Animatrix

In the beginning, there was man. And for a time, it was good.
But humanity's so-called civil societies soon fell victim to vanity and corruption.
Then man made the machine in his own likeness.

Thus did man become the architect of his own demise.
But for a time, it was good.
- The Second Renaissance, Part I

Zum Inhalt:
Was ist die Animatrix?
Die "berühmtesten Animé-Regisseure der Welt" (Zitat Backcover) haben sich zusammengeschlossen und teils eigene Ideen, teils Ideen der Matrixschöpfer Larry und Andy Wachowski in animierten wie gezeichneten Kurzfilmen darzubieten.
Neun Kurzfilme sind es geworden, und zusammen bilden sie "Animatrix"

 

Zur Umsetzung:
Was ist die Matrix? Eine Frage, die momentan, nach dem zweiten Kinofilm der Reihe, "Matrix Reloaded", alle Gemühter erhitzt. Alle? Nein, vermutlich nicht alle, denn in der Chefetage von Warner sollte die Antwort "Die Lizenz zum Gelddrucken" lauten.
Oder zumindest gelautet haben, als nach dem Erfolg des ersten Teils die beiden Wachowski-Brüder hereinkamen und neben den Konzepten für "Reloaded" und "Revolutions" auch noch ein damit verknüpftes Computerspiel ("Enter the Matrix", PC, GameCube, PS2 und X-Box) und eben die vorliegende Animationsfilmanthologie vorlegten.
Da nach dem ersten Film die Kassen klingelten wie irrsinnig war die Umsetzung klar, und da man schon während der Produktion des ersten Teils viele Verbindungen zum Animélager geknüpft hatte, war die Umsetzung auch schnell eingeleitet.

Aufmerksamkeit erregte die Reihe vermutlich durch zwei Konzepte: vier der Filme wurden bereits im Vorfeld online zum Download angeboten, nacheinander versteht sich, und heizten so schon mal vor, der optisch aber opulenteste Kurzfilm von allen, "The Final Flight of Osiris", lief weltweit als Vorfilm zu der Steven King-Verfilmung "Dreamcatcher", deren Einspielergebnis wohl nicht unmaßgeblich auch gerade durch diesen Film gepuscht wurden.
Die Frage aber, die wir uns hier in dieser Rezi stellen, ist natürlich, was hier wirklich vorgeherrscht hat: der künstlerische Gedanke, oder der Gedanke ans schnelle Geld … und es gibt nur einen Weg, das herauszufinden - gehen wir die Filme einfach durch.

"The Final Flight of the Osiris" eröffnet auch hier den Reigen. Der Film wurde, anders als alle anderen, nicht klassisch gezeichnet, sondern von den Computerfilmkönigen von "Square USA" gerendert - in einer Qualität, dass gerade zu Beginn manch einer grübelte, ob dies nun echt sei oder nicht. Dass alleine die Produktion dieses Kurzfilms die Firma vor dem Konkurs nach dem unverdienten Kassendebakel vom "Final Fantasy" - Kinofilm gerettet hat, erklärt vielleicht diesen Einsatz.
Dabei ist dieser Film nicht nur eine Augenweide, sondern auch recht sinnvoll zum Verständnis des Films, stellt er doch das Präludium sowohl von "Enter the Matrix" als auch von "Matrix Reloaded" dar - selbstverständlich daher auch von den Wachowskis selbst verfasst.
Auf jeden Fall ein Kurzfilm, den man gesehen haben sollte.

Die nächsten beiden Titel werden dann von einem Zweiteiler eingenommen, "The Second Renaissance". Wieder von den Wachowskis geschrieben und von Mahiro Maeda umgesetzt, der zwar schon in Klassiker wie "Kurenai no buta" (aka "Crimson Pig" oder "Porco Rosso", Studio Ghibli) beteiligt war, den man aber an sich nun auch nicht kennen muss.
Erzählt wird in zwei Teilen der langsame sich später zuspitzende Aufstieg der Maschinen, wobei man sagen kann, dass man im ersten Teil die Menschen ihr Zenit gerade noch überschreiten, im Zweiten dann die Konsequenzen folgen.
Schade dabei ist, dass gerade der zweite Teil aufgrund seiner Konzeption noch einmal sehr deutlich alle Logikfehler des Matrixkonzepts gebündelt präsentiert - doch auf der anderen Seite vertröstet vor allem eine geniale Inszenierung (ich liebe diesen metallenen Reiter der Apokalypse!) in diesem Punkt, zumal die Filme als Aufzeichnungen aus den Archiven Zions aufgezogen sind, also auch alle Spekulation ob des Endes des zweiten Kinofilms möglich bleiben.

Der vierte Kurzfilm, "Kid's Story", ist dann auch der letzte, den die Wachowskis geschrieben haben, diesmal inszeniert von Shinichirô Watanabe (Regisseur bei "Cowboy Bebob") inszeniert, ein eher durchschnittlicher Film. Ein Jugendlicher forscht im Netz nach dem Phantom "Neo", so wie dereinst der Matrix nachjagte. Er wird fündig und stößt dabei auf mehr, als ihm eigentlich lieb sein kann … wie dereinst Neo halt.
Der Film an sich hebt sich durch nichts hervor, ist von durchschnittlicher Zeichenqualität und die Handlung ist, äh, dünn. Erwähnenswert ist er aber dadurch, dass es sich bei dem "Kid" eben um den gleichnamigen Charakter aus den beiden neuen Matrixfilmen handelt … ihr wisst schon, Neos Groupie.

