In China essen sie Hunde

In China essen sie Hunde
aus In China essen sie Hunde

Zur Handlung:
Arvid ist ein normaler Bankangestellter, normal und langweilig, weshalb ihm auch prompt seine Freundin abhaut - doch das ist erst der Anfang seiner Probleme. Als er einen Bankräuber mit einem Squashschläger unschädlich macht fühlt er sich noch als Held, doch das Gefühl verfliegt, als plötzlich eine junge Dame vor seiner Tür steht, sich als die Frau des Verhafteten zu erkennen gibt und ihm erklärt, dass das Geld für sie gewesen sei, für eine künstliche Befruchtung. Arvid bekommt ein schlechtes Gewissen, sie sowohl ihres Mannes als auch ihres Kindertraumes beraubt zu haben und wendet sich an den einzigen Ganoven, den er kennt: seinen Bruder Harald.
Gemeinsam mit der Küchencrew aus dessen Restaurant macht man sich auf, den angerichteten "Schaden" zu beheben - mit einem Überfall auf einen Geldtransporter…

Zur Umsetzung:
Kann eine Komödie verdient FSK "ab 18" sein und dennoch Spaß machen?
Darf man über Gewalt lachen? Und klappt obiges Beispiel, obwohl die Gewalt nicht wie in bekannten Splatterklassikern zum Selbstzweck zu verkommen droht?
Die abgedrehte dänische Komödie "In China essen sie Hunde", im Original "I Kina spiser de hunde" beweist locker: ja, das geht!

Umrahmt von der absolut irrwitzigen, aber dennoch in sich irgendwie nachvollziehbaren Geschichte erzählt Lasse Spang Olsen, dessen Filmografie sich nicht nur über neun Regiearbeiten, sondern auch über unzählige Einsätze im Stunts- und Spezialeffektebereich erstreckt, die Odyssee zweier Brüder, die ausziehen, Gutes zu tun doch dabei eigentlich nur endlosen Schaden verursachen.

Dabei beweist der Film einen schwarzen Humor, wie man ihn selten so massiv erleben dürfte.
Die teils arg harte Handlung wird alleine durch ihre Inszenierung karikiert und von Haralds trockenen Kommentaren ad absurdum geführt, doch allgemein sind hier wirklich die Charaktere Träger der Handlung, des Humors und der Sympathie des Zuschauers.
Der Film kommt eigentlich kaum zur Ruhe. Ein Feuerwerk an Humor und Absurdität reiht sich an das nächste, jeder Gag zündet. Der Film schafft es, auch ernstere Stellen zu treffen, schafft sogar die Stimmungswechsel ohne Probleme und vielleicht ging es gerade vor einer Minute noch ernst zu, bald darauf liegt man aber sicher wieder lachend vor dem Fernseher… Und was in einem anderen Film bestenfalls eine Mauer und schlimmstenfalls ein grober Logikpatzer ist, wird in "In China essen sie Hunde" zum Stilmittel, etwa, wenn man einen Gefängnisausbruch zu planen versucht und der verzweifelte Arvid "zufällig" in Haralds Kühlkammer eine Kiste C4 findet…
Dabei ist die Handlung durchaus auch spannend. Sie nimmt einige überraschende Wendungen, es gibt durchaus spürbar eine Charakterentwicklung und einige Subplots bereichern den Film. Interessant auch, wie von der ersten Szene her ein Bogen gespannt wird, der sich erst ganz zum Schluss ganz zu erkennen gibt und es dann dennoch noch schafft, die Handlung endgültig abzurunden und dem ganzen ein Sahnehäubchen aufzusetzen.
Sicher, Leute mit niedriger Toleranzschwelle für Gewalt und Moralisten, die allgemein das Menschenrecht predigen, werden sich entsetzt abwenden und sich so dem Film verschließen, aber wer damit keine Probleme hat, dessen Augen werden nicht trocken bleiben, wenn die beiden Brüder munter kommentierend eine Spur der Verwüstung hinter sich lassen und ihre Missetaten diskutieren wie andere die Ergebnisse der Sportschau…

