Collateral

Now we got to make the best of it. Improvice. Adapt to the environment. Darwin. Shit happens. I Ching. Whatever man. We gotta roll with it.
- aus Collateral

Zur Handlung:
Max ist Taxifahrer aus Leidenschaft. Er hat das sauberste Taxi, kennt die besten Routen, doch hat er nur ein geringes Einkommen und eines unerreichbaren Traum. Eines Nachts allerdings meint das Schicksal es schlecht mit ihm und er sammelt den falschen Fahrgast auf.
Vincent ist Profikiller. Er ist cool, berechnend und kommt nach LA, um dort in einer Nacht fünf „Besuche“ vorzunehmen. Er ist der falsche Fahrgast.
Kaum das Max erkennt, wen er dort fährt, entwickelt sich diese Nacht zu einem druckvollen Psychoduell zwischen dem verängstigten Taxifahrer und dem nach außen hin vollkommen kalten Mörder.

Zur Umsetzung:
Es gibt so Filme, die gehen im Kino voll an einem vorbei. „Collateral“ war für mich so einer, denn obwohl er mit Tom Cruise einen richtig zukräftigen Namen hat, ist er doch eher untergegangen. Zu Unrecht, wie wir bald sehen werden.
Regisseur Michael Mann nannte als Hauptmotiv für seinen Film weniger die Geschichte, sondern die Stadt an sich. Los Angeles. Sein erklärtes Ziel war es, die Metropole einmal so zu zeigen, wie sie bei Nacht wirklich ist, wenn die Straßenlampen in leichtem Nebel orangefarbene Kegel spenden, wenn nur noch einzelne Autos die bei Tag überfüllten Straßen befahren und das meiste Licht fahl aus irgendwelchen Bürogebäuden scheint.
Zu diesem Zweck bediente er sich explizit digitaler HiDef-Aufnametechnik, was es ihm ermöglichte, die Stadt unverfälschter und – bei weniger künstlicher Beleuchtung – glaubwürdig zu inszenieren. Kurzum: das Konzept geht auf. Noch nie habe ich einen Film gesehen, der so echt wirkt. Wenn man Nachts durch seinen Heimatort streift, so ist das Licht wie hier. Das Orange der Straßenlampen in „Collateral“ gleicht dem daheim, was insbesondere durch den weitestgehenden Verzicht auf starkes Nachcolorieren der Szenen noch verstärkt wird. Auch die Tonkulisse unterstreicht diesen Eindruck einmal, betont zugleich aber auch die zweite Stärke des Films.

Denn wenn einmal nicht die Stadt dominierend im Vordergrund steht, dann sind es die beiden großartigen Hauptdarsteller. Tom Cruise hatte ich schon erwähnt und gebe gerne zu, ihn selten so gut gesehen zu haben wir hier. Mit grau gefärbtem Haar und ebenso grauer Kleidung wirkt er unpersönlich, ungreifbar, bringt seine Texte emotionslos, ohne dabei unmotiviert oder langweilig zu wirken. Er ist ein eiskalter Killer, dessen Professionalität auch verhindert, dass es hier zu wilden Schußwechseln am laufenden Meter kommt. Wenn er seine Waffe zieht, so liegt das Gegenüber bereits am Boden, bevor man es als Zuschauer überhaupt realisiert hat. Dies wird durch eine Kombination von monatelangem Training und erneut gekonnter Inszenierung erreicht und lässt den Charakter Vincent unglaublich intensiv wirken.
Der Taxifahrer Max wird dagegen von Jamie Foxx gespielt und obschon vom Typus her ganz anders, kann er es auch schauspielerisch mit Cruise aufnehmen. Sein Max ist sehr emotional, verträumt am Anfang, ängstlich im Mittelpart und verzweifelt entschlossen am Ende der Geschichte. Er wirkt menschlich, wirkt überzeugend und auch bei seiner Charakterzeichnung bemerkt man im Nachhinein erst, wie sehr hier auf so viele gängige Klischees („black lingo“ etc.) verzichtet wurde.
Es gibt zwar auch manch anderen Schauspieler im Film, eine überraschend gute Jada Pinkett Smith etwa, aber es entscheidet sich alles ganz klar zwischen Cruise und Foxx.
Was die Akustik betrifft, so greift hier vor allem der Score. Der ist selten im Vordergrund, sondern schwebt zumeist sachte über der Szene und schafft einen anhaltend bedrohlichen Klangteppich.

