Star Trek Player's Guide
To Boldly Go Where No One Has Gone Before…
vom Backcover vom Player's Guide
Die Geschichte der Rollenspiele auf Basis des Star Trek-Universums reicht bereits weit in die Geschichte des Rollenspiels zurück … sehr weit sogar.
Es war anno 1982, als DSA noch in der Entwicklung steckte, da brachte FASA bereits das erste "Star Trek RPG" auf den Markt. Von grottiger Qualität (und ich weiß, wovon ich spreche, wir haben es gespielt!) hatte es sogar einen deutsche Ausgabe, bei FanPro erschienen, wusste aber in keiner Weise die Gelüste des Fandoms zu befriedigen.
Danach herrschte lange Zeit Stille, und während sich bei der Konkurrenz etwa das "Star Wars RPG" aus dem Hause WEG viele Spielerherzen eroberte, blieb es um Star Trek ruhig, bis 1993 die längst vergessenen Jungs von Task Force Games einen gehörig erfolglosen Vorstoß mit "The Prime Directive" versuchten. Das System hatte noch nicht einmal eine wirkliche Lizenz erhalten, versank also somit binnen kürzester Zeit wieder in der verdienten Vergessenheit.
Zuletzt waren es dann 1998 die Leute bei Last Unicorn Games, die sowohl das "Star Trek: The Next Generation RPG" sowie diverse Ableger heraus brachten … aber auch diese Ära endete wieder schneller, als man glauben mochte.
Nun, im Jahre 2002, ist wieder ein Bewerber angetreten, und es ist zwar kein unbekannter, aber doch ungewohnter Aspirant, der es hier versucht: Decipher.
Decipher sind wohl vor allem für ihre CCGs bekannt, die ja auch schon Star Wars, Star Trek und den Lord of the Rings abdecken, ebenfalls sind sie die Produzenten des brandneuen "Lord of the Rings RPG", aber dennoch ist der "Star Trek Player's Guide" das erste Rollenspielprodukt, dass sie veröffentlicht haben - und dafür ist es extrem herausragend gelungen.
Das Buch kommt als durchgängig vierfarbiges Hardcover daher, ist von unverwüstlicher Verarbeitung und exzellenter Druck- und Papierqualität. Somit steht es selbst den in dieser Beziehung vermutlich führenden Jungs von Wizards of the Coast in keiner Beziehung nach.
Auch die Auswahl der gezeigten Motive zeugt von Talent, fast alle Bilder passen und sind schön fotografiert, einige Ausnahmen (etwa eine mehrfach schlicht grenzdebil grinsende Janeway uns einige Kuriositäten wie das Bild auf S. 79) bestätigen die Regel.
Einzig die Übersicht des Bandes ist manches Mal zu kritisieren, aber die Zeit, wo Rollenspielbücher durch ein simples, aber bestechendes Layout zu überzeugen versuchten, ist wohl längst vorbei.
Stellt sich wie immer die Frage, ob der Inhalt da wohl mithalten kann … gehen wir die Kapitel also einmal durch.
Das Buch ist zweigeteilt, in die großen Oberbereiche "Character Creation" und "Player Resources", sowie in insgesamt 14 Kapitel sowie einen Appendix gegliedert.
Die Einleitung ist klassisch, mit wichtigen und - für langjährige Rollenspieler - uninteressanten Unterpunkten wie "Was ist ein Rollenspiel?" und "Wer ist der Erzähler?", aber mit vier Seiten inkl. einem längeren Glossar erfreulich kompakt und doch informativ gehalten.
Kapitel eins, reißerisch "35 Years of Star Trek" betitelt, stellt generell die Hintergründe der vier Star Trek-Serien (Classic, TNG, DS9 und Voyager - aber noch kein Enterprise) vor, liefert gute Abenteueransätze für jede, gibt Ideen, was man da so an Charakteren spielen kann und erreicht recht schnell sein Ziel: es macht Lust, sich ins Spiel zu stürzen.
Damit man das kann, geht sie dann in Kapitel 2 so richtig los, die Charaktererschaffung, und zwar mit dem Kapitel "Species". Ausführlich werden hier die spielbaren Spezies (Bajorans, Betazoids, Cardassians, Ferengi, Menschen, Klingons, Ocampa, Talaxians, Trill und Vulcans) aufgeführt, im Detail sowohl in Sachen Hintergrund wie auch in Sachen Regeln durchleuchtet und noch einige herausragende Persönlichkeiten aufgeführt.
