Unknown Armies – Das Spielleiterpaket

Jörg Kachelmann sagt nicht das Wetter voraus, er KONTROLLIERT es!
ein Gerücht vom beiliegenden SL-Schirm des Unknown Armies – Das Spielleiterpaketes

Unsere Rezensionen zum deutschen Grundregelwerk von „Unknown Armies“ (UA) sind ja nun doch bereits eine Weile im Netz, doch irgendwie hat es lange gedauert, bis einer von uns die Kurve bekam, auch dem UA-SL-Set mal einige Zeilen zu widmen.
Nun ist es aber soweit und heute wird geschaut, ob das Set mich mehr begeistern kann, als es das Grundbuch getan hat.

In der Folie findet der geneigte Käufer jedenfalls zunächst mal einige Gegenstände vor, die man aus derartigen Sets hinreichend kennt. Einen Spielleiterschirm, ein beigelegtes, geklammertes Heft ohne Cover sowie einen farbig gedruckten Einleger, damit es schöner aussieht.
Der Einleger macht auch bereits klar, in welchem Geiste das vorliegende Set entstanden ist: Aufgemacht als bekritzeltes Cover der Fußballzeitung „Elfer“ wird dort bereits vom „Fußball-Welt-Event des Jahres“ gesprochen. Japp, das Set atmet die Luft der WM 2006 und es wird sich zeigen müssen, wie zeitlos das sein kann.
Anbei angemerkt sei noch, dass man bei Vortex offenbar keine Lust hatte, den farbigen Einleger zum reinen Designobjekt verkommen zu lassen und auf der Rückseite gleich noch einen wichtigen Handout zum beiliegenden Abenteuer, auf das wir noch kommen werden, zu drucken. Ebenfalls farbig – sehr schön, sowas gefällt mir.

Auch gefällt mir das Design des Schirmes. Die Verarbeitung ist gut, es gibt vier Panels, die Pappe ist dick und stabil, der außen farbige und innen schwarzweiße Druck zudem kräftig. Sehr fein. Die Außenseite des Schimes ist eine Kollage von Zetteln, Notizen, Fotos und ähnlichem, die ein großes, sehr stimmiges Gesamtwerk erzeugen. Es wirkt wahnsinnig, es wirkt chaotisch und zugleich einfach schräg durch das, was auf den Zetteln steht. Das eingangs zitierte Gerücht ist nur eines von sehr vielen, die hier darauf warten, den Geist des Spielleiters ans Laufen zu bringen.
Die Innenseite bietet eine Übersicht über die Avatare, Waffen, Wund und Heilungen auf dem linken Panel, die Kampfregeln auf dem einen und Glückstreffer, Wahnsinn und Therapie auf dem anderen Mittelpanel und ganz viel zu den Adepten auf dem rechten Panel. Das ist schon mal ein guter Anfang, allerdings gehen Meinungen über die sinnvolle Bestückung eines SL-Schirms ja ohnehin immer weit auseinander. Das hat man bei Vortex erkannt und frei nach dem Motto „Du bist der SL-Schirm“ kann man auf der Webseite des Verlages andere Übersichten herunterladen und sich dann an den Schirm heften, klemmen oder kleben. Finde ich eine feine Sache, funktioniert gerade mit dem recht regelarmen UA und dem ohnehin wilden Zettel-Layout des Spiels ganz besonders gut.

Der Schirm ist also schon mal gut, richtiggehend lobenswert gut. Schauen wir uns also einmal das beiliegende Heft an. 48 Seiten ist es schwer und damit dicker als die meisten SL-Schirm-Hefte. Es ist durchgehend schwarzweiß, kommt wie bereits gesagt ohne Umschlag daher und leidet leider unter einer extremen Illustrations-Armut. Habe ich ja schon beim Grundbuch geschrieben, muss ich hier leider wiederholen: noch so tolle Gerüchte und ein sehr künstlerisches Layout können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Heft drei Illustrationen und zwei Fotos (bzw. ein Foto und eine kleine Fotostrecke) aufweist. Das ist deutlich zu wenig, auch wenn die Bilder selber schön sind – so geht das nicht. Das erste Bild findet man gar erst auf S. 22, was einfach zu spät ist. Das führt zur Abwertung, geht gar nicht anders.

