Funky Colts (alter Download)

Keep Funky!
vom Backcover von Funky Colts

Heute nehme ich mir mal nicht einen Roman oder das Werk eines Rollenspielverlags vor, sondern Funky Colts. Dieses Rollenspiel erschien als erstes Produkt des Projekts Kopfkino (http://www.projekt-kopfkino.de), die noch einer ganzen Reihe von weiteren Produkten produzieren wollen.

Funky Colts (im folgenden FC) ist "Das 70er/80er Jahre Actionserien Rollenspiel", also eine spielbare Version von A-Team, McGuyver, Ein Colt für alle Fälle und dergleichen mehr. Es soll einfachen, actionreichen Spaß liefern, ohne durch viele oder komplizierte Regeln behindert zu werden. Ob dies erreicht werden konnte, werde ich im Laufe dieser Rezension herausstellen.

Zunächst fällt einmal der für ein kostenloses Fanprojekt sehr große Umfang des Werks auf. Satte 78 Seiten, wahlweise in grellen Farben (10,1 Mb) oder als druckerfreundlichere schwarz-weiße Version (5,3) auf der homepage www.funky-colts.de zu haben. Die grafische Gestaltung ist auf hohem Niveau, gerade die als Rollen bezeichneten Archetypen sind sehr stimmungsvoll und hochwertig gelungen. Derart positiv überrascht, kann man sich direkt mit der richtigen Stimmung an die Lektüre der Inhalte machen. Nach einer kurzen Einleitung darüber, was ein Rollenspiel überhaupt ist und was man bei FC so spielt, geht es direkt mit der Charaktererschaffung los. Zunächst verteilt man Punkte auf die sechs Attribute Fitness, Verstand, Wille, Geschick, Sinne und Ego. Dann einen weiteren Pool an Punkten für diverse Fertigkeiten. Bei beidem kann ein Wert zwischen eins und sechs gekauft werden. Aber bereits bei der Aufllistung der Fertigkeiten werden die ersten Probleme des Systems deutlich. Wer einen Kämpfer spielen möchte, dem reichen die Fertigkeiten Nahkampf, Fernkampf und Ausweichen, um jede martialische Konfrontation zu überstehen. Fernkampf reicht beispielsweise von der Bedienung aller Schusswaffen, von der Zwille bis zum Schiffsgeschütz. Das wären ja okay, wenn sozial aktive Charaktere ebensolche Sammlungen hätten, aber hier finden sich nur Einzelfertigkeiten wie Bluffen, Einschüchtern, Strassenwissen, Überzeugen und Verführen. Richtig knifflig wird es aber, wenn man Performance oder Wissensbereich als Fertigkeiten wählt, denn diese Fertigkeiten müssen jeweils zu einem Musikinstrument, bzw. einem Wissensbereich einzeln erlernt werden. Wir halten also fest, dass man mit Fernkampf alle Fernkampfwaffen bedienen kann, mit Performance aber beispielsweise nur eine Gitarre, obwohl beide Fertigkeiten aus dem gleichen Pool bezahlt und zu gleichen Kosten gesteigert werden müssen. Dies wird noch entscheidender, da die Fertigkeit Fernkampf wohl in jedem Abenteuer von FC sinnvoll eingesetzt werden kann (die Serien der 80er waren nunmal so!), Gitarrespielen aber vermutlich nicht. Wir haben mit Ballern eine harte, durch Regeln abgedeckten und die Prinzipien des Spiels symbolisierende Fertigkeit im Spiel, aber nur eine sehr weiche, nicht reglementierte und für das Spiel nicht wirklich relevante Fertigkeit wie Musizieren.