Belustigt darf man hier zwar bei den Menschen die Auswahl feststellen (die beiden ausgewählten Berühmtheiten sind Leonard McCoy und Benjamin Sisko, obwohl ein Bild von Captain Kirk fast eine ¾-Seite einnimmt), insgesamt ist das Kapitel aber voll überzeugend, denn selten hat man in einem Grundregelwerk mal derart viele Informationen zu den spielbaren Rassen geboten bekommen.
Wenn man nun seine Spezies gefunden hat, geht es in Kapitel 3 an die Auswahl einer der "Professions". Hier ist die Auswahl wieder ausgesprochen groß (man wählt zwischen Diplomat, Merchant, Mystic, Rogue, Scientist, Soldier und Starship Officer, wobei letzter noch einmal in die Unterbereiche Command Officer, Flight Control Officer, Starship Engineer, Starship Operations Officer, Starship Security Officer, Starship Counselor, Starship Medical Officer und Starship Science Officer spezialisiert werden kann) und wieder fällt das Anliegen der Autoren auf, auch echtes Rollenspiel entsprechend zu fördern, etwa durch gute Ratschläge zu jeder (!) Profession, wie man sie denn gut ins Spiel einbauen kann.
Kapitel 4 widmet sich den "Attributes" und erklärt, wie man es von Hunderten von Rollenspielen gewöhnt ist, was welche Attribute so machen und wozu man sie braucht. Dabei kann man seine Attribute sowohl mit der "Random Method", also würfeln, oder der "Pick Method", also einem Kaufsystem, bestimmen, was ich für ausgesprochen schön halte, so werden eben alle vorlieben abgedeckt. Ansonsten gibt es hier kaum was Besonderes zu sagen, nur, dass auch hier wieder ein Abschnitt "Roleplay your Attributes" vorhanden ist.
"Development" ist der Name des fünften Kapitels, und spätestens hier musste ich eingestehen, dass die Jungs bei Decipher sich echt was ausgedacht haben, um genauere Charakterhintergründe zu fördern. Denn die Skills des Charakters werden durch die s.g. "Backstory" bestimmt, welche sich aus einer persönlichen wie einer beruflichen Entwicklung zusammensetzt.
Das ganze ähnelt ein Wenig dem Hintergedanken von DSA4, wo mit Kultur und Profession gearbeitet wird, ist hier aber auch sehr variantenreich umgesetzt und gerade, wer sich noch an die absurden Charaktere erinnern kann, die etwa FASAs Star Trek zu Tage förderte, der wird sich hier sehr freuen, selber so viel Einfluss auf den Charakter zu haben.
Und jeder, ob er will oder nicht, wird so auch zum erdenken einer Hintergrundgeschichte genötigt, was man sicherlich mehr als nur ein netter Nebeneffekt ist.
Damit die Skillauswahl auch einen Sinn hat, beschreibt das sechste Kapitel demnach auch "Skills" und widmet sich genau diesen. Das Kapitel ist sehr detailliert, kommt mit alleine 20 Seiten Beschreibungen der einzelnen Fertigkeiten daher, aber ist zudem etwas unübersichtlich geraten und leider - was selten ist in diesem Werk - etwas tabellenlastig.
Kapitel sieben dann widmet sich den s.g. "Traits", klassischen Vorteilen und Nachteilen wie man sie heutzutage ja von den meisten Systemen kennt. 66 Vorteile und 30 Nachteile warten darauf, ausgewählt zu werden, wobei die Spannweite der Vor- und Nachteile alles umrankt, was man aus der World of Darkness als Merits, Flaws, Backgrounds und Adversarial Backgrounds kennt, will sagen, sowohl körperliche Eigenschaften (etwa Ambidextrous oder Courageous) sind ebenso hier zu finden wie Soziales (etwa Ally oder Enemy).
Das neunte Kapitel letztlich schließt die Charaktererschaffung ab: "Characteristics". Es funktioniert ein Wenig getreu dem Motto "Kommt alles rein was übrig ist", so werden hier gute Rollenspielansätze (etwa Beschreibung des Aussehens, der Persönlichkeit und des Ansehens) in einem Zuge wie Regelaspekte, etwa die Werte "Defense" und "Health" gesehen.
Außerdem wird der Wert Courage eingeführt, der in seiner Wirkungsweise der Willenskraft der WoD ähnelt, will sagen, bei schweren Proben kann ein Charakter mittels der Courage seine Chancen merklich verbessern…
Somit beginnen nun die "Player Resources", und zwar mit dem Kapitel "Advancement".
Die Charaktererschaffung bedient sich bei allen bekannten Prinzipien der Charaktersteigerung und kombiniert sie recht clever. Für je 1000 Erfahrungspunkte erhält ein Charakter drei s.g. "Picks", für die er dann gemäß einer Kostentabelle in den verschiedenen Bereichen Steigerungen erwerben kann.