Die Synergie, die aus der realistischen Inszenierung und den guten Schauspielern in Kombination mit der anhaltenden, aber so gut wie nie eskalierenden Bedrohung entsteht, ist ein atmosphärisches Gebilde, wie man es selten bei einem Film erlebt.
Man fühlt sich wirklich in der Handlung, kann nachvollziehen was passiert, warum die Leute handeln wie sie handeln und man glaubt geradezu die bedrohliche Stimmung zu fühlen, die dort vorherrscht. Wer jemals nach einem heißen Tag die Nacht über draußen unterwegs war, erlebt hat, wie eine Stadt langsam zur Ruhe kommt und die Temperaturen sich langsam senken, der kann sich vielleicht vorstellen, wie sich „Collateral“ anfühlt. Dieses damoklesartige Unwohlsein kurz vor einem Gewitterausbruch, die Leere einer Großstadt bei Nacht, deren einzige Geräusche von vorbeirauschenden Autos verursacht werden, auch all das fühlt man, wenn man den Film sieht.
Eindeutiger Höhepunkt für mich ist eine Szene gegen Ende des zweiten Drittels des Films, wenn das gespannte Duo anhalten muss, weil ein paar Coyoten über eine Kreuzung laufen. Der Blick von einem der Tiere trifft die Blicke beider Protagonisten und man merkt, dass beide in dem Tier erkennen, was es ist – ein Jäger, der eigentlich keinen Platz in dem urbanen Umfeld haben sollte, aber der es dennoch zu seinem Revier macht. Das Taxi fährt weiter und man sieht, wie die beiden Insassen – eigentlich in einem tödlichen Konflikt – beide für einen Moment ganz persönlichen, eigenen Gedanken nachhängen.
Dieser schwebende Moment ist für mich eine der großartigsten Szenen, die ich seit langer, langer Zeit in einem Film gesehen habe. So simpel und doch so effektiv.

Auch die DVD lässt sich nicht lumpen. Es gibt ein interessantes Making Of, einen ebenso informativen Audiokommentar, entfernte Szenen, Featuretten zu den visuellen Effekten, Probeaufnahmen mit Tom Cruise und Jamie Foxx sowie ein paar kleine Gimmicks mehr.
Das dank der HiDef-Aufnahme gestochen scharfe Bild liegt in 2,40:1 vor, den Ton gibt es in Deutsch, Englisch und Französisch jeweils in 5.1 zu hören.

Überhaupt hat „Collateral“ mich extrem beeindruckt. Denn obwohl die Story an sich zwar spannend, obwohl die Inszenierung professionell und die Bilder schön sind, hier ist der Film als Gesamtwerk einmal mehr als die Summe seiner Teile.
Michael Mann hat einen Film geschaffen, der so viel transportiert, so viel anspricht, ohne etwas direkt sagen zu müssen. „Collateral“ wohnt Gefühl inne, es regt Emotionen im Zuschauer an, die nur bedingt mit dem Film zu tun haben. Für 115 Minuten ist man im nächtlichen L.A. unterwegs, in einem unglaublich maßvollen Film, der nichts überstürzt und nichts überinszeniert. Ähnlich wie die beiden Protagonisten nach der Begegnung mit den Coyoten veranlasst der Film einen dazu, etwas seinen eigenen Gedanken nachzuhängen, nachzuspüren.
Wenn man dem Backcover glauben schenkt und „atemlose, rasante Action“ erwartet, dann liegt man hier falsch. Wer aber nicht einen Paukenschlag nach dem anderen braucht und einmal einen Thriller sehen möchte, der einen wirklich für knapp zwei Stunden aus der eigenen Realität reißen kann, der ist hier richtig.
Für mich einer der mit Abstand besten Filme des vergangenen Kinojahres!


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