Grundsätzlich würfelt man bei FC mit 2w6, addiert ein passendes Attribut und eine passende Fertigkeit und versucht, mit dem zusammenaddierten Ergebnis über eine Schwierigkeit zu gelangen, die der Spielleiter festlegt. Die Würfel sind nach oben hin offen, wer also eine sechs würfelt, kann den Würfel erneut werfen und das Ergebnis auf sein bisheriges Ergebnis aufaddieren. Da die Charaktere alle Helden verkörpern sollen, die sehr viel actionreichere Aktionen unternehmen, als andere Menschen, erhalten sie Bonuswürfel, die sogenannten Funkys. Funkys verschaffen dem Spieler einen weiteren w6, den er einfach zu den anderen Würfeln seines Wurfs hinzunimmt. Jeder Charakter startet mit fünf Funkys, die er nach Belieben ausgeben kann. Leider regenerieren die sich nur, wenn man besonders spektakuläre Aktionen vollführt, was zu zwei Problemen führt. Zum einen liegt es alleine im Gusto des Spielleiters, wann er eine Aktion mit einem Funky entlohnt. Was aber zum anderen noch schwerer wiegt ist die Tatsache, dass actionreiche Aktionen nur sehr unwahrscheinlich ohne den Einsatz von Funkys funktionieren. Man könnte nun also meinen, dass man beim Einsatz von Funkys immerhin einen Funky zurückerhalten könnte, wenn man diese einsetzt, um irgendetwas sinnloses, aber cooles zu unternehmen. Dies wäre aber dann die Ausgabe von Ressource A um Ressource A zu gewinnen, also recht sinnlos. Deswegen kann man nur Funkys zurückgewinnen, wenn man für die aufsehenerregende Aktion keine Funkys eingesetzt hat, was vermutlich nur dann geschieht, wenn man keine Funkys mehr hat. Funkys können auch eingesetzt werden, um einen bereits abgelegten Wurf noch im Nachhinein zu verbessern. Es ist also rentabler, die Funkys als Retter einzusetzen, statt als Bonus für bereits bestandene Aktionen. Dadurch werden die Bonuswürfel, die eigentlich für besonders spektakuläre Aktionen eingesetzt werden sollten, nur zu einem Schicksalswürfel in gefährlichen Situationen.

Ich fasse also noch mal zusammen: FC will actionreiche, gewagte und aufsehenerregende Aktionen. Anstatt dies direkt vom System zu belohnen (wie etwa Exalted, wo es Bonuswürfel für spektakuläre Beschreibungen gibt) erschwert FC dem Spieler dies, indem die Mindestwürfe ansteigen. Um die Aktionen trotzdem ausführen zu können, wird die Ressource Funkys eingesetzt. Diese Ressource lässt sich nur durch Aktionen regenerieren, wenn Aktionen geschafft werden, die ohne den Einsatz Funkys nur sehr unwahrscheinlich zu schaffen wären. Sonderlich actionreich sind die Kämpfe leider ohnehin nicht. Zwar gibt es Regeln für Schergen, um die Horden von gesichtlosen und nicht relevanten Gegnern darzustellen, welche die Charaktere im Dutzend umlegen können, doch dauert der Kampf insgesamt viel zu lange. Dies liegt vor allem an der Fertigkeit Ausweichen, die eine aktive Abwehr von Angriffen darstellt. Hier gibt es also keinen festen Schwierigkeitswert, wie bei den anderen Proben, sondern eine vergleichende Probe. Der Angreifer würfelt mit Fertigkeit+Attribut+2w6 gegen Geschick+Ausweichen+2w6 des Verteidigers. Schergen können zwar nicht ausweichen und gelten nach dem ersten Treffer als ausgeschaltet, dennoch ergeht man sich in den Kämpfen in lange Würfeleien durch die aktive Abwehr der wichtigen Charaktere. Hier wäre ein fester und passiver Zielwert des Verteidigers viel effektiver gewesen. Nachdem man getroffen hat, verursacht man Schaden. Effektiverweise hat man auf detailierte Unterscheidungen von Waffen verzichtet und präsentiert nur wenige Kategorien von Waffen wie Nahkampfwaffe, Pistole oder Schrotflinte. Wer es gerne persönlicher haben will, der kann seine Waffe auch mit dem Vorteil "Mein Baby!" individualisieren, Sledge Hammer lässt grüßen! Der Schadenswert wird dann von dem Fitness-Attribut und der getragenen Panzerung des Charakters abgezogen, bevor er mit einer einfachen Tabelle verglichen wird. Je nach verbleibenden Schadenspunkten, erhält das Ziel entweder einen Kratzer, eine Fleischwunde oder eine Tiefe Wunde. Jeder Charakter kann vier Kratzer, drei Fleischwunden und zwei Tiefe Wunden aushalten, bevor er Außer Gefecht geht. Während ein Kratzer noch keinen Malus auf die Aktionen gibt, erhält man pro Fleischwunde einen kumulativen -1 Malus und für Tiefe Wunden je -2. Bei einer Tiefen Wunde werden nicht etwa alle vorherigen Felder ausgestrichen, sondern nur das entsprechende Feld. Man kann sich also zunächst mehrere schwere Verletzungen holen und danach weitere unsignifikante, was irgendwie... seltsam ist. Da hätte mir eine Regelung wie bei Savage Worlds oder True20 besser gefallen, wo man mit dem Schadenswurf gegen eine Zähigkeit des Ziels würfelt. Wenn dies geschafft ist, kann der Charakter dann je nach überschüssigen Erfolgen betäubt, leicht oder schwer verwundet sein, wobei jede weitere Verletzung den Gesamtzustand verschlechtert. Dies wäre nicht nur weniger bürokratisch als das Verwalten von einzelnen Kratzern, sondern würde auch viel mehr zu den behaarten Actionhelden der 80er passen, die durch Schusswunden höchstens kurzzeitig verwirrt werden konnten!

