Millennium – Staffel Zwei
The time is now, Peter. Now. The group, Millennium, convinced me to return to a realm for the safety of my family and my sanity, that I never wanted to experience again. Now I agreed to work for them because I believed that they were a criminal investigative constulting firm. I was devoted. I respected Millennium. I respected you. Now it's all distorted with hints and intimations. Passwords and candidacies. Centuries-old-origins. End-of-the-world-prophecies. Secrets and lies.
- Frank Black, Millennium – Season Two, 2.15: Owls
Eine geraume Zeit sah es für Fans düster aus, dann aber kam es zur Pro7-Sat.1-Media AG und, oh Wunder, auf Pro7 fand man ein Heim für die Serie. Ja, während des Sommerloches schaffte sie es sogar einmal, dank besserer Quoten den Akte-X-Wiederholungen ihren 20.15-Termin am ‚Mystery Monday‘ (der eine oder andere erinnert sich sicher noch) abzuluchsen.
Nun, dass die dritte Staffel dann tatsächlich Jahre auf sich warten lassen sollte und was für ein Tauziehen es dort um den Sendeplatz gab, dass erzähle ich euch dann demnächst in meiner dritten und finalen Rezi.
Was die zweite Staffel betrifft, so standen auch deutliche inhaltliche Änderungen an. Glen Morgan und James Wong übernahmen hier die Federführung von Chris Carter, der mit einer fünften Akte-X-Staffel sowie dem Kinofilm „Fight the Future“, der zeitgleich in die Postproduktion ging, ohnehin ausgelastet war. Und unter dem Erfolgsduo, dass auch einige der großartigsten Akte-X-Episoden überhaupt, den Thriller „Final Destination“ sowie die eindeutig zu Unrecht frühzeitig abgesetzte Serie „Space: Above and Beyond“ produziert und geschrieben hat, trat ein deutlicher Wandel ein.
Wenn ich es in Schlagworte fassen müsste, so sind die neuen Zutaten auf stilistischer Seite gut unter „Menschlichkeit“ und „religiöse Mystik“ zusammenzufassen.
Gerade der erste Begriff erfordert aber Definition. Inhaltliche Entwicklungen (dazu komme ich gleich) bringen einen ganzen Schub neue Charaktere hinein, die das bisher eher dogmatisch geführte Gegensatzpaar „Franks Familie“ und „der dunkle Rest“ etwas aufweichen. Durch neue Arbeitskollegen und mehr Hintergrund zu den Charakteren, allen voran Frank, wird die Lücke, die der Tod Bob Bletchers in Season One gerissen hat, geradezu überschäumend gefüllt.
Die religiöse Mystik ist etwas, dass in der ersten Staffel zwar zuweilen bereits anklang, man denke nur an Episoden wie „Maranatha“, hier nun aber schnell die Oberhand gewinnt. An klassischen Serienmord-Geschichten, wie die erste Staffel sie ja fast nur bot, herrscht hier Mangel; Mangel ist dabei allerdings eigentlich das falsche Wort, denn es klingt negativer als angebracht. Vielmehr zeigt sich die zweite Staffel schlichtweg bedeutend ambivalenter als ihr Vorgänger.
Alles beginnt, wo wir die letzte Staffel verlassen haben – die Entführung Catherines zwingt Frank, sich mit einer bisherigen Nemesis, dem Polaroid-Mann, auseinanderzusetzen. Diese Auseinandersetzung, die gleich zu Beginn stattfindet, leitet eine ganze Reihe von Veränderungen ein. Zunächst einmal im Hinblick auf die Millennium Group, die plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheint. Da werden Intentionen, Glaubensrichtungen und auch Ressourcen gewahr, die man zuvor allenfalls erahnen konnte. Wenn Frank in der ersten Staffel („Paper Dove“) gefragt wird, ob es in der Gruppe wirklich Leute gäbe, die glauben, dass die nahende Jahrtausendwende für all die Verbrechen verantwortlich ist, so ist das eine Sache. Wenn Peter Watts dagegen hier enthüllt, dass die Gruppe offenbar Verkäufe religiöser Schriften überwacht und er nicht einmal einen wahren Grund nennen kann, so hat das ein ganz anderes Gewicht.
Viel wichtiger aber ist es, dass Frank eine Grenze überschreitet. In der Verfolgung des und, vor allem, in der Konfrontation mit dem Entführer seiner Frau kann man mit Recht davon sprechen, dass er sich gewissermaßen versündigt. Er verliert für einen Moment die Kontrolle nicht nur über das, was er tut, sonder auch darüber, was um ihn herum geschieht und die Konsequenzen sind gravierend. Das Bild des gelben Hauses, bereits in der vorherigen Staffel angeknackst, zerbricht, wie auch seine Familie.
