Dungeonslayers

Zur SPIEL 2010 erschien das Dungeonslayers-Regelwerk in seiner vierten Regeledition und zum ersten Mal in gedruckter Form. Der Uhrwerk-Verlag entdeckte das Webprojekt von Christian Kennig und fand das Spiel so gelungen, dass sie das bis dato kostenlos angebotene Regelwerk in den Handel bringen wollten. Und obwohl das Buch kurz danach als vollwertiges und kostenfreies PDF der Druckversion erneut seinen Weg ins Netz fand, verkaufte sich das Buch phänomenal. Und zwar so phänomenal, dass bereits ein halbes Jahr später zur RPC 2011 eine neue Auflage folgte, diesmal in einer schmalen Box mit ein paar kleinen Extras und sieben Euro teurer.

Die Box ist passgenau für das Buch entworfen und enthält neben dem 168-seitigen Regelwerk eine DIN-A3 große Karte der Spielwelt, die auf der Rückseite den ziemlich dunkel geratenen Bodenplan für das Einstiegsabenteuer abbildet. Dieses neue Abenteuer findet sich in dem 32-seitigen Heftchen, dass sich gezielt an neue Spielleiter (des Systems wie auch des Hobbys an sich) richtet. Neben allgemeinen Tipps und einem Dialog zur Verdeutlichung eines Spielablaufs enthält es das 13-seitige Abenteuer Höhle der Schatten und eine W20-Matrix. Mit dieser kann man durch blindes Tippen eine Zahl von 1 und 20 erreichen, wenn man keinen zwanzigseitigen Würfel zur Hand hat. Um, abgesehen vom fehlenden W20, direkt mit der Box loslegen zu können, sind auch sieben Startcharaktere enthalten. Diese sind auf kleinen Zetteln beigefügt, von denen jeder weniger Platz einnimmt, als eine Chipkarte! Nett, auch wenn man erst einmal nachschlagen muss, was die Talente tun. Wer einen vollwertigen Bogen für viel erfahrenere Charaktere möchte, kann auch auf die fünf beidseitig bedruckten Bögen im Format des Buches zurückgreifen. Um die sieben Beispielcharaktere dann auch stilecht über den Bodenplan schieben zu können, sind winzige, runde Tokens von gerade mal 1,5 cm Durchmesser ebenfalls dabei. Nicht nur für die Spielercharaktere, sondern auch für Gegner, Patzer und Slayerpunkte.

Das System ist denkbar einfach. Man würfelt mit einem W20 unter einen Wert, um etwas zu schaffen. Dieser Wert ergibt sich meist aus den drei Attributen Körper, Agilität und Geist sowie den zwei jeweils zugeordneten Eigenschaften Stärke, Härte, Bewegung, Geschick, Verstand und Aura. Wie bei Black Jack muss man jedoch nicht nur unter einen bestimmten Wert würfeln, sondern diesem auch möglichst nahe kommen. Das ist die komplette Mechanik des Spiels, so dass man keine weiteren Würfel benötigt. Auch der Kampf wird so abgehandelt und kombiniert Treffen und Schaden. Wenn beispielsweise ein Held mit Schlagen 14 (berechnet sich aus Körper + Stärke + Waffenbonus) eine 11 würfelt, so hat er nicht nur getroffen da 11 kleiner ist als 14, sondern auch 11 Schaden verursacht. Der Gegner würfelt nun mit seiner Abwehr (Körper + Härte + Panzerung) dagegen, um den Schaden zu reduzieren. Wenn ein Goblin mit Abwehr 7 etwa eine 5 gegen den Angriff von oben würfeln würde, so würde er den eigentlichen Schaden von 11 um 5 Punkte auf 6 reduzieren. Hätte der Held über seinem Wert gewürfelt, dann hätte er nicht getroffen. Hätte der Goblin seine Abwehr nicht unterwürfeln können, dann hätte er vollen Schaden erlitten. Dieser Schaden wird dann von der Lebenskraft des Ziels abgezogen, bis dieser 0 erreicht und die Figur handlungsunfähig wird.

