Dagon

- "Fuck Dagon!"
- "Oh ja!"
- scheinbar unbedeutendes Zitat aus Dagon…
... aber wer Deep Ones kennt versteht meine Wahl…

Zur Handlung:
"Eine kleine Gruppe strandet vor der Künste Imboca's (sic!), einem alten, verwahrlosten Fischerdorf. Doch anstelle von Hilfe erwartet sie das unvorstellbare Grauen, denn die unheimlichen Bewohner des Dorfes brauchen Opfer … Opfer für ihren Gott … den Gott der Tiefen des Meeres … DAGON."
So heißt es auch dem Backcover.

Zur Umsetzung:
Spanische Horrorfilme, das ist schon immer so eine Sache. Sie haben bedingungslose Fans und Anhänger, die ihr Leben für einen typischen Vertreter dieser Sparte geben würden, die leider primär durch eher zweifelhafte Auswüchse wie die von Scorpio zuletzt rezensierten reitenden Leichen…
Auch Lovecraft-Verfilmungen sind meistens nicht so richtig toll. Da lauern Gurken wie "Cthulhu Mansion", reine Splatterfilme, die sich Lovecrafts Ideen oder - meistens eher noch - Eigennamen eher bedienen, um Leute zum Kauf (oder zum Ausleihen) zu bewegen. Oder aber die andere Art von Gurken wie "H.P. Lovecraft's Necronomicon", der sich zwar an Motiven des Autors bedient, aber das so tölpelhaft, dass weder die Popcornzuschauer aus meinem Bekanntenkreis noch meine alte Deutsch-LK-Lehrerin, die ihrerseits Lovecraft sehr schätzte, irgendwas mit dem Film anfangen konnten. Ich auch nicht, und dabei mag ich schon Trash.
So, die dritte Sparte wäre dann eine Kombination aus beidem, und irrsinnig wie es ist, da stößt man glatt auf versteckte Qualitäten…
Zwar gruselt "H.P. Lovecraft's Re-Animator", Verfilmung der Kurzgeschichte "Herbert West, Re-Animator", auf den ersten Blick vor allem durch seinen Untertitel ("Herbert West has a very good head on his shoulders … and another one in a dish on his desk"), hat es aber zu recht weitreichender Anerkennung gebracht.

Warum ich das alles erzähle? Nun, vor mir auf dem Tisch liegt eine weitere spanische Lovecraft-Verfilmung und wieder zeichnet sich Stuart Gordon, der Erschaffer von "Re-Animator", aber auch eher jugendfreien Trashfilmen wie "Space Truckers", dafür verantwortlich.
"Dagon" ist der Titel des Film, doch der geschundene Zuschauer weiß aus der Vergangenheit ja schon, dass gerade bei Lovecraft gerne mal einfach Titel geliehen werden … so auch hier, wenn auch nicht so wirklich schlimm: der Film ist in weiten Teilen eine Verfilmung von "Shadows over Innsmouth", der wohl bekanntesten Geschichte des "Meister des Makabren", wie uns das Backcover belehrt.

Und wenn der Film sich auch viele Freiheiten nimmt - die Inhaltszusammenfassung vom Backcover zeigt ja schon gänzlich neue Motivationen - so kann der Film sich doch sagen lassen, dem Geist des Werks treu geblieben zu sein.
Imboca, der Küstenort hier, ist wirklich verwinkelt, düster und könnte glatt Lovecrafts Vorlage für Innsmouth sein. Die Bewohner wirken in der Tat wie Lovecrafts Deep Ones, gerade zu Beginn, wenn eben noch nicht offensichtlich geklotzt wird.
Sogar einige meiner liebsten Szenen der Erzählung - etwa die, wo der Protagonist sich ein Zimmer im Hotel nimmt und Nachts dann "Besuch" bekommt - findet sich fast 1:1 in dem Film und lässt den Lovecraft-Fan frohlocken.
Allerdings wurde die Handlung auf der anderen Seite auch umgestellt und erweitert, was dem Protagonisten gleich noch eine weitere Motivation ('ne Frau), etwas Interaktion ('ne andere Frau) und einen lustigen Informanten einbringt, der ihm dann auch etwas die Hintergründe der Stadt erzählen kann und so dem Zuschauer auch die ganze Idee um die Deep Ones … oh, ich vergaß, den Tiefen des Meeres … erklärt und auch schon mal Dagon ins Spiel bringt.
Der wird nämlich verehrt und soll ein Opfer erhalten (richtig, 'ne Frau), was dann auch zu dem im Vergleich zur Geschichte gänzlich veränderten Schluss führt.
Denn nicht nur, dass da diese kultische Opferung ist, auch der "Nachzünder" des Buchs, die schreckliche Erkenntnis, die der Protagonist ganz am Ende macht, ist zwar drin, aber eben in das Finale integriert und nicht nachgeschoben wie bei Lovecraft selbst.
Den Puristen mag das stören, mich nicht, denn es passt einfach in den Film und erhöht insgesamt deutlich die Spannungskurve. Basta.

