LodlanD - Agenten, Händler, Sicherheit und Medien

„Gutes Rollenspiel kann man definieren als die Art des Spiels, die einer bestimmten Runde in ihrer momentanen Konstellation am mesiten Spaß macht.“
aus der Einleitung von Agenten, Händler, Sicherheit und Medien

Beginnen wir diese Rezension einmal mit zwei Binsenweisheiten, um sie sogleich zu widerlegen.
Weisheit 1: Rollenspielbände tragen stets kurze, teils prägnante, aber manchmal auch einfach willkürliche Titel, um Leute zum Kauf zu locken.
Weisheit 2: Kampagnenbände beinhalten eine mehr oder minder lose Folge von Abenteuern, die zusammen ein übergreifendes Gesamtbild ergeben.

Mit der ersten Weisheit ist schnell abzurechnen, denn der vorliegende Band heißt „Agenten, Händler, Sicherheit und Medien“. Das ist ein sehr langer Titel, der zwar auf der einen Seite, wie wir sehen werden, den Inhalt exzellenz zusammenfasst, andererseits aber auch etwas sperrig ist. Insofern werden wir „Agenten, Händler, Sicherheit und Medien“ in Folge auch AHS&M nennen.
Zur zweiten Weisheit muss man dann schon eher in die Details gehen. Denn anders als dort beschrieben, schildert AHS&M nicht einfach eine große Kampagne, sondern eigentlich derer gleich vier. Und richtig geraten, es geht um Händler, Sicherheitsbeamte, Spione und Mitarbeiter der Medien.
Das ist ein recht innovatives Konzept für einen Quellenband und hatte daher eigentlich sogleich meine Sympathie. Der Inhalt steht dem nicht wirklich in vielen Punkten nach, aber wollen wir uns erst einmal das Buch selbst anschauen.

Es ist ein Softcover von gewohnt hohem Verarbeitungsstandard, mit sauberem Druck, hochwertigem Papier und stabilem Einband. 99 Seiten bringt es auf die Waage, schwarzweiß mit Ausnahme der Innenseiten des Umschlags, die auch hier wieder zwei Schiffstypen („Taucher“ und „Bergungs-Handlares“) in Vollfarbe präsentieren.
Die Gestaltung entspricht den vom System gewohnten Bild, ist in einigen Punkten aber auch schon recht herausragend. Da ist vor allem das Cover zu nennen, das mit toller Strichführung und prächtigen Farben schon zum Frohlocken bringen kann - ein dickes Lob an Eckhard Freytag. An der Innengestaltung waren weiterhin noch Felix Mertikat, Christine Schlicht und Mia Steingräber beteiligt, liefern zwar kein mit dem Titelbild vergleichbares „Wow!“-Erlebnis ab, verleihen dem Band aber einen schönen Gesamtlook.

Viele Worte werden freilich nicht verloren, nach kurzer Einleitung befindet man sich gleich im ersten Teil, „Händler – Die Jagd nach Profit“. Zunächst werden generelle Konzepte (Freihändler, Schmuggler, Hehler, Wracktaucher etc.) vorgestellt und somit Möglichkeiten gegeben, eine derartige Kampagne am Spieltisch in die Tat umzusetzen. Neben einer recht einfachen Handhabung eines Händlerrufs dominiert dann allerdings erst einmal das neue Handelssystem das Kapitel, das mit Tabellen und diversen optionalen Regeln einfach mehr Rückhalt bietet, als rein ausgespielte Verkaufsgeschäfte. Es folgen elf kurze Abenteuerideen und, damit man direkt loslegen kann, sogar noch ein spielfertiges Abenteuer.
„Größter Händler Lods“ ist ein Abenteuer für einen Spielleiter und ein bis sechs Charaktere und bietet ganz klassisch eine Art Wettfahrt um die titelgebende Auszeichnung. Das Konzept ist dabei zwar nicht neu, die Umsetzung auf ihren knappn sechs Seiten aber durchaus gelungen.
Wer PC-Spiele wie „Schleichfahrt“, aber auch „Elite“, „Privateer“ oder „X“ mag, wird dieser Kampagnenidee sicherlich auch viel abgewinnen können.

Einen ganz anderen inhaltlichen Weg geht „Sicherheit – Auf der sicheren Seite“, das zweite Kapitel. Es werden verschiedene „Arten“ von Sicherheitskräften (exekutive Kräfte, tägliche Sicherheit, Ermittlungskräfte etc.) vorgestellt, es werden die unterschiedlichen Situationen der einzelnen Lädner diesbezüglich beleuchtet, es gibt Tipps zur Gruppenentwicklung und zur Konzeption möglicher Einsätze, Rechte und Pflichten, Ausrüstung, Tipps zur Gewinnung einer bestimmten Atmosphäre und Ausgestaltung ihrer Zukunft sowie erneut acht Abenteuerideen zur Adaption.
Das ist bereits massig Holz und obschon der Stil hier natürlich ganz anders sein würde als bei einer Händlerkampagne, so schafft es AHS&M doch, beides gleichwertig zu vermitteln. Und mit „Von Haien und anderen Fischen“ gibt es auch hier wieder ein abschließendes Abenteuer, diesmal für zwei bis sechs Spieler. Hier bekommen es die Spieler mit einem Pharmakonzern zu tun, der ein experimentelles Medikament gegen die Probleme bei der Anpassung an die atmosphärischen Bedingungen unterschiedlicher Kuppeln unter der Hand zwecks Testlauf hat heraussickern lassen.
Schöne Idee, auf fünf Seiten jedoch recht knapp umgesetzt.

