Arcane Codex
Finstere Magie
Epische Schlachten
Tödliche Duelle
Romanzen und Intrigen
Fantastische Kreaturen
Mächtige Artefakte
- vom Backcover von Arcane Codex
Optisch ist das Buch schon mal sehr, sehr angenehm.
Eine politische Karte der Spielwelt vorne und eine geografische hinten im Innencover von Tobias Mannewitz, dem Zeichnergott von z.B. Engel. Zwischen den Deckeln findet man dann noch viele weitere Zeichnungen von Marko Djurdjevic, der ja inzwischen jedem bekannt sein dürfte. Aber auch unbekanntere Zeichner legen gute Arbeit ab. Vor allem Björn Lensing hat viele Zeichnungen beigesteuert, die zwar nicht die Klasse eines Marko Djurdjevic erreichen, mir aber trotzdem gut gefallen.
Um jede Seite ist am oberen Teil ein Rahmen gezeichnet, der fein mit Drachen verziert ist. Passt gut zum Buch, zieht sich allerdings komplett durch das Buch. So kann man nicht auf einen Blick direkt die Kapitel unterscheiden. Aber was rede ich da, das Buch hat 20 Kapitel. Da kann man nicht 20 verschiedene Rahmen anfertigen…
Das Layout ist… platzsparend. Als ich auf dem Feencon zum ersten Mal in dem Buch blätterte, habe ich mich zugegebenermaßen ein wenig erschreckt. Der Schrifttyp IST klein. Für mich als sehschwachen Menschen (-5,5) abends im Bett nicht gerade hilfreich, aber, mein Gott, was bringen sie dadurch an Material unter!
Ein Problem zieht sich aber durch das ganze Buch. Dieses Buch wurde mit Word gelayoutet. Dies führte wohl zu den ganzen „Hurenkindern“. Dieser unschöne Ausdruck bezeichnet alleine stehende Überschriften. Es kommt leider relativ oft vor, das eine Überschrift ein einsames Schicksal am Ende einer Spalte fristen muss, während der dazugehörige Text sich in der nächsten Spalte vergnügt.
Was mir ebenfalls nicht ganz so positiv auffällt, ist die Anordnung einzelner Fallen, Kampfschulen oder ähnlichem. Nicht immer ist die Anordnung in alphabetischer Reinfolge, was das Nachschlagen mühsam macht.
Soviel zum optischen, gehen wir nun mal alle Kapitel durch.
Das Buch beginnt (Überraschung!) mit der Einleitung. Hier findet man das übliche „Was ist ein Rollenspiel“ und wie man es spielt. Interessant sind die Grundregeln für das Rollenspiel. Das hat nichts mit würfeln zu tun, sondern es geht um den sozialen Umgang der Spieler miteinander. „Während des Spiels wird niemand angefasst“ hat mir dabei am besten gefallen. Wenn ich das nächste Mal wieder ein Pärchen in meiner Gruppe habe werde ich darauf verweisen ;-).
Im zweiten Kapitel wird die Spielwelt Kreijor – Die Stählernen Königreiche vorgestellt. Man erfährt zunächst einmal zusammengefasst in welchem Land welches Volk lebt und wie das Wappen eines jeden Landes aussieht, welches die größten Städte der Spielwelt sind und wie die Monate genannt werden.
Dann kommen die „Erzählungen des alten Wanderers“, ein chronologischer Abriss der Geschichte Kreijors. Auf knapp 20 Seiten bekommt man 3000 Jahre Geschichte um die Ohren gehauen, von dem Auftauchen der Götter bis zum gegenwärtigen Status Quo. Die Erzählweise springt teilweise hier extrem. Wurde gerade noch die Zerstörung eines Großreiches in zwei Sätzen abgehandelt, bekommt man auf den nächsten Seiten die Lebensgeschichte eines großen Helden erzählt.
