13

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"Besser gut geklaut als schlecht selbst gemacht", so oder so ähnlich könnte die Devise des Autors von "13" sein, bedient er sich doch großzügig bei verschiedenen anderen Systemen und tut sich auch an dem Erbe verschiedener Kulturen sowie Religionen gütlich und versucht daraus einen schmackhaften Cocktail zu mixen, inwiefern ihm dies gelungen ist und wo er noch Arbeit investieren sollte werden wir jetzt sehen.

Die Qualität des Layouts eines bilderlosen Internetdownloads zu prüfen ist natürlich vergebene Liebesmühe und so können wir uns diesmal gleich dem Rollenspiel an sich widmen.

Fangen wir einfach mit der Spielwelt an, die einem in Tagebuchform nahe gebracht wird und wie eine mystischere "Welt der Dunkelheit" anmutet, in der Engel und Dämonen auf dem Rücken der Menschen einen Jahrtausende alten Krieg ausfechten.
Doch so klar wie man beim Lesen der Begriffe Engel und Dämonen vielleicht denken möchte sind die Fronten beileibe nicht verteilt, denn für diesen Krieg gilt wie für jeden irdischen auch, dass es gut und böse nicht gibt, denn sowohl Luzifer als auch Gott sind nur darauf aus ihren Feind zu schlagen, um ihre eigene Macht zu vervielfältigen.
Und im Schatten dieser Schlacht zieht auch Gaia, die Schwester Gottes, ihre Fäden, um die Rückkehr ihrer Geliebten, vor Äonen geschlagenen Titanen zu bewirken.
So offenbaren die drei intrigierenden Streithähne, dass sie sich von uns Menschen scheinbar gar nicht so sehr unterscheiden und es bleibt die Frage, was aus Gottes und Gaias Bruder Satan geworden ist, wer nämlich glaubt, dass dieser mit Luzifer identisch ist irrt gewaltig.
So kann nur das Resümee gezogen werden, dass in diesem infernalischen Spiel wirklich nichts so ist, wie es scheint…
Dieser tobende Krieg jedoch ist auch die Quelle der Magie, welche Menschen, die erkennen, was um sie herum geschieht für sich nutzen können. Was für die frischgebackenen Magier allerdings nicht ungefährlich ist, denn kaum haben sie ihr Potential erkannt und beginnen es zu nutzen, werden sie auch schon von Dämonen und Engeln verfolgt, die mithilfe der Seele eines Magiers das Gleichgewicht zugunsten ihrer Partei verschieben wollen.
Die Magier organisieren sich in verschiedenen Gruppen, sogenannten Zünften, die meistens sehr von ihrer Kultur und ihren Glaubensvorstellungen geprägt sind, so gibt es etwa die Zunft der Roma oder die Zunft der Kelten, natürlich dürfen so populäre Magierichtungen wie die klassischen Hermetiker, die finsteren Schwarzmagier oder die gerade im 21. Jahrhundert weitverbreiteten Techno-Magier nicht fehlen.
Dies ist also die von "13" aufgebaute Kulisse, in der wir so manch spannenden Spiellabend verbringen sollen. Das Grundkonzept finde ich durchaus interessant - Engel, Dämonen und Magie sind schließlich kein verkehrter Ansatz - mehr als "Konzept" möchte ich das gelesene allerdings auch nicht nennen, denn um eine fertige, spruchreife Spielwelt zu sein, ist das Ganze noch viel zu schlecht strukturiert. Die Welt von "13" scheint mir in der Phase zu sein, in welcher der Autor alles was ihm gefällt erst einmal einbindet und schaut, was draus wird, so haben wir die unterschiedlichsten Zünfte, die eigentlich nichts gemeinsam haben, außer, dass sie eben da sind, kein Wort über die Beziehungen untereinander und wie sie zu dem Krieg stehen wird auch allenfalls einmal angedeutet. Mir werden in der Spielweltbeschreibung Gralsgeschichten und Weltverschwörungen in einem Atemzug förmlich um die Ohren gehauen ohne dass es eine zufriedenstellende Auflösung gäbe.
Alles für sich stellt sicherlich einen interessanten Stoff dar und kann durchaus auch Einzug in dieselbe Spielwelt finden, jedoch sollten sich die Autoren zugunsten der Stringenz ihrer Spielwelt mit dem Gedanken anfreunden ein paar Dinge zumindest vorübergehend zu kippen, denn so wie es Moment aussieht fehlt einfach ein durchgezogener roter Faden, es ist eine Ideensammlung, die noch an so mancher Stelle hakt: Was zum Beispiel macht einen Magier zum Magier? Es gibt auch normale Menschen, die bemerken, was um sie herum geschieht und die eben keine Magier sind, alle Archetypen erwecken in mir den Eindruck, dass jeder Magier werden kann, er braucht nur jemanden, der ihm zeigt, wie es geht, das Grundregelwerk verneint dies jedoch.
Wenn die Autoren also ihre Ideen besser sortieren und aus ihrer recht wilden Sammlung all dessen, was ihnen gefällt ein harmonisches, funktionierendes Ganzes machen, welches in sich besser strukturiert und ausformuliert ist könnte "13" eine durchaus interessante Spielwelt werden.

