SLA Industries - Mort Sourcebook

Mort, a city that hides a million sins, holding secrets and places that should never be known. Mr. Slayer sits in his office in Central, looking out over his city. From clean, residential Uptown to filthy stinking DownTown and the nightmare Cannibal Sectors, Slayer's throne sits safely central, isolated in a city of extremes.
vom Backcover von Mort Sourcebook

Schon urig lange ist es her, dass Scimi sich hier dem Grundregelwerk von SLA Industries äußerte, einem genialen, wenn momentan auch schwer zu beziehenden, Cyberpunk-Rollenspiel. Nun komme ich endlich einmal dazu, einen ebenfalls sehr empfehlenswerten Quellenband hier näher zu präsentieren.

"Mort" widmet sich dem Planeten sowie der Stadt gleichen Namens, wohl dem primären Handlungsort der meisten SLA-Kampagnen. Hier hockt Mister Slayer, hier wirken die Charaktere. Mort aber ist weit mehr als eine gesichtslose Ansammlung von gefährlichen und/oder "coolen" Orten, sondern ein faszinierender Mikrokosmos, nein, eine Ansammlung von faszinierenden Mikrokosmen.

Das Cover suggeriert das allerdings erst einmal nicht. Handwerklich zumindest gut zeigt Clint Langley einen ziemlich irren Kerl, stark verkabelt und schwer bewaffnet, in sehr harten Gelb-, Grün- und Rottönen. Das allerdings täuscht etwas, denn im Inneren ist "Mort" sicherlich einer der schönsten Titel aus dem schwarzweißen Bereich.
Das Layout ist sehr abwechslungsreich und inhaltlich passend umgesetzt, mit vielen sehr großen Illustrationen und einer dennoch sehr anschaulichen Textmenge. Der Stil der Illustrationen gleicht dabei teilweise den gerade in Grundregelwerk sehr häufig zu findenden Graustufen-Bildern mit vielen Details, doch in "Mort" finden sich ebenso viele Illustrationen im Stil modernerer Comiczeichnungen, mit schnellem Strich, klarer Linie und Computereffekten wie etwa Tiefen- oder Bewegungsunschärfe. Trotz zehn verschiedener Illustratoren wirkt das Buch auch nicht zu durchmischt, eher im Gegenteil, der Stil gibt dem ganzen noch mehr Vielfalt.
Höchstwertungen in diesem Bereich also.

Rein sprachlich macht das Buch auch sofort Freude. Es wählt sehr oft einen Blickwinkel aus der Spielwelt heraus und es ist einfach schon ein dickes Plus für die Atmosphäre, wenn etwa unter der einleitenden Karte der Stadt kleingedruckt steht, dass das Verlassen der kartografierten Gegenden auf eigene Gefahr geschieht und SLA keine Haftung übernehme.
Zusätzlich haben sich dann noch kurze Erzählungen und Dialoge in der Buch gemischt, die zusätzlich die Stimmung vermitteln. So erlebt man "live", wie das Leben eines Geschäftsfrau binnen weniger als 24 Stunden von einem perfekt organisierten Leben zum totalen Zusammenbruch führt oder man liest das Gespräch zweier Shiver, der vollgepanzerten Polizei von Mort. Einer kommt aus den besseren Gebieten und ist ebenfalls überrascht zu hören, das tote Kollegen in Downtown zum Alltag zu gehören scheinen.
All diese Einschübe erzeugen eine ungeheure Atmosphäre und das ist auch der große Pluspunkt des Spieles, der hier, vor allem anderen, klar betont sein soll. Man bekommt, einfach beim Lesen, ein sehr gutes Gefühl davon vermittelt, wie (schlecht) das Leben in Mort sein kann, wenn man im falschen Bezirk lebt, oder welch Luxus an den richtigen Orten zu finden ist. Und wie dünn die Grenze zwischen beiden Bereichen ist.
Schön ist auch etwa ein elf Seiten umfassendes Kapitel, in dem sich einfach Teile der Gesellschaft über andere Teile auslassen und ihre Meinung kund tun. Klar, harte Fakten sind hier vollkommene Fehlanzeige, aber auch gar nicht nötig. Denn der Spielleiter braucht nicht die Werte von jedem Barkeeper in Mort City, aber zu wissen, was dieser vermutlich über die Operatives denkt, ist Gold wert.

Doch während diese große Leistung alleine durch den Stil des Buches, in Aufbau wie Sprache, geregelt ist, sind natürlich auch noch massig Fakten enthalten. Die Sektoren der Stadt werden natürlich im Detail beschrieben und um nette Informationen ergänzt, etwa war mir vorher nicht klar, dass die "Cannibal Sectors" sich langsam zum Inneren hin ausbreiten – aber eine nette Fortführung der Tumor-Analogie, die öfter im Bezug zu der Stadt gezogen wird.
Doch untypisch für eine Regionalbeschreibung werden danach eher Facetten der Stadt als ihre Örtlichkeiten beschrieben. "The Pit" etwa ist ein Nachtclub von immensem Umfang und Angebot, "Housing" beschäftigt sich mit den Wohn-Umständen innerhalb der Stadt und "A Camera's Eye view" schaut einmal auf die Welt aus der Sicht der Kamerateams. "Shiver Units" beschäftigt sich mit den weniger "glamourösen" aber nicht weniger spielenswerten Hütern der Ordnung während "Goin' Underground" mit Lower Downtown einen der furchtbares Orte beschreibt, die man Spielercharakteren vorsetzen kann. "Orienta" ist dann noch mal ein Ort von ganz anderer Qualität und beschreibt auch kurz noch die Stadt, die auf der Mort City gegenüberliegenden Seite des Planeten zu finden ist.
Eine Reihe BPNs (Aufträge für die Spieler) rundet das durchweg faszinierende Buch ab.

Selten war ich mir bei einem Quellenband so sicher, so einig: "Mort" ist ein kleines Meisterwerk, welches den Grundregeln sicher in nichts nachsteht.
Es liest sich extrem inspirierend und dabei noch spannend, steckt von vorne bis hinten voll guter und teilweise sogar innovativer Ideen und sieht zu allem Überfluss auch noch unverschämt gut aus.

Es ist momentan schwer zu kriegen, da das komplette System momentan out of print ist, aber wer es irgendwo sieht und wahlweise SLA spielt oder aber einfach nur eine wirklich faszinierende Location für sein Cyberpunk-Rollenspiel sucht, der sollte unbesehen zugreifen.
Sicher mein bester Erwerb seit langem.


Name: Mort {jcomments on}
Verlag: Wizards of the Coast / Nightfall 
Sprache: Englisch
Autoren: Roy McRonald, Morton Smith, James Lennon, Lynne Wilson, Karen Newis und Tim Dedopulos
Empf. VK.: ca. 30 US-Dollar 
Seiten: 144