Was ich bisher übersprungen habe, sind die Stunts. Dies sind besondere Vorteile des Charakters, von denen man bei der Charaktererschaffung zwei erhält. Während einige langweilige Boni für Fertigkeiten liefern, gibt es doch einige sehr schöne Vorteile, um den Charakter abzurunden, wie etwa "Brillenträger schlägt man nicht", mit dem man immer als letztes attackiert wird und sich leichter aus einem Kampf herausreden kann. Und wo wir gerade beim Thema sind... FC hat ein System für soziale Konflikte! Jener Aspekt, der gerade von fast allen Rollenspielen fahrlässig vernachlässigt wird, wird bei FC betont. Dafür Lob und Anerkennung! Allerdings funktioniert das System des sozialen Kampfes nach einem anderen Mechanismus als der Rest des Systems. Die Kontrahenten würfeln vergleichende Proben und der Verlierer muss sich für die Dauer des Gesprächs einen Punkt aus seinem Würfelpool abziehen. Wer zuerst seinen Pool auf null reduziert, der hat die Diskussion verloren. Durch die verlorenen Punkte kann man gut simulieren, dass man in einem Gespräch die Kontrolle verliert und der eigene Standpunkt immer schwächer wird. Die Frage ist jedoch nun, wieso diese Mechanik nicht auch z.B. im Kampf Anwendung fand. Es wurde auch nicht die Option vergessen, soziale Fertigkeiten im Kampf einzusetzen, was einem wirklich interessante Optionen eröffnen kann.

Aber auch hier greift wieder ein grundlegendes Problem des Spiels, namentlich die Uneinheitlichkeit der verwendeten Mechanismen. Im Kampf erhält man einen w6 mehr Schaden für jede volle sechs Punkte, die man mehr hat als der Gegner. Wenn man einen Gegner provoziert, wieso erhält er direkt volle sechs Punkte Malus auf seine Ausweichen-Probe, bzw. noch mal drei mehr für jede vollen sechs Punkte über der Probe des Gegners? Wieso kann man mit einem gezielten Angriff den Mindestwurf erhöhen, um bei Erfolg mehr Schaden zu verursachen, wenn dies bei allen anderen Proben nicht funktioniert? Es fehlt ein grundlegender Mechanismus, der alle Proben vereinheitlichen würde. Beispiele wären, dass man die halbe oder volle Differenz der Proben direkt auf Schaden, bzw. als Malus erhält. Oder man erhöht sich wie bei gezielten Treffern den Mindestwurf, um die Erhöhung dann als Erfolg auf Schaden oder auf den Malus des Ziels zu erhalten.

Dazu gibt es dann noch ein System für Autoverfolgungsjagden, welches vor allem auf vergleichenden Würfen zwischen den Fahrern basiert und dankenswerterweise die abstrakte Einheit der Distanzeinheiten zwischen den Fahrzeugen nutzt, um Spielleiterwillkür im Stile von "Joah, du bist jetzt schon was näher herangekommen..." zu vermeiden. Die Verfolgungsjadgen ähneln ansonsten sehr dem normalen Kampf, bzw. den anderen Fertigkeitsproben. Sehr schön sind auch noch die Hindernisse, die der SL einstreuen kann, um die Fahrt für Verfolger und Verfolgten (schwieriger) interessanter zu gestalten. Das ganze, doch eigentlich sehr einfach System, wird dann noch mit einem Beispiel ausführlich erklärt. Überhaupt finden sich immer wieder erklärende Beispiele für Proben im ganzen Heft, so dass kaum Unklarheit darüber aufkommen kann, wie man die vorgestellte Regel nun anzuwenden hat.