Kommen wir nun zu einem weiteren essentiellen Teil eines Rollenspiels: Die Regeln.
"13" ist ein W10-System, man braucht für alle Proben lediglich einen W10, mit dem man eine bestimmte Schwierigkeit unterwürfeln muss. Die Schwierigkeit setzt sich hierbei aus verschiedenen Summanden zusammen, so legt man Fertigkeitsproben gegen eine Schwierigkeit ab, die sich aus einem Attribut, einer Fertigkeit und einem vom SL bestimmten Modifikator zusammensetzt, wenn man zum Beispiel eine Wand hochklettern will, berechnet sich die Schwierigkeit, indem man "Geschicklichkeit" und "klettern" addiert, eventuell gibt es noch einen Aufschlag, wenn die Wand besonders schwierig zu erklimmen ist.
In machen Fällen, wie zum Beispiel der Magie, unterscheidet sich die Berechnung der Schwierigkeit ein wenig, aber das System der mit einem W10 zu unterwürfelnden Schwierigkeit bleibt immer gleich, wobei eine 1 im übrigen immer einen Erfolg und eine 10 immer einen Misserfolg darstellt. Ob man einen besonders guten Erfolg erzielt oder ganz böse daneben gegriffen hat, hängt vom Abstand des Würfelergebnisses zur vorgegebenen Schwierigkeit ab.
Mir persönlich gefällt das System, bei welchem es sich im Grunde genommen um ein auf einen W10 reduziertes W100-System handelt, recht gut, es ist einfach und schnell und muss sich den oft an das W100-System gemachten Vorwurf, wo denn bitte der wirkliche Unterschied zwischen 49 und 51 sei, nicht gefallen lassen, eine Skala von 1 bis 10, ist denke ich durchaus tauglich, um zu messen ob jemand gut oder schlecht in dem, was er tut, ist.
Einige Sachen verwirrten mich jedoch, so ist an manchen Stellen die Rede von Modifikatoren wie -20 und es stellt sich mir die Frage, wie diese zustande kommen, ich stelle es mir nämlich recht schwierig vor mit einem W10 einen Wert von -14 zu überwürfeln…
Die einzige Erklärung, die ich hierfür habe, ist dass "13" ursprünglich wohl mal ein W100-System war und während seiner Entwicklung auf das aktuelle System geändert wurde, bei diesem Schritt wurden dann wohl einige Reste des alten Systems übersehen. Hier sollte man das Regelwerk noch einmal sorgfältig durchgehen, um wirklich alle Reste auszumerzen.
Die Charaktererschaffung ist ein klassisches Kaufsystem, wie etwa das Storytellingsystem, man erhält 100 Punkte kann sich mit diesen ziemlich genau den Charakter zusammenbauen, den man am Ende auch spielen will, was ich persönlich sehr begrüße und einem Würfelsystem, bei dem manchmal die aberwitzigsten Dinge herauskommen, in der Regel vorziehe.
Über das Kampfsystem braucht eigentlich nicht viel gesagt zu werden, da gibt es wohl mittlerweile eine Art Standard, an dem sich auch "13" orientiert: Die Beteiligten führen in Reihenfolge ihrer Initiative, ihre Handlungen durch, Figuren mit einer besonders hohen Initiative dürfen auch mehrmals pro Runde agieren, um diesen Umstand leichter umsetzten zu können, sind die Runden noch einmal in 5 kürzere Runden unterteilt.
Die "Trefferpunkte" teilen sich dabei in drei Kategorien auf: geistigen und körperlichen Schaden, sowie Komapunkte, wobei man in jeder Kategorie über 10 Punkte verfügt. Wie man körperlichen Schaden nimmt dürfte weitesgehend klar, nämlich durch tätliche Angriffe auf die eigene Person, geistigen Schaden nimmt man, wenn man eben Angriffen auf den Geist ausgeliefert ist, was zum Beispiel durch Magie geschehen kann, allerdings auch, wenn man körperlich angegriffen wird, wodurch simuliert werden soll, dass es eben auch an meinem Geist nicht spurlos vorübergeht, wenn mich drei vermummte Gestalten krankenhausreif schlagen. Hat man alle 10 Punkte geistigen Schaden verloren, greifen weitere Verluste die körperlichen Schadenspunkte an, sind diese aufgezehrt, so bleiben noch die 10 Komapunkte und erst wenn diese ebenfalls bei 0 angelangt sind stirbt die entsprechende Person, was allerdings bei dem durchschnittlichen Schadenspotential eines Angriffes schneller geht, als man jetzt zunächst vermutet.
Das Kampfsystem ist wie gesagt Standard, wobei mir die Idee mit körperlichem und geistigem Schaden recht gut gefällt, allerdings stoßen mir einige Sachen am Kapitel "Kampf" auch sauer auf: So finde ich hier eine aberwitzig lange Liste von Kampsportarten, die alle ihren eigenen Satz an Angriffen haben, und es stellt sich mir die Frage ob wirklich jede noch so exotische Kampfsportart berücksichtigt werden muss oder ob man nicht grober unterteilen kann, denn das eine Kampfsportart effektiver ist als einfach blind draufloszuschlagen ist schon klar, aber dem kann man mit Sicherheit auch straffer Ausdruck verliehen werden, etwa durch einen unterschiedlichen Modifikator, ob der Schaden jetzt durch einen Schlag oder einen Tritt angerichtet wurde kann man dagegen in meinen Augen ruhig den gestalterischen Fähigkeiten der Spielgruppe überlassen.
Was mich weiterhin stört ist die ebenfalls recht lange Liste an Waffen, samt ihrem Potential, wie viele verschiedene Arten von Sturmgewehren man aufgelistet haben will ist sicherlich Geschmacksache, aber ich wage mal zu behaupten, dass ich keine Zahl für den Schaden eines Marschflugkörpers mehr brauche, wenn ein solcher irgendwo einschlägt wird ohnehin nicht mehr auf irgendetwas gewürfelt…
Diese Liste hätte also in meinen Augen ruhig etwas kürzer sein dürfen, wobei ich sie jedoch als weit weniger störend empfinde als die Auflistung von Kampfsportarten, die mir in dieser Ausführlichkeit wirklich ein Dorn im Auge ist.
Ein durchaus interessanter Aspekt der Regeln ist der Wert "Wahnsinn", der zunimmt, wenn die entsprechende Person besonders traumatischen Ereignissen beiwohnt und so ab einer gewissen Grenze zu vorrübergehenden oder permanenten Geisteskrankheiten führen kann. Sicher kommt einem dies sehr bekannt vor, nichtsdestotrotz halte ich diesen Wert für sehr gut, denn es gibt wenige Dinge, die mich mehr Nerven als Charaktere die beim Anblick eines Mordes oder gar Schlimmeren nur verächtlich mit den Schultern zucken.

