Kobolde!

Gepriesen sei König Torg!
vom Backcover von Kobolde!

Es kam für mich eher unerwartet. Da schlendert man so über die SPIEL und fragt sich, was es wohl so Neues gibt und ganz ohne Vorwarnung bleibt mein Blick am Pegasus-Stand an einem Buch hängen: „Kobolde!“
Das Spiel heißt im Englischen „Kobolds Ate My Baby!“ und ist über John Kovalics „Dork Storm Press“ erschienen. Damit passt es schon mal prima in die restlichen Kovalic-basierten Fun-Produkte aus dem Friedberger Verlag, allen voran „Munchkin“, nur ist es diesmal eben ein ‚echtes‘ Rollenspiel geworden.

„Kobolds Ate My Baby“ schlägt in eine ähnliche Kerbe wie etwa „Paranoia“, ist also gewissermaßen ein Party-Rollenspiel. Man zockt es mit Freunden just for fun, man lacht über die gewollt skurrilen Regelmechanismen und nimmt alles nicht so ganz ernst. Das ist cool, Humor gibt es eh zu wenig in der Szene.
Allerdings wurde mir beim Studium des Covers schon mulmiger. Das Buch entspricht prinzipiell der englischen „Super Deluxx Edition“ und ist demnach konsequent auch „Super-Delüx-Ausgabe“ betitelt. Wie sein Pendant aus Amerika erscheint es im Hardcover, bringt die exakt gleiche Seitenzahl von 48 auf die Waage und kostet daher, eingedenk des schwarzweißen Innendrucks bei einem Anschaffungspreis von 14,99 Euro durchaus ein ganz stattliches Sümmchen.

Das meine ich aber gar nicht, wenn ich „mulmig“ sage. Neben dem verkürzten Titel fällt vor allem ein Unterschied auf dem Cover ins Auge. Im Original rennt dort eine Mutter weg, die ihr Kind in den Armen hält. Das ist aber nicht panisch wie sie, sondern streckt naiv guckend seine Hände ihrem Verfolger entgegen: einem Kobold, schon mit einer Gabel bewaffnet, um das Kind zu futtern.
Die Mutter flieht auch auf dem deutschen Cover, das Kind ist auch auf ihrem Arm, aber durch eine Verschiebung der Designelemente greift das Kind nicht mehr nach dem Kobold, sondern nach dem „Super-Delüx“-Schriftzug.
Mir fallen jetzt auf Anhieb drei Erklärungen dazu ein: Entweder es ist Zensur, damit die Ironie, dass das „dumme“ Kind seinen Häscher greifen will, nicht mehr herüber kommt. Oder aber es ist Unfähigkeit, und die Ironie wurde nicht erkannt. Oder aber es ist Gleichgültigkeit und dem Gestalter war es einfach egal, dass er den ersten Gag des Buches gleich auf dem Cover ermordet.
Was es war werden wir wohl nie erfahren, aber ehrlich gesagt kann ich mich auch nicht entscheiden, welche dieser drei Erklärungen ich schlimmer fände. Ist jedenfalls Mist, so wie es ist.
Dass dann das „Will game for Babies“ auf dem T-Shirt eines Kobolds in Deutschland nicht nur unelegant mit „Spiele um Babies“ übersetzt wurde, sondern auch noch lieblos einfach per Bildbearbeitung darauf geklatscht worden ist, fällt da schon kaum mehr auf.

Die Innengestaltung ist mir in der deutschen Ausgabe dann tatsächlich sogar einen Zacken lieber. Wie schon angedeutet, gleichen sich die Bücher fast wie ein Ei dem anderen, jedenfalls was den Inhalt pro Seite betrifft. Da Kapitel in „Kobolde!“ aber auch selten länger als eine Seite sind, war das wohl auch nicht so schwer.
Was mir hierzulande einfach eher zusagt ist das Schriftbild, das anders als im Original auch kleine Buchstaben verwendet. Wesentlich besser lesbar.

