Esoterrorists
You are elite investigators combating the plots of the Esoterrorists, a loose affiliation of occult terrorists intent on tearing the fabric of the world and letting the monsters in.
vom Backcover von The Esoterrorists
Robin D. Laws hat ein Ziel: Er möchte das Genre des investigativen Rollenspiels revolutionieren.
Robin D. Laws hat auch eine Idee: Einen direkt an Fertigkeiten gekoppelten Ermittlungsapparat.
Robin D. Laws hat jedoch auch ein Problem: Das alleine kann man kaum als Produkt verkaufen.
Robin D. Laws fand auch eine Lösung: Er ersann das Setting der „Esoterrorists“.
Ob das nun Füllwerk, Flickschusterei oder gar etwas Sinnvolles geworden ist, dem werden wir uns an dieser Stelle mal widmen.
„The Esoterrorists“ macht sich im Laden zunächst einmal durch seine Preisgestaltung unbeliebt. Das dünne Buch hat 86 redaktionelle Seiten, die schwarzweiß bedruckt und in ein eher dünn ummanteltes Softcover gebunden wurden, das mit 19 US-Dollar 95 aber nicht gerade schüchtern preislich beziffert wurde.
Sicher, in dem Metier gibt es auch andere Wucherpreise, aber teuer ist das allemal. Sauteuer sogar. Aber wir kommen darauf zurück.
Das Cover, dessen Erschaffer nirgends direkt genannt wird, zeigt sehr stylish eine pistolen- und taschenlampenbewährte Person, die offenbar in einen Keller herabsteigt. Sehr stimmungsvoll, sehr schön, gefällt mir. Auch das Logo des Spiels ist fesch.
Die Innenillustrationen gehen eher in einen Pulp-Comic-Look hinein, aber das Layout ist gut leserlich und der Gesamteindruck stimmig. „The Esoterrorists“ ist vielleicht nicht das schönste Buch in meinem Schrank, aber es ist allemal schön. Nervig ist allerdings, dass es durchgehend einspaltig ist, was der Lesbarkeit nicht wirklich gut tut, und einige Illustrationen schon bis zum Erbrechen wiederverwertet werden.
Dass überall betont steht, dass Robin D. Laws dieses Spiel geschrieben hat, sogar noch mal auf einem Aufkleber auf dem Cover, auf dem es eh schon steht, finde ich dagegen eher peinlich.
Das Herzstück des Spiels ist definitiv nicht sein Setting, sondern das neue Regelwerk, genannt „Gumshoe“. Das soll übrigens dann auch eines Tages das Fundament von Laws‘ neuem Cthulhu-Rollenspiel werden, das er mit Kenneth Hite zusammen entwift.
Und ein Blick auf den Charakterbogen bestätigt schon: In der Tat ist hier einiges mal richtig anders als sonst. So gibt es zunächst einmal hier keine Attribute. Die ganzen Klassiker wie Stärke, Charisma und so sucht man hier vergebens.
Fertigkeiten gibt es dagegen zahlreich, sogar in gleich zwei Gruppen. Denn das Gumshoe-System unterscheidet zwischen „Investigative Abilities“ und „General Abilities“. Letztere sind einfach: Athletics, Infiltration, Shooting und dergleichen kennt man aus anderen Systemen, da gibt es keine Überraschungen.
Die investigativen Fertigkeiten dagegen sind den Generellen zahlenmäßig rund dreifach überlegen und gliedern sich noch mal weiter in „Academic“, „Technical“ und „Interpersonal“. Akademisch sind etwa Kunstgeschichte, Gesetzeskunde oder auch „Trivia“, technisch sind Astronomie, Ballistik oder forenische Etymologie und interpersonell etwa „Flattery“, „Reassurance“ oder der großartig getaufte „Bullshit Detector“.
Jede Fertigkeit hat zudem nicht einen, sondern zwei Spalten dahinter: Rating und Pool.
War bisher alles vor allem komisch aufgeteilt, so wird es hier wirklich eher ungewöhnlich, denn das Gumshoe-System ist ein ressourcenbasiertes System. Der Laws‘schen Theorie nach ist ein großer Makel bisheriger investigativer Spiele die Gefahr gewesen, durch Würfelpech wichtige Hinweise zu verpassen. Gumshoe kennt das Problem nicht.
Szenen besitzen in der Regel einen sogenannten core clue, den man gar nicht verfehlen kann. Den findet man, damit die Handlung fortgeführt werden kann. Möchte man aber mehr haben, so sagt man es vor allem an. „Spielleiter, ich verwende einmal Textual Analysis um zu erforschen, aus welcher zeitlichen Ära der Text stammt.“
Punkte kommen generell erst ins Spiel, wenn es um besondere Hinweise geht. Da könnte der Spielleiter etwa nach obiger Ansage nachfragen, ob der Spieler einen Punkt Textual Analysis ausgeben möchte. Den zieht er dann von seinem „Pool“-Wert ab und kauft dafür gewissermaßen die Information.
Gewürfelt wird bei der Recherche gar nicht, bei den generellen Fertigkeiten dagegen schon. Die werden anderweitig angewendet. Generell werden Proben immer mit einem W6-Wurf gegen eine Schwierigkeit zwischen 2 und 8 abgewickelt. Wenn er nun möchte, kann er vor einem Wurf Punkte aus dem Pool einer korrespondierenden Fertigkeit abzwacken und aufaddieren. So könnte er etwa bei einer Verfolgungsjagd auf der Straße dem Gegenverkehr ausweichen müssen. Der SL setzt eine Schwierigkeit von 5 an, der Spieler zieht aus seinem Driving-Pool drei Punkte ab, würfelt eine 2 und schafft es daher dann gerade so, die Probe zu bestehen.