Nach den, trotz all meiner Kritikpunkte, einfachen, intuitiv anzuwendenden Regeln, kommen wir zum Spielleiterteil von FC. Nach einer zu knappen Einführung in die Aspekte, welche die 70er und 80er Jahre ausgemacht haben, geht es an die eigene Serie, die Kampagne für FC. Interessant ist, dass man sich zunächst nur auf einen groben Rahmen einigt und auch seine Charaktere zu Beginn noch nicht weit ausformulieren soll, sondern, dass man sie (ganz wie einer Serie) erst nach und nach kennenlernt. In dem Kapitel erhält man sehr viele Anreize, seine Runde multimedial auszugestalten. So wird öfters auf einen passenden Soundtrack verwiesen und diverse Film-Techniken verwendet. Diese dienen aber eigentlich nur zur Ausschmückung und sind nicht wirklich Elemente des Spiels. Etwas komplizierter wird es bei den Flashbacks. Jeder Spieler und auch der SL können zu jedem Zeitpunkt des Spiels eben dieses unterbrechen, um einen Flashback zu erzählen. Dies können dann amüsante, tragische oder dramatische Szenen sein, welche den Charakteren mehr Leben einhauchen. Allerdings ist dies nicht in das Spielsystem integriert, indem man z.B. für einen Flashback mit einem Funky, Erfahrungspunkt (die hier Mojo heißen) oder sonstwas belohnt wird. Dazu gibt es aber auch Story-Flashbacks... dies sind Flashbacks mit Bedeutung, für die der Spieler einen bis drei Funkys ausgeben muss, um Elemente der Story zu beeinflussen. So kann man etwa bei dem Treffen mit einem NSC einen Flashback ausrufen, bei dem man kompromittierende Fotos von dem NSC und einer Drag-Queen geschossen hat, um diese dann auch tatsächlich in der Szene vorliegen zu haben. Es ist einerseits eine Art Fail-Save für Spieler, die dadurch vergessene Aspekte nachholen können, indem sie die Ressource Funkys aufbrauchen... aber andererseits liegt die Höhe der aufzuwendenden Funkys wieder im Gutdünken des SLs. Zudem kann dieser das System ausnutzen, um Spielern jede Kleinigkeit detailiert abzuverlangen ("Ihr habt nicht gesagt, dass du mit deinem Wagen gekommen bist, oder das du vor dem Haus geparkt hast. Das kostet dich einen Funky!").

Darüber hinaus liefert FC aber einige gute Tipps, um die eigene Serie zu planen und zu leiten. Auch die allgemeinerein SL-Tipps, dass die Spieler wichtiger sind als die Geschichte und dass man möglichst bildhaft beschreiben soll (und wie man dies anstellt), finden sich hier. Das SL-Kapitel weiß insgesamt überwiegend zu glänzend, auch wenn die Beispielsserien nicht wirklich zum Nachspielen anregen. Auch der Index, leider keine Selbstverständlichkeit, ist ausführlich und gut nutzbar gelungen.

Ingesamt ärgert mich FC. Es hat viele schöne Ideen und ein tolles Setting, doch leider unterstützt das Regelsystem das nur sehr bedingt. Die Regeln sind zwar einfach, leiden jedoch unter mangelnder Stringenz und Einheitlichkeit. Die Kämpfe sind zu lang und vor allem: zu langweilig. Wieso gibt es keine Bonuswürfel oder einen gesenkten Mindestwurf, wenn der Spieler neben einem Angriffswurf noch begeistert beschreibt, wie überall Einschusslöcher um den Gegner aufplatzen, sich Wagen überschlagen und Dinge einfach ohne Grund explodieren? Es gibt kein System, was actionreiche und waghalsige Aktionen belohnen würde, sondern solche Aktionen werden nur bestraft. Die besonderen Stilelemente der 70er und 80er, die platten Sprüche, die irrwitzigen Manöver und die Filmtechniken sollten viel mehr in das System integriert werden, statt sie nur als besonderen Spielstil anzusehen, den man auf ein generisches System aufsetzt.

FC würde ich sehr gerne mögen, doch leider kann mich das System wegen der im Laufe der Rezi vorgestellten Kritikpunkte nicht überzeugen.


Name: Funky Colts 
Verlag: - / Projekt Kopfkino
Sprache: deutsch{jcomments on}
Autor: Daniel Mayer & David  Grashoff 
Empf. VK.: umsonst! 
Seiten: 78