Ein letztes wichtiges Element in "13" ist die Magie.
Diese ist in dreizehn Künste aufgeteilt, wobei das Wissen um die Kunst der Zeit allerdings verloren ging übrig geblieben sind Künste, mit denen man das Wetter, die Elemente oder gar die Seele eines anderen Menschen beeinflussen kann. Viele der magischen Zünfte haben in einigen Künsten besonders hohe Fertigkeiten entwickelt und andere dabei vernachlässigt, manche Zünfte sind jedoch auch eher Allroundtalente, die von allem etwas beherrschen, allerdings in keiner Kunst wirklich herausragende Ergebnisse erzielen.
Je herausragender der Effekt ist den der Magier, oder bei besonderen Sprüchen auch die Gruppe von Magiern, erzielen, desto schwieriger wird es natürlich, was sich regeltechnisch so äußert, dass eine Kunst in fünf Stufen unterteilt ist und mit steigender Stufe nehmen auch der Machtbereich des Magiers und die Schwierigkeit des Wurfes zu. Des Weiteren opfert der Magier mit jedem Spruch auch ein Stück seiner Seele, sprich er nimmt geistigen und eventuell auch körperlichen Schaden, je mehr man bereit ist zu investieren, desto höhere Erfolgsaussichten hat der Zauber.
Bleibt noch die Frage, wie genau der Magier seine Magie wirkt, wie er sie fokussiert. Hier hat wieder jede Zunft ihre eigene Herangehensweise, so zaubern die Hermetiker etwa durch lateinische Formeln und mystische Symbole, während die Techno-Zunft es vorzieht mit ihren Computern die Realität zu "hacken". Ein notgedrungener oder freiwilliger Verzicht auf seine Werkzeuge erschwert das zaubern ebenso wie das unterdrücken von Nebeneffekten, etwa leuchtende Manabündel, ungemein und man muss wohl bereit sein noch etwas mehr Schaden in Kauf zu nehmen, wenn man Erfolg haben will.
Das Magiesystem offenbarte beim lesen keine besonderen Schwächen, so richtig zufrieden bin allerdings auch nicht, ich habe in vielem den Eindruck, dass man sich an bestehenden System orientiert hat und dabei jedoch krampfhaft etwas neues zu bieten, so finde ich manche Einteilungen kleinlich, es hätte sicher nicht geschadet die Kunst des Wetters in der Kunst der Elemente aufgehen zulassen. Auch bin ich der Meinung, dass an einer Stelle eine schöne Chance verspielt wurde: Wenn der Magier mit jedem Zauber ein Stück seiner Seele opfert, warum drückt sich dies nur darin aus, dass er Schaden nimmt? Wenn man mit jedem Zauber ein Stück seiner selbst verliert, den Menschen um sich herum und sich selbst immer fremder und emotionsloser vorkommt, dann würde wohl das Charakterspiel einiges an Tiefe und die Magier selber noch einiges mehr an Tragik gewinnen. Das wäre ein Ansatz aus dem man etwas wirklich Schönes machen kann, in der Form wie es im Moment implementiert ist, erachte ich es, wie bereits erwähnt, als verpasste Chance.