Ungewöhnlich, aber es funktioniert.
Leider hat das Regelwerk so seine Schatten. Der investigative Ansatz ist von einer unsympathischen Arroganz geprägt, denn effektiv steht auf S. 26 mal wieder was davon, dass alle anderen bisher von einer fehlerhaften Prämisse ausgegangen sind und erst Laws das jetzt durchschaut hat, kommt aber mit einer interessanten Idee daher: „Investigative scenarios are not about finding clues, they‘re about interpreting the clues you do find.“
Das Spiel geht darin allerdings so weit, dass es mehr oder weniger darauf geeicht ist, dass auch jede Gruppe garantiert mit jedem Plot klarkommt. Die Location-Analyse wird zum Selbstläufer und das Regelwerk selbst trägt Sorge dafür, das alles ausgewertet werden kann. Die Krone dessen ist die Charaktererschaffung, in der die Punktezahl pro Person von der Anzahl der Personen in der Runde abhängt – damit auch ja alle Bereiche sicher abgedeckt werden können.
Das Element Zufall wird hier komplett in seine Schranken verwiesen und das wird wohl kaum jedermanns Sache sein. Ganz gleich, wie „falsch“ der traditionelle Ansatz in den Augen des Autors sein mag.
Nun mag man argumentieren, dass das ja dann alles eben im Sinne eines Erzählspiels sehr geglückt sei, doch dem gegenüber steht ein furchtbarer Apparat von „General Ability“-Sondermechanismen. Contested Rolls sind schon mühselig, aber das ein so simples Spiel acht Seiten reine Kampfregeln hat, ist schon etwas dubios. Zumal sich ein dynamischer, flotter Kampf nur behäbig mit dem Ressourcen basierten Regelwerk umsetzen lässt.
Irgendwie musste ich hier etwas an „Unknown Armies“ denken, dass ja auch eigentlich extrem einfach ist, aber dafür in Initiative-Reglements ersäuft.
Doch warum sage ich eigentlich nur was zu den Regeln und kaum was zu dem Setting?
Weil Robin D. Laws das auch so macht. Der komplette Spielhintergrund wird ebenfalls auf exakt acht Seiten dargelegt. Das ist nicht nur vom Umfang her gleich mit den Kampfregeln, das ist vor allem einfach viel zu wenig.
Effektiv weiß man nachher, dass es Esoterrorists gibt, die so eine Art Massenkundgeber des Übernatürlichen sind, und den Ordo Veritatis, der versucht, den Deckel da draufzuknallen. Dazu gibt es dann noch sage und schreibe drei Kreaturen auf exakt einer Seite (bei den acht Seiten schon eingerechnet), die ein missgestaltetes Kind, eine Art Zombie und extradimensionale Hunde umfassen. Toll. Echt. Super.
Das 24 Seiten lange Abenteuer am Ende des Bandes ist dagegen zwar gut, aber irgendwie auch nicht so das, was das Buch rettet. Abenteuer in Grundregelwerken haben, das schreibe ich ja immer gerne, eben auch stets diesen „Einmal gezockt, für immer geschleppt“-Makel und mehr Hintergrund wäre hier einfach sinnvoller gewesen.
Die SL-Tipps in dem Buch dagegen sind grandios und zeugen davon, dass der Autor sich prinzipiell durchaus sinnvolle Gedanken zum Genre gemacht hat. Da kann man Nutzen daraus ziehen, selbst wenn man das Gumshoe-System nie verwenden wird.
Effektiv hat das Spiel für mich einen dicken Makel: Es wirkt irgendwie wie ein Fan-Download mit tollem Layout. Es gibt kaum ein Setting und die paar Zeilen, die da sind, dienen eher dazu, eine Startumgebung für das tolle Investigationsregelwerk zu liefern. Und damit man das auch spielen kann, hat man eben noch mit Gewalt versucht, einen durchdachten Mechanismus auf ein Alltagsregelwerk mit Würfelproben umzubiegen.
Normale Menschen schreiben so etwas und erklären das dann in kurzen Worten in Foren oder bieten es auf ihrer Webseite an. Da es aber von Robin D. Laws ist, und alles was von da kommt, kann ja wohl Gold nur sein, ist dieses im Grunde interessante Konzept jetzt also in diesem unverhältnismäßig teuren Buch veröffentlicht worden. Das mir, nebenbei, eben noch erklärt, dass ich als traditioneller Investigativ-Spieler es bisher eben falsch gemacht habe. Tja, Pech gehabt.
„The Esoterrorists“ ist nicht schlecht. Es ist sein Geld aber nicht wirklich wert und allenfalls ein komplettes Regelwerk, kaum ein „komplettes Rollenspiel“, denn es gibt kein Setting. Wer die Idee interessant findet, kann es im Laden ja mal anlesen. Es ist schade, denn es ist auch nicht wirklich lieblos produziert, es ist nur eben irgendwie etwas zu mager, es fehlt das nötige Fleisch auf den Knochen, um es zu einer Kaufempfehlung zu machen.
Name: The Esoterrorists
Verlag: Pelgrane Press / Ocean Games
Sprache: Englisch{jcomments on}
Autoren: Robin D. Laws
Empf. VK.: 19,95 US-Dollar
Seiten: 86