Dann folgen etwa 60 Seiten Beschreibung der einzelnen Reiche. Wie immer kann ich nur noch mal auf die unglaubliche Informationsdichte verweisen. Hier steht einfach unglaublich viel drin. Und es macht nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität, denn alle Reiche sind faszinierend. Ganz nebenbei findet man am Ende eines jeden Reiches noch eine Liste mit typischen männlichen und weiblichen Namen. Sehr hilfreich. Etwas irritierend ist allerdings der direkte Verweis auf Regeln im beschreibenden Text. Gerade ist noch von den Nebeln in einer Nekromantenstadt zu lesen, die den Verfall von Untoten verhindern und im nächsten Satz bekommt man auch schon die passende Regel dafür. Hier hätte ich mir ein kleines Kästchen gewünscht, in dem die Regeln einzeln aufgeführt und vom Text abgehoben sind.
Im dritten Kapitel finden sich auf 24 Farbseiten, 24 Archetypen, also vorgefertigte Helden zum „direkt-los-spielen“. Ein Querschnitt aus allen Rassen und Klassen, wie es sein sollte. Die Farbzeichnungen habe eine Qualitätsspanne die von „na ja“ (Kampfmagier der Sidhe) bis „super!“ (Zwergischer Dämonenjäger) reicht.
Kapitel Vier. Hier kommen die Regeln. Einfach und schnell, realistisch und tödlich. Dies fasst die Regeln eigentlich komplett zusammen. 2W10 werden zu einem Modifikator addiert und das Ergebnis mit dem Mindestwurf verglichen. Die Fertigkeitsränge und Attribute liegen zwischen 1 bis 10. Der Durchschnitt eines Attributes ist 5. Liegt man drunter oder drüber, so gibt es Boni oder Mali auf den Wert. Man kann sich seinen Wurf auch erschweren um ein besseres Ergebnis zu erlangen. Was zunächst suspekt klingt, offenbart sich als einleuchtend und passend. Mal ein Beispiel: Der Barbar Kar möchte einen Gegner mit seiner Axt treffen. Sein Fertigkeitswert beträgt mit allen Modifikationen 13, auf welchen er dann noch 2W10 addiert um zu sehen ob er trifft. Um seinen Gegner zu treffen müsste er eine 15 erreichen. Da es ja mit 2W10 nicht so wirklich schwer ist eine 2 oder höher zu würfeln, erhöht er seinen Mindestwurf um 10. Sollte er eine 25 oder mehr erreichen, so würde er auch 10 Schaden mehr verursachen. Sollte der Wurf unter 25 bleiben, so hat er nicht getroffen. Das Kampfsystem wird dadurch ziemlich schnell und vor allem tödlich. Ein Langschwert verursacht z.B. schon mal ohne besondere Boni 2W10 Schaden. Ein Lebewesen hat für gewöhnlich 6 Gesundheitsstufen, die jeweils [Konstitution des Lebewesens] Schaden aushalten. Je weiter das Lebewesen verwundet wird, desto schwieriger werden seine Aktionen (logisch, oder?). Übrigens sind die letzten beiden Verwundungsstufen „Außer Gefecht“ und „Koma“, bei denen der Charakter wenig überraschend nicht mehr handeln kann. Also kein D&D-mäßiges Weiterkämpfen bis zum Ende. Gut so :-). Nach diesem System kann man also einen Bauern endlich mal mit einem Schwerthieb töten (Grüße an DSA ;-).
Die spielbaren Rassen werden in Kapitel 5 vorgestellt. Menschen, 3 Elfenrassen (Wald-, Nacht- und Hochelfen), Feen, Zwerge, Trolle, Krask (Echsenmenschen), Halblinge und Orks. Nachtelfen haben sind nicht, wie in vielen anderen Systemen, schwarz (ja ja, die Drow haben sich unter die Erde zurückgezogen und dort ist ihre Haut schwarz geworden… klar! Muss an Kohleablagerungen liegen…) sondern eben blass, wie es normal für Leute ist, die unterirdisch leben. Feen sind etwa 40cm große, geflügelte Humanoide. Die Krask sind barbarische Echsenmenschen mit dicker Haut und einem Raubtiergebiss.