"Ich hab Hanne getötet."
"Hanne. Wer ist Hanne? Wieso?"
"Sie hat den Fernseher mitnehmen wollen."
"Ehrlich?"
"Ja…"
"Ja dann… Wo ist sie?"
"Zuhause … im Flur. Und in der Küche."
"Im Flur … und in der Küche?"
"Ja. Vielleicht sollte ich sie einfach liegen lassen…"

Und die restliche Besetzung steht ihnen dabei nichts nach. Zu Haralds Crew gehören noch zwei Köche, die ohnehin nur als Handlanger fundieren und die meiste Zeit des Films Leichen verscharren … und da ist noch Vuk, der Prügelknabe des Films. Der arme Kroate (oder so) kriegt prinzipiell ständig ab, was abzukriegen ist und wird von Harald eigentlich auch nur darum mitgezerrt, weil der Pate der Kroatenmafia vor Ort ihn dazu nötigt … zu beurteilen, ob das aber zu Vuks Gutem ist, sei jedem selbst überlassen.

Aber nicht nur die Charaktere, auch die Schauspieler sind deutlich sichtbar mit Freude dabei.
Harald, vom Film- und Theatermimen Kim Bodnia gespielt, vermittelt durch seine Körpersprache eine unglaubliche Coolness fernab von dem, was Hollywood einem gemeinhin als Hauptdarsteller aufmotzen will, Dejan Cukic (Arvid) ist sozusagen der geborene charismatische Loser und die beiden Köche wirken ebenso unschuldig wie Brian Patterson alias Vuk mit seinem Hundeblick Mitleid erzeugen kann.
Das alles funktioniert sicherlich auch aufgrund der extrem gelungenen Inszenierung so gut, denn Lasse Spang Olsen setzt das Drehbuch von Anders Thomas Jensen derart gekonnt, verspielt und professionell um, dass man nur begeistert sein kann. Die Kameraführung ist souverän und an einigen Punkten richtiggehend genial. Er verzichtet auf große Effekthascherei an den Stellen, wo sie auch Fehl am Platz wäre (wie hart ein Querschläger wirken kann, wenn man nicht dramatisch überall funken sprühen sieht, sondern nur den Schuss hört und ein Unschuldiger vom Stuhl rutscht…), weiß aber in den Actionsequenzen durchaus auch durch eine gekonnte Pyrotechnik zu begeistern. Wenig verwunderlich, kommt er doch ursprünglich aus der Riege der Stuntleute…

Die Umsetzung der DVD vom Konkurslabel Kinowelt letztlich ist ebenfalls fast ausnahmslos zu loben. Das Bild (1:1,78/16:9 anamorph) ist gestochen scharf wie man es sonst von Top-DVDs gewohnt ist, Bildfehler, Artefakte oder ähnliches fallen dem normalen Betrachter nirgends auf.
Die Farben sind eher blass, aber das ist Absicht und man merkt dem Film auch an, dass er anders kann, wenn er will. Doch gerade auch die Farbarmut und der gewählte Kontrast tragen erneut gut zur Atmosphäre des Werks bei.
Der Ton liegt in der Originalsprache Dänisch in Dolby Digital 5.1 vor, wer (wie ich) aber keinerlei skandinavische Sprachkenntnisse aufzuweisen hat, muss mit der deutschen Stereospur vorlieb nehmen - die aber klingt ihrerseits auch prächtig genug.
Dazu gibt es dann noch den Trailer und eine ganz interessant Behind-the-Scenes-Featurette - was kann man mehr von einem derartigen Independent-Film erwarten?

Fazit:
Insgesamt merkt man dem Film in jeder Faser an, dass es kein Hollywoodprojekt ist. Die Darsteller wirken irgendwie glaubwürdiger und einfach "echter", der schwarze Humor, die Härte und vor allem die trotz aller Absurdität bodenständig bleibende Inszenierung sind einfach etwas, wie man es im Kommerzkomplex Hollywood heute vergebens sucht. Er ist zwar, aufgrund seiner FSK-18-Plakette nicht überall zu kriegen, aber sowohl die Erwachsenenabteilung des Kölner Saturns wie auch ein Supermarkt in dem Eifeldorf, das ich meine Heimat nenne, führte ihn bereits, demnach sollte man auch ohne Schwierigkeiten dran kommen.
Jedenfalls eine ganz klare Kaufempfehlung für jeden, der Volljährig ist und mit schwarzem Humor etwas anzufangen weiß!


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