Ein Fazit ziehe ich diesmal nicht in Form einer Note, da es sich hier um ein freies Rollenspiel handelt, welches sich wohl noch in der Entwicklung befindet, ich muss jedoch ehrlich zugeben, fertig gebunden im Regal liegend, zu einem handelsüblichen Preis für ein Grundbuch zu erwerben würde "13" in mir keinen Käufer finden, dafür stört mich einfach zuviel.
Die Kampfregeln werden durch die ellenlange Liste mit so wichtigen und weit verbreiteten Kampfsportarten wie "Krav Mega" oder "Hapkido", die allesamt einen eigenen, verschieden gewichteten Fertigkeitensatz aufweisen unnötig in die Länge gezogen, viel schwerwiegender jedoch finde ich die Spielwelt, die für mich im Moment nicht mehr als ein wildes Konglomerat an Ideen, die unter einem Überbau zwangsvereinigt sind, mir fehlt ein roter Faden, es stecken viele tolle Ideen darin, aber in der aktuellen Umsetzung fühlt sich die Spielwelt für mich einfach nicht lebendig, nicht stimmig an, ich denke nicht "Hey, hier möchtest du mal spielen".

"13" weiß mich schlicht nicht zu faszinieren, was man aber mit ein paar kleinen und großen Verbesserungen vielleicht ändern könnte.