„Spione – Schatten, Lügen und Intrigen“ heißt der dritte Abschnitt des Bandes und im Grunde bleibt auch hier alles beim gewohten Bild. Auf generelle Kampagnenarten folgen die Beschreibungen der Geheimdienste von Arbiträa, dem BFS, Kobe-Uppland, Liberty, Lod/RDL, der Renegades, Scientia und Stawa sowie der UNL. Abenteuereinstiege getreu dem Motto „Diese Nachricht zerstört sich in fünf Sekunden selbst...“, Fachgebiete, Ziele, ein Glossar, tragbare Ausrüstung und Sicherheitstechnik, Komplikationen, Stimmungstipps und neun Abenteuerideen, unterglieder in „Spione“ und „Agenten“, stehen ebenso bereit.
Das Thema ist ebenfalls klassisch und bedarf weniger Erklärungen als vielmehr einfach einer Anpassung an den Hintergrund, die hier gekonnt bewältigt wird.
Und selbstredend gibt es auch hier ein Abenteuer. „Falsches Spiel“ soll einmal mehr zwei bis sechs Spieler unterhalten und bietet den Charakteren die Gelegenheit, einem Softwareabteilungsleister, nachzustellen und in der Welt des Glücksspiels tiefer in eine wesentlich größere Sache hineingezogen zu werden.

Mein persönliches Highlight ist aber das vierte Kapitel gewesen: „Medien – Kamera? Läuft!“. Hier wird mal etwas weniger Verbrauchtes präsentiert, denn ganz im Stil von „Erin Brockovich“ oder im Sinne von Oliver Stones „JFK“ ist es hier möglich, als Journalisten hinter düstere Geheimnisse zu kommen oder aber auch einen „Colt für alle Fälle“ zu markieren und in Kontakt mit dem Mediengeschäft seine Abenteuer zu erleben.
Man nehme Hintergrundbeschreibungen zum Thema Medien allgemein und speziell für LodlanD, optionalen Regeln für Ruhm, Ausrüstung, erneute Tipps zur Atmosphäre, Details zui Zeitungen, Audio- und Bildschirmsendern sowie Piratensendern und man hat bereits ein ziemlich spannendes Kapitel. Dann gebe man noch neun Abenteuerideen dazu und schon kommt man kaum mehr aus dem gebannten Lesen heraus.
Den Abschluss bildet an dieser Stelle dann „Live und in Farbe“, ein Abenteuer für einen bis sechs Spieler. Auch das hat mich sehr begeistert, bietet es doch eine gleich auf mehreren Ebenen funktionierende und teils die Spieler gekonnt in die Irre führende Geschichte um einen Mord sowie eine Geiselnahme während einer von ihnen mit betreuten Fernsehsendung. Dabei gibt es gesonderte Umsetzungsideen für den RDL sowie Liberty, viel Inhalt auf scheinbar kurzen fünf Seiten, dazu noch eine größere Karte.
Das Kapitel machte bei mir direkt Lust auf‘s Losspielen, sowohl vom Quellenteil wie auch vom Abenteuer her. Absolute Pflichtlektüre für alle, die dem Thema etwas abgewinnen können.

Dazu gibt es dann noch einmal alle neue Ausrüstung in einer Liste sowie einen vorbildlichen, doppelseitigen Index. Insofern gibt es ja bisher sehr, sehr viel Positives zu dem Band zu sagen.
Der einzig wahre Nachteil an ihm erwächst aber auch direkt aus seinem Vorzug, denn die sehr unterschiedlichen Kampagnen führen natürlich dazu, dass vermutlich manch einem nicht alles gefallen wird.
Geht man von einem Optimalfall aus, so erhält man für 22,80 Euro mit AHS&M einen bombig gefüllten Quellenband, der einem mit seinen vier Kampagnen über lange Monate hinweg Material für abwechslungsreiches Spielen bietet. Aber das ist eben der Optimalfall.
Geht man dagegen vom „worst case“ aus, einem Käufer, dem nur ein Viertel des Inhalts thematisch überhaupt zusagt, wird es heikler. 22,80 Euro für 99 Seiten ist nicht gerade billig, doch die effektiv nutzbaren Seiten verringern sich bei Desinteresse für einzelne Konzepte ganz rapide. Will man etwa eigentlich nur an den Medienteil des Bandes heran, so kauft man dann effektiv etwas weniger als zwanzig Seiten zum gleichen Preis. Das ist natürlich unschön.

Man sollte also vor dem Kauf einfach einmal abwägen, ob man den vier Themen „Agenten“, „Händler“, „Sicherheit“ und „Medien“ etwas abgewinnen kann. Nickt mal bedächtig zu allen vier Themen, so kann man den Band zweifelsfrei als „voll gut“ bewerten. Mit jedem Thema aber, mit dem man partout nichts anzufangen weiß, kann man diese Wertung auch um eine ganze Note absenken, schlicht des Preises wegen.

Mir ganz persönlich hat AHS&M exzellent gefallen und auch beim Lesen viel Freude bereitet. Man muss eben nur sehr genau einschätzen, ob das gebotene Material den Spielspaß der eigenen Gruppe erhöhen kann – ganz frei auch gemäß des eingangs zitierten Spruchs.


Name: Agenten, Händler, Sicherheit und Medien 
Verlag: Image 3033 {jcomments on}
Sprache: Deutsch
Autoren: Stefan Bogdanksi, Tobias Hamelmann, Karsten Müller und André Wiesler
Empf. VK.: 22,80 Euro 
Seiten: 99