Erstaunlich ist dabei, wie sanft und vorsichtig die Autoren dies umgesetzt haben, dass von unnötigen Eifersuchtsdramen abgesehen wurde und es im Endeffekt wirklich die Frage ist, ob das, wofür die Gruppe einzustehen behauptet, es wert ist, sein Familienheil zu riskieren.
Wie schon erwähnt, wächst die Gruppe um Frank auch an. Nicht nur implizit, sondern auch in Form einiger enorm bereichernder Charaktere. Etwa Lara Means, eine Frau, die ebenfalls Visionen hat. Doch anders als Frank, der ja mehr das Böse im Menschen zu sehen vermag (in dieser Staffel übrigens nun auf eben jener übersinnlichen Art und Weise, die in der Season One noch bestritten wurde), sieht Lara Engel. Und alleine dieser Charakter, der es einfach nicht vermag, die Visionen zu deuten oder auch nur die strahlende Schönheit zu verkraften, ist eine wunderbare Ergänzung. Ganz ohne Liebe gelingt es den Autoren so, Frank ein Standbein zu geben, auch ohne seine Frau einen Austauschpartner zu haben und seine Integrität zu wahren.
Andere Charaktere wie der Hacker Brian Roedecker sind dagegen eher unterhaltsame Zeitgenossen, wobei die Episode „The Mikado“ gerade durch diesen Charakter eine große Intensität erreicht. Frank jagt dort einen Serienmörder (ja, es gibt sie eben doch noch), der jedoch über das Internet hinweg operiert. Nicht nur, dass es hier gelungen ist, eine absolut glaubwürdige Abbildung des Internets mit all seinen technischen Unzulänglichkeiten anno 1997 zu erschaffen, vor allem ist die Kombination von Frank, der sich mit der Technik auseinandersetzen muss und Roedecker, der erstmalig direkt in Kontakt mit einem solch irren Straftäter kommt, wundervoll um beide Charaktere erstaunlich menschlich zu machen.
Glens Bruder Darin Morgan, der Akte X etwa den „Hellseher“ und den „Zirkus“ gebracht hat, hat hier ebenfalls zwei skurrile und erfrischende, aber nicht überall gemochte Episoden beschert, die jedoch in Sachen Charakterzeichnung teils unglaublich präzise sind. Wenn etwa Geibelhouse von einer Art Scientologen entgeistert gefragt wird, ob ihm klar wäre, wie viele negative Ausdrücke er verwende, entgegnet er „No I don‘t neither“. Mehr muss man gar nicht sagen. Doch zweifellos Kernpunkt aller Rahmenhandlungen ist die Frage, ob an den religiösen Prophezeiungen wohl etwas sein mag.
Die starke Verwendung eindeutiger Motive fällt dabei sofort auf und hebt die Serie damit wieder ein Stück auf ungewohnt literales Terrain, wenn auch die Literaturzitate zu Episodenbeginn nur noch sporadisch auftreten.
Aber neben Lara, die Engel sieht, erscheint auch Frank erneut einer (wie schon in „Powers, Principalities, Thrones and Dominions“ in der ersten Staffel) – doch viel erschreckender ist, dass sich dies offenbar auch in Jordan bereits regt, als habe sie die Gabe des Vaters geerbt.
Allerdings folgen diese Erscheinungen, wie etwa auch die Geschichte einer jungen Frau, die sagt, die heilige Jungfrau Maria gesehen zu haben („In Arcadia Ego“), oder die zweier Frauen, von denen eine glaubt, unbefleckt schwanger zu sein („Anamnesis“), keinem klaren Muster.
Gab es etwa bei den X-Akten durch das Konsortium schnell klare Schurken, verzichtet Millennium auch in seiner zweiten Staffel auf eine solche zentrale Feindfigur.
Dieses Fehlen an Verbindung als ein Fehlen von Stringenz auszulegen, wäre allerdings grob falsch. Es ist nur weniger eine inhaltliche, als vielmehr eine symbolische Verbindung, die besteht. Nicht nur, dass die Bildgestaltung hier deutlich anders ist (man könnte sagen, weg vom Schwarz, hin zum Ocker), es sind einfach bestimmte Motive, die sich zunehmed wiederholen.
Franks Versuche, wieder Nähe zu seiner Tochter zu gewinnen, münden allzu oft auf Friedhöfen oder anderen Orten, die mit dem Tod in Verbindung stehen (man nehme sich nur mal „The Curse of Frank Black“, „Midnight of the Century“, „The Fourth Horseman“ und „The Time is Now“ heraus). Oder auch das eigenwillige Motiv der ‘einsamen Hütte im Wald‘. Es kommt nicht oft, aber doch geziehlt vor. Sei es nun das Oberhaupt der Gruppe, dass in einer wohnt („Beware the Dog“) oder auch die ganze Staffel, die fulminant in einer endet („The Time is Now“).