Im sechsten Kapitel kommt man dann zur Charaktererschaffung. Interessanterweise stehen die Fragen zum Charakter (hier 16 an der Zahl) direkt am Anfang statt am Ende des Erschaffungsprozesses. Ist ja eigentlich logischer und besser so, Schließlich sollte man sich zuerst Gedanken um seinen Char machen und sich erst dann auf die Werte stürzen. Die Charaktererschaffung geht erfreulich schnell und ist trotzdem komplex und sehr detailliert. In Fantasy Systemen hat man ja noch oft ein Klassen oder Berufssystem, was den Charakter oft durchschaubar macht. Bei D&D sieht ein Level 7 Krieger wohl auf der ganzen Welt ähnlich aus. Nicht so bei Arcance Codex! Durch die ziemlich freie Auswahl von Kampftechniken sowie Vorzügen und Schwächen kann ich mir meinen Charakter genau so zusammenbauen wie ich ihn haben möchte. Super! Ein ähnlich freies System kannte ich bisher höchstens aus Shadowrun.
Kapitel sieben und acht geben dann nähere Auskunft über die Attribute wie Stärke, Wahrnehmung, etc. sowie über die Fertigkeiten die zur Auswahl stehen.
In Kapitel neun kommt dann die Auflistung der Vorzüge und Schwächen des Charakters. Eine sehr interessante Ansammlung dieser Art, aber sich noch ausbaufähig! Sehr gelungen!
Dem Kampf widmet sich das zehnte Kapitel. Das grundlegende Kampfsystem habe ich ja bereits bei den Regeln beschrieben. Hier werden dann noch die verschiedenen Rüstungen und Waffen aufgeführt sowie die verschiedensten Kampfsituationen beschrieben, wie Kampf mit zwei Waffen, auf beengtem Raum, Schild angreifen, etc. Andere Systeme bringen dafür eine ganze Box raus (Grüße wieder an DSA ;-), Arcane Codex bringt da wichtigste direkt auf ein paar Seite.
Die hier erwähnten gezielten Treffer sind mal wirklich tödlich und wecken Erinnerungen an die alten Tabellen von Warhammer: das Rollenspiel.
Im elften Kapitel finden sich die Kampftechniken. Dabei sind sie das eigentlich nicht. Vielmehr ist eine Kampftechnik so etwas wie eine Bestimmung, oder eher ein Stil. Die Bardentechnik, die hier ebenfalls beschrieben steht ist ja nicht wirklich kriegerisch. Am ehesten sind die Kampftechniken mit den Disziplinen von Earthdawn vergleichbar. Die Techniken sind zahlreich (etwa zwei duzend) und sehr unterschiedlich. Ein Anwender von „Florentine“, der feinen Fechtkunst kämpft extrem anders als etwa ein „Berserker“ oder Söldner mit der „Schnitter“ Technik. Es sind auch Volksspezifische Techniken enthalten, wie etwa das exotische „Kryss“, die Kampftechnik der Echsenmenschen. Bei dieser Technik kann sich der Krask diverse Mutationen aussuchen, die seine Kampfkraft stärken, etwa schärfere Zähne, eine Chamäleonhaut oder Infrarotsicht. Einige der Techniken erhalten auf höheren Stufen quasi-magische oder außergewöhnliche Fähigkeiten, so sind z.B. die Anwender von „Stahlfaust“ nach einer Weile nicht mehr durch Rüstungen behindert.
Die Magie der Spielwelt wird im zwölften Kapitel beschrieben. Grundsätzlich steht die Magie jedem offen. Jeder Charakter (und nicht nur die Magieanwender!) besitzt „Arkane Macht“, sowie „Arkanes Potenzial“. Die Macht ist eine Form von Mana, während das Potenzial die maximal einsetzbare Zahl von Macht auf einmal darstellt. Ein sehr, sehr schönes Magiesystem. Seit Earthdawn hat mir keines mehr so gut gefallen. Allerdings kommt mit der Nutzung der Magie auch eine Gefahr mit sich. Wenn einem Anwender einer Magieschule ein kritischer Fehlschlag unterläuft (zwei Einsen beim Wurf), dann erhält er eine Schwäche, die zu seiner Magieart passt. Nekromanten werden z.B. blass oder erhalten durchschimmernde Haut, Elementaristen entfachen Feuer in ihrer Umgebung oder erschaffen Wasser in ihrer Lunge, eine Hexe erhält ein Hexenmal, etc.