Die Umsetzung ist dabei mehr als gelungen zu nennen. Die Zeit, wo Gummimonstermutantenzombies (hey, die Word-Rechtschreibkontrolle kennt dieses Wort!) unschuldigen Blondinen hinterher wankten scheinen vorbei, die Kreaturen aus "Dagon" sehen allesamt klasse aus.
Einmal die Tiefen, die komplett durch Masken realisiert wurden und darum auch einen sehr guten "zum Anfassen"-Look haben … aber eben dennoch gut aussehen. Dann auch "Dagon", der hat nämlich so eine Art Gastspiel am Ende und stammt aus dem Computer. Das sieht man zwar, aber es ist einfach gut gemacht und anders wäre der Effekt nicht drin gewesen. Oh, ach ja, und eine der Frauen hat auch eine sehr cool gemacht Eigenheit…
Der Film geizt auch sonst nicht mit Spezialeffekte - wenn sie Sinn machen. Ganz zu Beginn sehen wir wundervoll gemachte, glasklare Unterwasseraufnahmen, danach zieht in Windeseile ein Sturm auf (Wortspiel gewollt) - ebenfalls Computer, ebenfalls gut.
Was dem Film ebenfalls noch gut tut, ist der relativ begrenzte Einsatz von Splattereffekten. Wenn sie Verwendung finden, dann nicht zum Selbstzweck (eine Ausnahme bestätigt hier die Regel), sondern schon als wohlplatzierter Schocker … wobei man erwähnen muss, dass die FSK-18-Version des Labels E-M-S, VHS wie DVD wie Doppel-DVD, um etwa eine Minute reine Bluteffekte gekürzt ist. Die "Anolis Uncut Edition" ist dem werten Rezensenten schlicht nicht bekannt.

Auch die Darsteller wissen dabei zu gefallen. Ezra Godden, der Hauptdarsteller, sieht in etwa so aus, wie ich mir einen Lovecraft-Protagonisten vorstelle, sprich, schmächtig, bleich und verunsichert, und wirkt einfach kauzig, wenn er mit seinem gezückten Taschenmesser (Klingenlänge 5 cm, nicht feststellbar, also nicht einmal in Deutschland als Waffe klassifiziert) durch dunkle Gänge schleicht.
Die Frauen tun das, wofür sie augenscheinlich gecastet wurden, will sagen, die Protagonisten-Frau sieht nett und eingeschüchtert aus, die verführerische andere Frau … tut eben das.
Alle Darsteller, nicht nur die oben genannten, spielen überzeugend und kranken eigentlich vor allem an einer Facette, der Übersetzung.
Denn ja, es ist ein spanischer Film und irgendwie scheint man ja bis heute da gerne die Übersetzungsfirma "Unmotiviert & Asynchron" zu engagieren, denn so war es auch hier … wenn auch sicherlich bei weitem nicht das unterste Ende der Messlatte.

Da schafft auch die DVD eventuell eine Abhilfe, liegt der Film dort doch auch in Englisch vor…
Der Rezension hier liegt allerdings ausnahmsweise einmal keine DVD, sondern die Kauf-VHS zugrunde, aus dem einfachen Grund, dass die DVD seinerzeit, als ich sie im Saturn in Köln erspähte, das Dreifache der VHS kostete…
Doch das Bild (Widescreen 1,78:1) der Kassette ist erstklassig (wohl direkt vom DVD-Master gezogen; eine Qualität, wie ich sie bisher nur bei meiner englischen Ausgabe der "Star Wars Trilogy Special Edition" bewundern konnte) und der Ton ebenfalls gutes Dolby Surround (im Gegensatz zu DTS- bzw. DD5.1-Ton der DVD.

Fazit:
"H.P. Lovecraft's Dagon" ist kein Meisterwerk, kein Genrefilm, den man sehen muss.
Aber, und damit hat er weit mehr erreicht als ich erwartet habe, er ist eine adäquate Umsetzung einer Lovecraft-Geschichte auf die große Leinwand (respektive die nicht ganz so große Mattscheibe), die zugleich mit einem Hauch von Werkgetreue wie gut genutzten Freiheiten, ausreichend überzeugenden Darstellern, guten Spezialeffekten und einem guten Maß an Blut- und Splattereffekten.
Wer also einen guten Horrorfilm sucht und Filme mit der roten FSK-18-Plakette erwerben darf, der wird hier fündig werden - kein Meilenstein, gutes Popcornkino eben.


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