Bei einer gewürfelten 1 erringt man einen Immersieg, bei dem man nicht nur automatisch maximalen Schaden anrichtet, sondern auch erneut würfeln kann, um bei einem Unterwürfeln des Angriffswertes dann noch mal diesen Schaden drauf addieren kann. BÄM! Bei einer 20 patzt der Charakter allerdings, wodurch er effektiv eine Runde aus dem Kampf genommen wird. Verletzt ein Held einen Gegner, so steht ihm ein Slayerpunkt zu. Diese Punkte werden eingesetzt um Helden kurzfristig zu heilen, ihre Verteidigung hoch zu schrauben oder besser zu treffen. Da sie nach jedem Kampf verfallen, sollte jeder Spieler freizügig mit ihnen umgehen.

Erwähnenswert ist auch noch das Magiesystem, das den Zauberwirkern Heiler, Schwarzmagier und Zauberer offen steht. Statt auf Manapunkte zu setzen, haben Sprüche eine Abklingdauer wie in Echtzeit-Videospielen. Da immer nur ein Spruch aktiv sein kann, müssen Zauberer mit mehreren Sprüchen immer wieder zwischen ihren Sprüchen wechseln, was einen erfolgreichen Wurf erfordert.

Für erschlagene Gegner, erkundete Gewölbe und abgeschlossene Abenteuer erlangen die Helden Erfahrungen, um Stufen aufzusteigen. Ein Wechsel der drei Klassen Kämpfer, Späher und Zauberwirker ist nicht möglich, allerdings kann man ab Stufe 10 für eine Heldenklasse wie Druide oder Paladin entscheiden. Diese brauchen mehr Erfahrung für Stufenaufstiege, ermöglichen dafür aber den früheren Zugriff auf bestimmte Zaubersprüche und Talente. Die Zahl der Optionen für Talente und Sprüche wirkt zuerst erschlagend, ist jedoch sortiert nach Klassen und Stufen sehr überschaubar. Die Talente ermöglichen besondere Aktionen und verbessern den Helden in einem bestimmten Bereich. Die Sprüche decken das volle Repertoire der Fantasy ab, vom Feuerstrahl, über Heilaura bis zu beschworenen Dämonen.

Derartig informiert ging ich dann mit der Box im Gepäck in die spontan einberufene Testrunde mit drei Spielern, die aus den Beispielcharakteren einen Zwergenkrieger, eine Elfenzauberin und einen Menschenspäher wählten, um in die Einsteigerhöhle der Schatten zu steigen. Dort fiel direkt auf, dass das Abenteuer seltsam skaliert. Es gibt zwar [Spieleranzahl] Goblins, die man wegwischen kann wie Fliegendreck, aber exakt vier Orks. Diese waren von den Werten her etwa gleich gut wie die Startcharaktere, allerdings in der Überzahl, weswegen die Spieler nach einigen schlecht gelaufenen Runden den Rückzug antraten. Auch die Schätze die man im Einsteigerabenteuer finden kann, sind weit besser und häufiger als in den drei Abenteuern, die man im Regelbuch finden kann. Beim angehängten Ratten-Abenteuer aus dem Grundbuch wunderten wir uns dann, wieso eine gewöhnliche Ratte gemessen an ihrer Gefährlichkeit so viele Erfahrungspunkte gibt. So ist es lukrativer drei gewöhnliche Ratten zu erschlagen und dabei keine Gefahr einzugehen, als einen Ork zu besiegen. Es wurde auch direkt deutlich, worunter eigentlich alle Spiele mit einer aktiven Parade leiden: derjenige mit einer hohen Verteidigung ist gegenüber dem mit einem hohen Angriff im Vorteil und die Kämpfe ziehen sich in die Länge, ohne dass etwas passiert. Zudem wird das Nachhalten von Lebenspunkten bei mehreren Gegnern aufwändig. Das ist gerade bei einem System das sich Dungeonslayers nennt und einen großen Fokus auf Kampf legt natürlich problematisch. Zugegeben, durch das Black-Jack-System, bei dem der gewürfelte Wert eine Rolle spielt, bringt man schon einmal ein ganzes Stück mehr Dynamik ins Spiel, als dies etwa bei DSA ohne Manöver möglich ist. Aber das ist auch etwa so schwierig wie Fische mit Sprengstoff in einem Aquarium zu jagen...