Aber kommen wir zum Kern, kommen wir zum Inhalt. „Kobolde!“ verwendet ein narrensicheres Regelsystem, das aber kaum Erwähnung verdient. Was wichtig ist: Man merkt, dass das Regelwerk gezielt dahingehend entworfen wurde, dass es leicht von der Hand geht und möglichst zu unterhaltsamen Ergebnissen führt.
Das sogenannte BIER-Regelsystem leitet sich von den Anfangsbuchstaben der vier Hauptattribute Brutalofaktor, Irrlevantes [sic!], Ego und Reflexe ab und fasst den Stil des Buches auch schon gut zusammen; dazu aber gleich mehr.
Die Kobolde sind in Windeseile generiert, was nützlich ist, denn manchmal rafft es sie auch schnell dahin. Vor- und Nachteile (werden ebenfalls flink per W6 ausgewählt) sorgen zudem von Anfang an für eine gewisse Spieldynamik.

Doch im Grunde geht es nicht um die Regeln, es geht um die Idee – babyfressende Kobolde, okay, die ist gut – und den Humor des Buches. Und damit kommen wir zu dem größten Knackpunkt der deutschen Ausgabe: die Übersetzung.
Die Übersetzung kommt von Rainer Nagel, der ausnahmsweise einmal ohne den Doktortitel dort aufgeführt ist. Nun muss ich klar sagen: Rainer Nagel ist kein schlechter Autor. Er hat bei „Midgard“ viel bewegt, eine gute „Perry Rhodan“-Kampagne geschrieben, er hat DSA ins Englische übertragen und mich schon vor vielen Jahren durch herrliche böse Rezensionen in der seeligen „WunderWelten“ sehr beeindruckt. „Kobolde!“ dagegen hat mir auf Deutsch in vielen Punkten nicht geschmeckt.

Ich muss dazu auch sagen, dass das für mich für viele dieser Fun-Produkte in der Übersetzung gilt. Das deutsche „Munchkin“ oder der deutsche „Dork Tower“, das geht in Ordnung, aber irgendwie zünden die Brüller da für mich nie so sehr wie beim Original. Das hat auch nichts direkt mit Erstrezeptionen zu tun; „Kobolde!“ habe ich tatsächlich erst auf Englisch gelesen, als ich die deutsche Fassung so unlustig fand.
Das Buch ist dabei durchaus an sich „richtig“ übersetzt, also am englischen Wortlaut, und einige Passagen finde ich richtig gut – der Nachteil „In Heat“ ist auf Deutsch mit „Wuschig“ mindestens ebenbürtig übersetzt. An anderer Stelle schlägt dafür auch der deutsche Holzhammer durch: Das englische Wort „Brawn“ heißt eigentlich nicht „Brutalofaktor“ und der Vorteil „Voll gar nichts“ ist auch eher eine eingeschränkte Entsprechung von „Zilch“. Im Übrigen – „Edges“ und „Bogies“ ist auch netter als „Vorteile“ und „Nachteile“.
Vor allem aber finde ich ist der subtile Charme verloren gegangen. Da heißt es in der englischen Ausgabe noch „Once finished, all the players at the table vote yea or nay on allowing you back.“ Auf Deutsch: „Danach stimmen die anderen Spieler darüber ab, ob du weiter mitspielen darfst.“

Manch einer mag sich jetzt fragen, warum mir diese Feinheiten so wichtig sind und wer das ernsthaft fragt, dem kann ich nur sagen: Gratulation, vermutlich wirst du viel Spaß mit der deutschen Ausgabe des Spiels haben. Ich jedenfalls wurde bei der Erstlektüre der deutschen Fassung nie dieses Gefühl los, gerade mal wieder etwas gelesen zu haben, was im Original eine Pointe war, in der Übersetzung aber hinten und vorne nicht zündet.
Wer der englischen Sprache mächtig ist, der greife zum Original – das ist spritzig und unterhaltsam, vor allem aber lustiger als die deutsche Ausgabe. Die ist wirklich bemüht, aber der Funke wollte bei mir einfach nicht überspringen.


Name: Kobolde! {jcomments on}
OT: Kobolds Ate My Baby 
Verlag: Pegasus Press 
Sprache: Deutsch
Autoren: Dan Landis, Chris O‘Neill und John Kovalic; Deutsch von Rainer Nagel
Empf. VK.: 14,95 Euro 
Seiten: 48