebenso wenig zu vermarkten weiß wie seine beiden an sich so begnadeten Schauspieler, die irgendwie ebenfalls in keiner Szene zur ihrer normalen Form aufzulaufen wissen. Und wer noch tatsächlich trotz aller Langeweile und miserablen Inszenierung bis zum letzten Viertel durchhält, der darf das Geschehene auch gleich noch mal betrachten. Daher ist die Entscheidung leicht: Finger weg!!
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