Überhaupt, das Finale. War schon der Zweiteiler um „Owls“ und „Roosters“ in der Mitte der Staffel sehenswert, so mündet sie Serie in einem inhaltlich wie inszenatorischen Knall, der für mich eigentlich unerreicht bleibt. Schon vorher gab es inszenatorisch faszinierende Episoden, etwa die schon erwähnte „The Curse of Frank Black“, die mit einem Minimum an Text und einem Maximum an starken Bildern arbeitet, doch „The Fourth Horseman“ und „The Time is Near“ bringen das, was man als Finale einer Staffel so erwarten konnte, auf eine ganz neue Dimension.
Schon die Pre-Credits-Sequenz der ersten der beiden Episoden fesselt sofort. Es beginnt in vollkommener Stille, einer Grabesstille – und zu allem Überfluss in einem Ort namens Waterloo.
Doch auch danach brechen die beiden Episoden wieder und wieder aus den engen Schemata normaler Inszenierungen aus, wobei vor allem der psychologische Zusammenbruch eines Hauptcharakters in der letzten Episode ein Meisterwerk ist. Zu dem Lied „Horses“ von Patty Smith ist es gewissermaßen ein zehnminüter Videoclip über das Abdriften in den Wahnsinn, geleitet durch eine Erkenntnis (oder sollte ich sagen, Offenbarung?), die einfach zu groß ist.
Die Episode, der man deutlich anmerkt, eigentlich ein Series Finale zu sein, mündet dann in einer wunderbaren Verquickung von apokalyptischer Anspielung (es spielt „In the year 2525...“) und einem wunderbaren Sinnbild für einen umfassenden Tod; sie mündet in statischem Rauschen, dem Tod der Fernsehübertragung.
Wer von diesem Zweiteiler nicht mitgerissen ist, dem ist vermutlich nicht mehr zu helfen.
Wenn ich allerdings schon die Musik erwähne, so sollten noch ein paar andere Namen fallen. Denn stärker als in jedweder anderen Serie, die ich kenne, lassen sich Charaktere in ihren Motiven hier durch ihre Musikvorlieben identifizieren. Frank Black liebt Bobby Darin, dessen Einfluss bereits in der ersten Staffel im Episodentitel „Goodbye Charlie“ herangeweht wurde.
Wichtiger aber etwa ist die ‚Fahrstuhlmusik‘, die Lucy Butler – ein weiteres schon bekanntes Gesicht – versucht, Leuten aufzudrücken. Es ist die Kritik an der Normalität, die Abwesenheit des Außergewöhnlichen, die hier an unterschiedlichen Stellen der Serie aufgegriffen wird.
Teilweise wurde zwar auch vornehmlich aus inszenatorischen Gründen auf bekannte Musik zurückgegriffen (etwa wenn Americas „Horse with no name“ erklingt), doch insgesamt ist der Einsatz nahmhafter Musik hier ausgeprägter als je irgendwo anders.
Die DVD wird den an sie gestellten Ansprüchen im Übrigen ebenfalls gerecht. Diesmal lag die britische RC2er-Box als Testmuster vor und begeistert mit schönen Menüs, hervorragend gemasterten Episoden, einem weiteren Bericht zum Vorbild der Millennium-Gruppe sowie einer etwas mehr als halbstündigen Doku, die erfrischend kritisch und informativ in Retrospektive die zweite Staffel beleuchtet.
Eine Empfehlung auszusprechen ist hier etwas kniffliger als bei anderen Serien, denn die „Wer Season One mochte...“-Formel greift hier nicht ganz. Wer eine Profiler-Serie will, der ist hier mittlerweile eher falsch.
Wer allerdings eine bedeutungsschwanger wirkende, in ihrer Aussage extrem finstere, perfekt produzierte und dabei noch sehr unterhaltsame Serie mit herausragenden Darstellern sucht, der ist hier richtig. Es gibt in der zweiten Season eigentlich keine richtig schlechte Episode (wenn die in Deutschland spielende Episode „The Hand of Saint Sebastian“ für unsereins schon geradezu peinlich-komisch zu nennen ist), dafür aber einer selten so schön gesehene Charakterzeichnung und eine Inszenierung, die mehr als jede andere Serie das Prädikat „wie im großen Kino“ tragen darf.
Für mich ist die zweite klar die herausragendste Staffel der Serie gewesen, wenn sie auch alle gut sind. Aber in dieser Staffel stecken so viele ideen, Charaktere, Geschichten und Andeutungen drin, dass ich jedes Mal aufs Neue gefesselt vor dem Bildschirm sitze.
Absolutes Pflichtprogramm!!
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