Aber auch bei anderen Elementen des Systems rächt sich die Simplizität. Der Kurzbogen wird ebenso wie das Kurzschwert völlig überflüssig, da ihr Angriffsbonus um einen Punkt niedriger ist als die langen Varianten, sie aber nur 6 statt 7 Goldstücken kosten! Schlimmer wird es, wenn magische Boni dazugerechnet werden und ein Kurzbogen +1 nur unwesentlich besser wird als ein gewöhnlicher Langbogen. Das fiel direkt zu Beginn auf, als der Spieler des Spähers fragte, wieso er beide Waffen nur in der kurzen Ausführung dabei hatte. Das Startkapital des Charakters reichte noch aus, um beide Waffen auf die lange Variante aufzuwerten, was ihn problemlos zu einem besseren Kämpfer machte. Solche Fragwürdigkeiten fanden sich auch bei den anderen Startcharakteren. Die Menschenzauberin hatte etwa die Talente Einstecken für mehr Lebenspunkte und Bildung, wobei letzteres leider in keinem der beigefügten Abenteuer von Nutzen sein könnte. Die Waldläuferin konnte zwar ebenfalls mehr einstecken (das haben vier der sieben Beispielcharaktere!) und Ausweichen, ist jedoch nicht besser im Erspähen als andere.

Die Wertigkeit der Talente ist eh sehr unterschiedlich. So rätselten die Spieler nach Aufstieg in Stufe 2, was sie ihren Charakteren nun spendieren sollten und konnten nichts sinnvolles finden, als die Klassentalente wie Schütze oder Krieger zu nehmen, um noch besser treffen zu können.

Die Aufmachung in Graustufen ist okay anzuschauen, dafür aber sehr übersichtlich gestaltet. Gerade die Seitenränder mit den Kapitelnamen sind beispielhaft schlicht und nützlich. Bei den Beispielcharakteren wurde für die Ziffern leider ein Schrifttyp gewählt, bei dem die 7 aussieht wie eine 1, was zuerst zu Rätselraten führte, wie man denn nun auf diese Werte kommen könnte. Was uns am Spieltisch dringend fehlte war eine separate Übersicht, wofür man Slayerpunkte ausgeben kann. Dafür hätte man z.B. das freie Feld auf dem Bogen der Beispielcharaktere nutzen können. Die Nummerierung der Seiten des Regelbuchs beginnt seltsamerweise erst ab Seite 8. Dafür dass es bereits die überarbeitete und korrigierte zweite Auflage des Regelbuchs ist, finden sich leider hier und da noch Fehler im Satzbau und Orthografie.

Die Illustrationen im Inneren sind schlicht, aber sehr niedlich und passen gut zum Spielgefühl von Dungeonslayers. Allerdings fällt bei vielen der Figuren auf, dass sie ziemlich unnatürlich lange Arme und Finger haben. Das Cover des Buches ziert auch die Box und ist sehr cool, wenn auch vom Stil realistischer und düsterer als die grauen Innenillus.

Bietet Dungeonslayers das, was der Untertitel mit einem „Altmodischen Rollenspiel“ verspricht? Ja, denn die Konzentration auf das Monsterkloppen in finsteren Verliesen ist überraschend flott und einfach gelungen und ich ziehe es den ganzen OD&D-Klonen klar vor. Durch die simplen Regeln konzentrierten sich die Spieler auf ihre Möglichkeiten mit der Spielwelt zu interagieren, statt nur den Aktionen zu folgen, die sie laut Regeln auch ausführen können. Aber auch wenn die Regeln frischer gestaltet sind, heißt das leider nicht, dass Dungeonslayers alles mitnimmt, was heute möglich wäre. Die aktive Parade verlangsamt das Spiel zu sehr, die Talente wirken sehr unausgeglichen und Zauberer sind zu Beginn weitestgehend nutzlos (vielleicht von Heilern abgesehen) und müssen einige Stufen überleben, bevor sie ihren Teil zur Gruppe beitragen können. Zum Einstieg ins Rollenspiel oder für eine flotte, spaßige Runde nebenbei ist es aber dennoch ziemlich gut geeignet und ich empfehle zumindest einmal eine Testrunde!

Das Regelwerk sowie viele Abenteuer und Extras finden sich kostenlos unter http://dungeonslayers.de. Nachschauen lohnt sich also!

Mit freundliche Unterstützung des Uhrwerk-Verlags.


Titel: Dungeonslayers – Ein altmodisches Rollenspiel (Box)
Autor: Christian Kennig
Verlag: Uhrwerk Verlag
Seitenzahl: 160
Sprache: Deutsch
Preis: 24,95 Euro{jcomments on}