Engel - Traumsaat
Ich, Fra Domenico, untergebenster Diener der heiligen Angelitischen Kirche, habe diese Documentatio im besten Wissen nach meinen Erfahrungen angefertigt, ungeachtet der zeitlichen Abfolge unserer Begegnung mit allerlei Traumsaat und sonstigem Gezücht.
vom Backcover von Traumsaat
Ich glaub' ich werd' nicht mehr! Bereits nach dem ersten, flüchtigen durchblättern stand fest, dass die Layoutwertung nur "sehr gut" sein kann. Nie habe ich ein Rollenspielprodukt in den Händen gehabt, das mit soviel Liebe gefertigt wurde. Fast ehrfürchtig blättere ich durch die stilvoll vergilbt erscheinenden Seiten und bestaune die Zeichnungen des Monstermalers Fra Domenico, in unserer Welt unter dem Namen Jean Linnhoff bekannt, auch die Karte von Tobias Mannewitz ist wunderschön. Die Detailverliebtheit geht bis zur Auswahl des Papiers, sodass die Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit fast zu schwimmen beginnt und man am Ende wirklich glauben könnte man liest hier in den Tagebüchern des Fra Domenico und nicht in einem Quellenbuch. Dieses phänomenale Werk übertrifft alles, was ich bisher gesehen habe inklusive des eigenen Grundbuches; das ist nicht mehr "nur" sehr gut, das ist "herausragend", einsame Spitze! Ich bin gespannt ob man dieses hohe Niveau in zukünftigen Publikationen halten können wird und ich war gespannt ob der Inhalt des Buches mit seiner Optik mithalten kann.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, er kann.
"Traumsaat" ist ein mustergültiges Beispiel dafür, wie man ein Quellenbuch stilgerecht und stimmungsvoll aufmachen kann, denn wenn ich es auf seinen Kern reduziere, habe ich im Endeffekt ein simples Monsterkompendium vor mir, damit täte ich ihm allerdings in höchstem Maße unrecht.
Einem Roman gleich, studiert man hier die Aufzeichnungen des Fra Domenico, der vom Pontifex Maximus zusammen mit dem Kartographen Fra Hieronymus und dem Armatura Bran ausgesandt wurde, um die widerliche Traumsaat zu erforschen, damit man anhand ihrer Beobachtungen wichtige Erfahrungen machen kann, um das Gezücht des Herrn der Fliegen letzten Endes überwerfen zu können.
Denn Dreien zur Seite steht eine wechselnde Reisegesellschaft, die mal aus Templern und Trägern, mal aus Seefahrern und einmal sogar aus Brandlandführern besteht, letzten Endes, aber sind die drei namentlich genannten Personen, so etwas wie die Protagonisten dieses Quellenbuches.
Die Drei begegnen der Traumsaat in all ihren schrecklichen Erscheinungen; zu Lande, zu Wasser und in der Luft agieren die fürchterlichen Dämonen. Es wird uns erzählt von riesigen Leviathanen, von stubenfliegengroßen Biestern, von widerwärtigen Konstrukten, dutzende Erscheinungsformen, doch alle sind sie gefährlich, alle tödlich.
So wohnen wir dem Untergang eines Lagers der Templer bei, dass von den grauenhaften Kreaturen überrannt wird, sehen unglaubliche Geschöpfe und folgen dem Monachen schließlich in das Herz des Grauens…
"Traumsaat" ist viel mehr als ein Kreaturenband, hier wird mir nicht Monster um Monster an den Kopf geworfen, hier wird eine Geschichte erzählt. So gehen die Ereignisse nicht spurlos an den Protagonisten vorbei, was den Tagebucheinträgen und besonders den handschriftlichen Anmerkungen des Monachen sehr schön zu entnehmen ist, der Autor verliert sich jedoch auch nicht in seiner liebevollen Beschreibung der Reise und präsentiert uns einige der großen und kleinen Ungeheuer, die sich, wie bereits gesagt, eben nicht stupide die Klinke in die Hand geben, sondern von denen jedes einen kleinen Höhepunkt der Geschichte darstellt.
Doch das Buch geht über bloße Traumsaatinformationen hinaus; man erhält interessante Einblicke in die Weltanschauung des Monachen, mit seinem etwas verklärtem Menschenbild und erfährt auch hautnah wie eine Brandlandexpedition aussieht.
Darüber hinaus gelingt es auch hier, wie in den übrigen Produkten, den mystischen Flair, der "Engel" auszeichnet, zu erzeugen und so wirft auch "Traumsaat" bei allen Fragen die es beantwortet wieder neue auf, zum Beispiel wenn der mysteriöse Wanderer aus dem "Pandoramicum" wieder auftaucht, oder auch die Brutmutter. Ist sie wirklich der Ursprung der Traumsaat? Ist sie der Vorhof zur Hölle oder eine uralte Maschine aus der Zeit Davor? Das wissen allein der Herr und sein Widersacher… Eine der großen Stärken des Systems, nämlich die Fangemeinde über das Lesen und Spielen hinaus zu beschäftigen und zu Diskussionen anzuregen, welche in verschiedenen Foren aufbranden und ein Spiel lebendig halten, wird also auch hier wieder ausgespielt.
Nach den Erzählungen des Fra Domenico finden sich noch zwei kurze Kapitel, von denen sich das erste mit dem einbauen der Traumsaat in eine Chronik beschäftigt und Tipps gibt, wie man sie in seine Erzählung einbaut, damit sie die Spieler auch mit dem nötigen Schrecken erfüllen.
Das zweite Kapitel ist hauptsächlich für diejenigen gedacht, die "Engel" nach D20-Regeln spielen und führt für diese alle Kreaturen, die man in Regeln pressen konnte, mit ihren Spielwerten tabellarisch auf. Für den D20-Spieler wohl unverzichtbar, für den Arkana-Spieler eine Dreieingabe, die er mit Sicherheit mal kurz begutachten wird, der er aber darüber hinaus kaum Achtung schenken wird…
Als Fazit bleibt festzuhalten:
Die "Traumsaat" ist ihr Geld auf alle Fälle wert, wäre das schon allein als Artbook! Doch auch der Inhalt weiß mehr als nur zu überzeugen, ich habe hier das Quellenbuch vor mir, an dem sich nicht nur zukünftige "Engel"-Produkte messen müssen, sondern dessen liebvolle Gestaltung und Umsetzung auch für andere Verläge ein leuchtendes Vorbild sein sollte.
Die Meßlatte für ein "sehr gutes" Quellenbuch liegt ab heute verdammt hoch!
Name: Traumsaat
Verlag: Feder&Schwert
Sprache: deutsch{jcomments on}
Autoren: Oliver Graute
Empf. VK.: 22,95 Euro
Seiten: 120 Seiten