Identität

As I was going up the stair
I met a man who wasn't there
He wasn't there again today
I wish, I wish he'd go away
- aus Identity

Zur Handlung:
In einer verregneten und stürmischen Nacht stranden eine Reihe recht eigener Personen bei einem einsamen Motel im Nirgendwo. Der Chauffeure Ed, sein Fahrgast, die Schauspielerin Caroline Suzanne, eine Familie (deren Mutter von Ed angefahren wird), die Prostituierte Paris, ein frisch verheiratetes Pärchen sowie der Cop Rhodes, der wiederum einen Schwerverbecher transportiert.
Dann aber beginnen die Leute, mehr oder weniger auf dem Gelände des Motels festsitzend, nach und nach zu sterben – Morde, die zwar eine Spur aus Hinweisen aufweisen, eine Spur jedoch, die nach rationalen Gesichtspunkten einfach keinen Sinn zu machen scheint.

 

Zur Umsetzung:
2003 tauchte, relativ unvermittelt, ein weiterer der momentan so populären Mystery Thriller im Kinoprogramm auf. Während etwa das Remake zu "The Ring" sehr lange durch die Ankündigungen ging, war "Identity", obschon prominent besetzt, eher einer der Kategorie 'plötzlich da'.

Der Autor ist im Genre dann auch eher ein Unbekannter, das Drehbuch entstammt der Feder von Michael Cooney, der uns bisher unter anderem mit Highlights wie "Jack Frost" oder "Jack Frost 2: Revenge of the Mutant Killer Snowman" beglücken konnte. Dennoch ist es ihm hier gelungen, eine sehr spannende und eine durchaus mitreißende und vielschichtige Geschichte zu schreiben. Leider aber, soviel muss man gleich vorweg sagen, stolpert er etwas in die klassische Falle vieler Thriller und schürt Erwartungen, die er am Ende nicht einlösen kann.
Es ist sehr schade, aber es wird zwar eine Lösung präsentiert, jedoch eine, die viele Zuschauer nicht zufrieden stellen wird. Man kann mit ihr Leben, aber eine gewisse Unzufriedenheit war vielen nach Betrachten anzumerken.

Das der Film dennoch sehenswert ist, verdankt er drei Faktoren. Zunächst einmal ist da die Inszenierung durch Regisseur James Mangold. Der konnte mit "Cop Land" schon punkten und auch sein "Kate & Leopold", welchen er auch selbst verfasste, fand viele Fans.
Mit "Identity" ist ihm aber zweifellos eine Glanzleistung gelungen, denn er schafft es perfekt, die beklemmende, verregnete, ungemütliche und düstere Atmosphäre dieser Nacht in dem Motel einzufangen. Immer hat man das Gefühl, etwas könnte irgendwo lauern und ein konstanter Schein der Bedrohung liegt über der Szenerie. Rein vom Schnitt her die bemerkenswerteste Szene ist aber sicherlich der Anfang des Films, der nicht in chronologischer, sondern eher in einer assoziativen Reihenfolge abläuft ... nicht nur ein gekonnter Hinweis, sondern auch sehr faszinierend anzuschauen.
Die Charaktere, die sich in dieser düsteren Szenerie bewegen, sind ebenfalls eine Stärke des Films, wenn auch eigentlich nicht herausragend. Vielmehr sind sie die Archetypen des Genres – und das nicht ganz ohne Grund. Aber die Rechnung geht auf, die Dialoge gut geschrieben, ihr Verhalten sowie ihre Reaktionen glaubwürdig und – obwohl sie oft sehr stereotyp scheinen – die meisten haben eben doch die eine oder andere psychologisch faszinierende Macke, die sie im Laufe des kurzen Films irgendwann erst entblößen werden.
Damit verbunden ist aber auch die dritte und vielleicht größte Stärke des Films, die durchweg großartige Besetzung, zu der man größtenteils kaum etwas sagen muss. Ed wird von John Cusack (Grosse Pointe Blank, Being John Malkovich uva.) gespielt, Rhodes von Ray Liotta (Goodfellas, Cop Land uva.). Dazu kommen dann noch Amanda Peet, Alfred Molina, Clea DuVall, Rebecca De Mornay, John Hawkes, John C. McGinley und einige andere – kurzum, hier stimmt einfach alles.
Diese Faktoren, angereichert mit einem exzellenten Soundtrack von Alan Silvestri (eine Beruhigung für alle, die nach Tomb Raider II dachten, er habe sein Handwerk verlernt), schaffen dann nämlich eines, was selbst das umstrittene Ende nicht nehmen kann: eine dichte Atmosphäre.

Man sitzt einfach gebannt vor dem Schirm und jede einzelne Sekunden wirkt sinnvoll, es gibt einfach keinen Leerlauf. Insofern ist die Spieldauer von etwa 86 Minuten auch sehr angemessen, jede zusätzliche Sekunde würde der Handlung nur Tempo und Dichte nehmen.

Die Umsetzung auf DVD ist aber ebenso zu loben. Verleih- und Verkaufsversion sind dabei inhaltsgleich, wobei hier erneut die Leihfassung getestet wurde. Doch das Bild ist hervorragend (2,40:1), obwohl die dunkle und detaillierte Inszenierung die Ansprüche sehr hoch schraubt. Der Ton liegt auf Deutsch und Englisch vor und überzeugt mit wuchtigem 5.1-Klang. Auf Seiten des Bonusmaterials gibt es ebenfalls sehr viel. Ein Audiokommentar von Regisseur und Autor, entfallene Szenen, Filmografien, ein Making Of und einige Trailer erfüllen des Herz des Filmfreundes ebenso wie ein Storyboard-Vergleich und eine Extended Version. Richtig gelesen, eine (minimal) erweiterte Fassung des Filmes kann ebenso wie die normale Kinofassung angeschaut werden.
Und diese beiden Fassungen zusammen auf einer Scheibe zu erhalten, das ist wirklich nur vorbildlich zu nennen.

Insofern ist das Fazit sehr leicht an einem Faktor festzumachen: wer mystischer Thriller mag und mit einem etwas hakeligen Ende leben kann, der erhält mit "Identity" einen hervorragenden, rundum gut gespielten und perfekt inszenierten Film, der einen bis zum besagten Ende nicht loslassen wird.
Wem das Genre nicht zusagt oder wer unbedingt ein sauberes, realistisches und alles auflösendes Ende braucht, der spart sich den Kauf dagegen lieber.
Ich jedenfalls hatte meinen Spaß und bereue es auch nicht, den Silberling in eine Sammlung aufgenommen zu haben.


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