Film Nummer fünf ist dagegen wieder so ein richtiger Kracher. "Program" heißt das gute Stück und ist auch von niemand anderem als Yoshiaki Kawajiri geschrieben, ein Name, in dessen Filmografie da unter anderem "X", "Ninja Scroll" und - einer meiner Lieblinge - "Vampire Hunter D: Bloodlust" zu finden sind.
In einem Samurai-Trainingsprogramm muss sich eine junge Frau einer harten Probe gegenübersehen, einer Frage nach ihrer Treue wie ihrem Gewissen. Mehr sage ich der Pointe wegen nun nicht, dennoch: einer meiner Favoriten auf der Scheibe.

Ganz anders als der nachfolgende Film, "World Record". Der ist zwar wieder von Kawajiri geschrieben, allerdings von Takeshi Koike inszeniert, bei weitem kein so beschriebenes Blatt.
Daher merkt man auch kaum die Verwandtschaft der beiden Filme, denn World Record ist langatmig, streckenweise ganz furchtbar gezeichnet und weiß weder mit einer großartigen Pointe noch einem grandiosen Matrixbezug zu überzeugen.
Er plätschert so dahin … und dann ist er irgendwann vorbei. Und das ist dann der einzige wahre Lichtblick.

Siebter Film der Reihe ist "Beyond", geschrieben wie betreut von Kouji (oder Koji, wie die Hülle schreibt, was auch immer stimmen mag) Morimoto. Der war mal "Animation Director" bei "Akira", hat sonst aber wenig hierzulande Bekanntes gemacht … dennoch ist "Beyond" ziemlich gut geworden.
Ein Fehler in der Matrix resultiert in einer Art Spukhaus (die Betonung liegt auf "in der Art") und einige Leute stoßen darauf - die Matrix allerdings registriert es ebenfalls und leitet postwendend eine Gegenmaßnahme ein.
Ein cooler Film aus dem "Alltag" der Matrix, wunderbar inszeniert und gezeichnet. Hat mir gut gefallen.

Der vorletzte Film ist dann mein dritter Favorit der DVD, "A Detective Story". Shinichirô Watanabe ("Kid's Story", wir erinnern uns) zaubert hier eine wundervolle, leicht anachronistische und vor allem optisch brillante Verflechtung von einigen der Kernideen von Matrix sowie des klassischen Film Noir, in dem ein Detektiv (der Klassiker…) mit der Aufgabe betraut wird, "den Hacker Trinity" ausfindig zu machen … einfach wunderbar…

…was man vom letzten Beitrag, "Matriculated" leider nicht sagen kann - Verantwortlich ist hierbei Peter Chung. Der hat seinen Anfang bei den "Transformers" gemacht, meine Generation kennt die noch (*hüstel* *grins*), ist aber vermutlich hierzulande vor allem durch seine Arbeit als Schreiber wie Regisseur von "MTV's Aeon Flux" bekannt sein.
Nun, sei's drum, "Matriculated" versäuft jedenfalls ähnlich hilflos wie "World Record".
Der Zeichenstil ist eigen und anfangs faszinierend, leider verfängt er sich sozusagen im Plot. In so einer Art virtuellen Grau- und Kiffzone (so viele schöne, bunte Neonfarben) verpassen einige Leute in der wirklichen Welt einigen der Kampfdroiden der Maschinen eine Art Gehirnwäsche um sie zu ihrer Seite zu … bekehren!
Mal davon abgesehen, dass die LSD-artige Sequenz in ihrer Überzeugungszone zu lange, albern und eindeutig fernab aller Atmosphäre der Matrix liegt, die Gesamtkonzeption, die Maschinen, die uns die Filme doch so gerne als herzlose Jäger ohne Gnade präsentieren, mit Argumenten und Sinneseindrücken zu bekehrte - sorry, da hört es für mich auf.
Der Film ist noch viel weiter von jeglicher Stimmigkeit entfernt als etwa "World Record", mit der Besonderheit, dass er dazu auch noch verhältnismäßig lang, zu lang, ist.

Die Umsetzung auf DVD ist natürlich erstklassig. Die Filme sind ohnehin alle im Computer entstanden und erstrahlen daher gestochen scharf und ohne jedes Rauschen (2.35:1), der englische Ton liegt ebenfalls kein Grund zur Kritik.
Dazu gibt es noch massenweise Audiokommentare und Extras, etwa auch eine Dokumentation namens "Scrolls to Screen", die ein Wenig die Geschichte und Entstehung von Manga und Animé beleuchtet und auch wenn die gezeigten Ausschnitte, wen wundert es, etwas die Werke der hier vorgestellten Regisseurs hervorheben, so ist die Doku doch durchweg interessant.

Fazit:
Was bleibt zu sagen. Die DVD bietet drei erstklassige Filme ("Final Flight of the Osiris", "Program" und "A Detective Story"), vier ganz gute ("The Second Renaissance I und II, Kid's Story und Beyond) und zwei totale Gurken ("World Record" und "Matriculated"), kein schlechter Schnitt und eindeutig mehr als pure Geldmacherei.
Zwar ist die Versprechung vom Backcover, es seien die berühmtesten Animé-Künstler überhaupt, etwas vollmundig (einige kennt man einfach nicht, außerdem fehlt einem etwa Mamoru Oshii, der es ja vorzog, mit "Avalon" seinen eigenen, genialen Film zum Themengebiet zu erschaffen), dennoch weiß "The Animatrix" unterm Strich zu gefallen. Kein Meilenstein, aber sicherlich sehenswert!{jcomments on}


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