Was aber nun steht inhaltlich darin? Es gibt einen neuen Zeugenbericht (geht in Ordnung), eine kurze Einleitung und eine gleichermaßen knappe Erklärung der oben erwähnten „Du bist der SL-Schirm“-Aktion, danach folgen erst mal gewissermaßen Erweiterungen zu Grundbuchtexten. Neben einem einsamen Erratum gibt es dort neue Beispielobsessionen, Erläuterungen mit weiteren Beispielfertigkeiten und zwei neue Artefakte. Das ist alles soweit nett, Ed Woods Angorapullover als Artefakt sogar großartig, aber insgesamt allenfalls ein Bonus, teilweise mit der Geschmacksrichtung „Füllwerk“.
Gleiches gilt vielleicht noch mehr für den Kasten mit willkürlich gesammelten Fußballfakten, der uns aber auch zu dem Kern des Buches bringt, dem Abenteuer.
„Tally Ho“ von Christoph Maser führt uns zur WM 2006 und ist, anders etwa als das WM-Abenteuer aus der damaligen Ausgabe der „Cthuloide Welten“, durchaus in seinem Rahmen ernst gemeint. Es dreht sich dort um das fiktive Maskottchen Foxtrott II, dem nicht umsonst auf dem fiktiven „Elfer“-Cover ein Fadenkreuz vor die Schnauze gemalt wurde. Darin erklärt sich dann auch der den Fuchsjagten endlehnte Titel des Szenarios. Die Parallele zum Goleo-Maskottchen ist unübersehbar, zumal auch Foxtrott laut Abenteuer von der Jim Henson Company entworfen wurde.
Das Spiel mit dem Hype gelingt dem Abenteuer sehr gut, ebenso wie es als Anfängerabenteuer wirklich gut geeinget ist. Es ist sehr geradlinig, ohne den Spielern alle Handlungsmöglichkeiten zu nehmen, sondern geht zumeist einen guten Mittelweg. Es hat einige Momente mit endlosem Spaß-Potential (ich schreibe hier mal „Tanz den Fuchs“ für jene, die es kennen) und ich denke, gerade als Event-One-Shot funktioniert es recht gut.
Abgerundet wird der Band durch weitere Regel-Übersichts-Seiten (auch SL-Schirm-geeignet) und einen Bogen, auf dem der SL seine Spielercharaktere vermerken kann. Der ist zwar jetzt nichts Tolles, aber ist auch okay.

Seine größte Stärke dürfte für das Buch langfristig aber auch zu einer Schwäche werden. Viele Anspielungen im Text sind einfach sehr kontemporär und ob in zwei Jahren noch jemand weiß, worauf besagtes „Du bist der SL-Schirm“ eigentlich anspielt, sei mal offen gelassen.
Muss aber auch gar nicht hierher, denn anno 2007 muss ich klar sagen, mir hat die Lektüre Spaß gemacht.
Hier merkt man viel mehr als im Grundbuch, was das Spiel eigentlich hergibt und wo seine Stärken liegen. Sowas wie das „Bill“-Abenteuer des Grundbuchs kann ich auch mit der WoD, mit Cthulhu oder sonst einem System spielen. Aber Ed Woods Angorapullover, den kann ich mir nirgends sonst wirklich vorstellen.
Dieses Element, dass in Texten so gerne „postmodern“ genannt wird, kommt in diesem Paket überall herüber. Und das macht Spaß, denn UA ist gewissermaßen anarchistisch, dem Rollenspiel wie auch seinem angeblichen Genre, Horror etwa, gegenüber. Einer meiner größten Kritikpunkte an dem Spiel war nach dem Grundbuch, dass kein Gesamtkonzept erkennbar ist. Noch immer finde ich UA in seiner Gesamtheit schwer zu erfassen, aber zumindest dieses Set folgt in sich stringent einer ganz klaren Linie.

Wie gesagt, das Paket hat ein Haltbarkeitsdatum und gerade auch bei dem WM-Szenario ist die vermutlich recht bald überschritten. Zwar kann man es auf ein anderes Event ummünzen, aber dann ist es nicht mehr Goleo, dann ist es nicht mehr die WM. Irgendwie wäre das nur eine halbherzige Lösung. „Jetzt noch, oder nie“ scheint mir da fast die Devise.
Der Preis von 16,95 Euro geht jedenfalls in Ordnung, so dass ich insgesamt sagen kann: Wer UA spielt, sollte sich dieses Set schnell unter den Nagel reißen. Das Verfallsdatum einiger Ideen und die illustrationslose Textwüste verhindern jedoch Höchstwertungen.


Name: Das Spielleiterpaket 
Verlag: Vortex 
Sprache: Deutsch
Autoren: David Grashoff, Christoph Maser{jcomments on}
Empf. VK.: 16,95 Euro 
Seiten: 4 Panel-SL-Schirm, 48 Seiten Heft