Geklaut, aber doch irgendwie neu und wenn, dann doch ausgesprochen gut geklaut.
Kapitel 10 behandelt das "Equipment", und erklärt zudem das Währungssystem außerhalb der Sternenflotte (Slips, Strips, Bars und Credits) vor. Die Ausrüstungsbeschreibungen sind sehr umfassend und auch ausführlich geraten, einzig ein paar zusätzliche Bilder würde man sich wünschen, vielleicht auch ein paar andere, weil Picard in einem EVA Suit ist vielleicht nicht so interessant wie etwa ein Dermal Regenerator, den ich schon mal gerne gesehen hätte.
Schön auch, dass das Kapitel in der Tat viel Ausrüstung, nicht nur viele Waffen bietet. Schön aber im Gegenzuge auch, dass man so ehrlich und hart war, und bei den Waffen ab einem gewissen Kaliber einfach eine tödliche Wirkung attestiert, und Peinlichkeiten wie die legendäre Shadowrun-Atombombe mit ihren 35T Schaden vermeidet…
"Starships" sind das Thema des elften Kapitels, dass weniger eine bloße Werteliste geworden ist, die man ja vielleicht befürchten konnte (es werden nur die Stats der NCC-1701, NCC-1701-D, der Defiant, der Voyager und der DS9 (!) gegeben), sondern stattdessen auf 11 Seiten das komplette Arbeiten und - mal wieder nett fürs Rollenspiel - Leben an Bord eines solchen Schiffes beschreibt.
Kapitel zwölf dreht sich um das "Adventuring", welches die ganz grundlegenden Fragen, rund um "Worum soll es in meiner Kampagne gehen?", "Wie baue ich so was auf?" oder "Wie soll so eine Crew aussehen?" angeht, ebenso wie Tipps an die Spieler gegeben werden, wie sie ihrem SL das Leben leichter machen können … und wo hat man das bisher schon mal gesehen?
Die schon angedeuteten vier umfassten Serien (also wieder Classic, TNG, DS9 und Voyager, kein Enterprise) werden noch einmal detailliert geschildert, um Ideen zu liefern und bei der Auswahl zu helfen.
Und wem das nicht reicht, der wird mit Kapitel 13, "The Galaxy", endgültig bedient, denn hier findet sich eine gigantische Timeline über alles, was bisher in der Galaxis so passiert ist.
10 Billionen Jahre in der Vergangenheit angefangen reicht sie dann hinauf ins Jahr 2375, ans Ende des Dominion War. Und immer wieder finden sich Kästen, die die ungestellte Frage aufgreifen, wie man das gerade Erfahrene gut umsetzen kann.
Lustig dabei: hier plötzlich taucht Enterprise dann sehr wohl auf und findet Niederschlag … man kann gespannt sein, ob der "Narrator's Guide" da konsequenter sein wird…
Das letzte Kapitel nun widmet sich dann der "Federation" und fragt sich im Prinzip, wer die Föderation und wer die Sternenflotte ist, was die so machen und wie man damit lebt.
Es gibt Auszüge aus der "Constitution of the United Federation of Planets" und den "Starfleet General Orders" und generell wieder alle Informationen, nach denen ich auch Ausschau hielt.
Abgeschlossen wir das Buch von einem wohl einmaligen Appendix: hier werden noch eben auf ein paar Seiten grob die Regeln für Verletzungen, Heilung, Bewegung und Kampf (!) erklärt.
Hier allerspätestens wird klar, dass Decipher in der Tat ungewohnte Wege gehen, um das Setting ansprechend umzusetzen…
Dann folgt noch ein Index, exzellent, ausführlich in Schriftgröße 6 sowie der Charakterbogen, der wiederum ein Verbrechen ist. Nicht wegen der Aufteilung oder anderer Dinge, die man normalerweise an so einem Bogen kritisiert, sondern schlicht wegen dem Layout: Schwarz umrahmt und sonst in Full Color: Wer soll denn so was Drucken??
Wer wissen will, was ich meine: unter http://www.decipher.com/startrek/rpg/playersguideindex.html gibt es das Stück zum Download (je Seite zwischen 1 und 1,5 MB).
Das Fazit fällt leicht, denn obwohl Star Trek eigentlich nicht wirklich mein Ding ist, bin ich schwer begeistert von dem Buch. Für ein Erstlingswerk schlicht perfekt, für den Fan ein Must-Have und für jeden sonst Interessierten durchaus ein Blick wert!
Name: Star Trek Player's Guide
Verlag: Decipher
Sprache: Englisch{jcomments on}
Autoren: verschiedene
Empf. VK.: 29,95 US-Dollar
Seiten: 256