Die Zaubersprüche sind sehr zahlreich, dabei aber erstaunlich sinnvoll. Dabei bietet das Arcance Codex Grundregelwerk fast so viele Zauber als z.B. das Spieler Handbuch von D&D (das hat etwa 50 mehr). Trotz der vielen Zauber sind Schadenszauber mit Eisschaden und 1W8, Schadenszauber mit Feuerschaden und 1W8, etc. selten.
In den folgenden zwei Kapiteln findet man dann noch die Priester, Schamanen und Druiden mit ihrer eigenen Art zu zaubern und ihren Sprüchen.
Das fünfzehnte Kapitel bringt Artfakte und magische Gegenstände ins Spiel. Hier sind neben üblichen Flammenschwertern und Regenerationsringen auch mechanische Konstruktionen zu finden, wie etwa das mechanische Sägeblatt (eine Art Kettensägenaxt mit herrlicher Beschreibung) oder die mechanische Rüstung für Halblinge, welche an den Holzfälleranzug der Goblins aus Warcraft 3 erinnert.
Dramatische Systeme nennt sich das sechszehnte Kapitel und enthält Tipps für den Spielleier, wie er z.B. den Ruhm der Spieler ausspielt, wie die SCs verführen oder verführt werden können, welche Fallen und Krankheiten es gibt, etc.
Auf einer Seite informiert Kapitel siebzehn dann noch darüber wie man Erfahrungspunkte einsetzen kann um Fertigkeiten, Kampftechniken und ähnliches zu steigern.
Im folgenden Kapitel, dass (der Leser mag bemerken, dass ich mir krampfhaft was zum meckern suche ;-) den seltsamen Titel „die Spielleitung“ trägt, findet der SL eine sehr gute Zusammenfassung der Aufgaben des Spielleiters. Für unerfahrene SLs ein Segen, für alte Füchse immer noch sehr interessant zu lesen, da gut geschrieben.
Abgeschlossen wir das Mammutbuch durch ein Kapitel mit antagonistischen Wesenheiten (sprich Tiere, Untote und Monster), sowie in Kapitel 20 der Ausrüstung. Den Verweis auf die Qualität der Ausrüstung hätte ich eher im Kapitel über „Dramatische Systeme“ vermutet, aber hier ist es auch ganz gut aufgehoben.
Die Macher haben sich bei vielen Quellen bedient. Bei PC Spielen wie Diablo (Knochenexplosion oder Knochengeister als Nekromantenzauber) oder Warcraft (die Begrüßung der Orks ist Lok Thar!) , genauso wie bei Rollenspielen wie D&D, Earthdawn, WoD und Warhammer. Allerdings sind nur die jeweiligen Sahnestückchen herausgenommen worden und werden in ihrer Zusammensetzung zu einer Art „Creme fraiche“ des Rollenspiels.
Der Internetsupport des Spiels ist ausgezeichnet. Unter www.arcanecodex.de findet man viel und vor allem nützliches Zusatzmaterial, wie die politische und geografische Karte der Spielwelt Kreijor, neue Kampfschulen, weitere Regeln, etc.
So… von welchem Verlag war das Buch noch mal? Nackter Stahl. Nie gehört? Kein Wunder, denn dies ist das erste Werk von ihnen. Eigentlich ein Fanprojekt. Das dieses Fanprojekt dabei praktisch alle anderen weit hinter sich zurücklässt ist sicherlich schon weiter oben klargeworden.
Ich bin schlicht begeistert von dem Buch! Hier stimmt alles: Illustrationen, Hintergrund, Regeln, Gefühl. Um mit den Termini des Systems zu sprechen: Arcance Codex ist trotz einiger kleiner Schnitzer ein Rollenspiel legendärer Qualität! Die „großen Systeme“ sollen sich warm anziehen, denn dieses Buch macht ihnen allen was vor! Wenn ich auf einer Skala von eins bis zehn eine elf geben könnte, würde das Buch von mir 11,5 Punkte erhalten!
Name: Arcane Codex
Verlag: Nackter Stahl {jcomments on}
Sprache: deutsch
Autoren:Saskia Naescher und Alexander Junk
Empf. VK.: ca. 40 Euro
Seiten: 352 s/w, 24 farbig