Engel - Die Chroniken der Engel
In einer Zeit, die weit in der Zukunft liegt, ist die Erde zum gigantischen Schlachtfeld der Mächte von Gut und Böse geworden. Gewaltige Fegefeuer brennen dem Planeten ihr dunkles Zeichen ein, und die Streiter des Einen führen einen scheinbar aussichtslosen Kampf gegen die unheilbringenden Kreaturen des Herrn der Fliegen - die Traumsaat.
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vom Backcover von Die Chroniken der Engel
Von außen wirkt das kaum geschmückte Grundregelwerk sehr schlicht und dabei gleichzeitig durch den matten Glanz der bronzenen Grundfarbe, sowie die eigene, sakral anmutende Schrifttype sehr edel, beinahe wie eines der alten Bücher, aus der Kirchenbibliothek, wodurch die Grundstimmung des Spieles zum einen gut eingefangen wird und wodurch der Leser dieses Grundregelwerk zum anderen mit einer gewissen Ehrfurcht durchblättert, denn insgesamt hat das Buch eine Ausstrahlung als ob es ein wenig mehr wäre als nur ein Rollenspiel…
Auch das innere Layout ist durchaus beeindruckend, die konsequente Nutzung der eigens für "Die Chroniken der Engel" erstellten Schrifttype schafft schon beim Lesen des Buches eine besondere Atmosphäre und die Zeichnungen sind ebenfalls alle auf sehr hohem Niveau. Es sollte noch erwähnt werden, das ein recht eigentümlicher Zeichenstil verwendet wird, der etwas "kantiger" wirkt als man es gewohnt ist, der jedoch durchaus zu gefallen weiß und dem Spiel einen ganz eigenen, unverwechselbaren Touch verleiht.
Doch genug über Äußerlichkeiten geredet, kommen wir zum eigentlichen Inhalt, also zum Spiel selbst:
"Die Chroniken der Engel" werden im Jahre 2654 geschrieben und die Welt ist eine ganz andere als die, in der wir heute leben. Eine merkwürdige Krankheit, "Veitstanz" genannt, hatte Europa mehrmals heimgesucht und alle Erwachsenen getötet, es war also an den Kindern eine neue Zivilisation zu errichten. Der ungeheure Aderlass an Wissen, der jedes Mal mit dem Sterben der Erwachsenen einherging hatte jedoch seine Folge und die, von den, plötzlich in die Verantwortung genommenen, Kindern, errichtete Zivilisation erreichte, über einige Zwischenstationen, mehr das Niveau des Mittelalters als das unserer heutigen Demokratie, weshalb auch der äußerst treffende Begriff des "Neo-Mittelalters" angewandt wird. Die große Macht in diesem neuen Zeitalter hat die angelitische Kirche inne, auch wenn sie sich erst gegen einige andere Machtgruppen durchsetzen musste, was ihr schließlich jedoch mit dem Auftauchen der Engel gelang.
Doch damit nicht genug, von der zivilisatorischen Umwälzung einmal abgesehen wurde Europa noch von weiteren Katastrophen heimgesucht, hier wären insbesondere die sogenannten "Fegefeuer" zu erwähnen, riesige, kilometerhohe Feuersäulen, die sich unaufhaltsam durch das Land schieben und die das gefährliche Brandland hinter sich herziehen, aus dem sich die widerliche Traumsaat, die Armee des "Herrn der Fliegen", erhebt und die Menschheit bedroht.
Dies sind die groben Rahmenbedingungen der Spielwelt, in welcher die Spieler die Rolle der Engel übernehmen, deren vornehmlichste Aufgabe die Bekämpfung der dämonischen Traumsaat ist, die jedoch auch ausrücken, um andere Feinde der Kirche den gerechten Zorn Gottes spüren zu lassen.
Die Spielwelt ist vorbildhaft beschrieben, zunächst wird einem die Geschichte bis zum Spielzeitpunkt durch die Erzählung eines Monachen, eines Mönches, dessen, teilweise stark von der Propaganda der angelitischen Kirche geprägten, Ausführungen durch die Anmerkungen eines Kritikers immer wieder etwas in Zweifel gezogen werden, nahe gebracht.
In der Folge wird aufgezeigt wie sich das katastrophengebeutelte Europa im Jahre 2654 verändert hat, denn die Fegefeuer und eine große Sintflut haben deutliche Spuren hinterlassen, so hat sich die Landmasse erheblich verringert, Köln ist beinahe eine Küstenstadt und das Klima hat sich ebenfalls drastisch verschoben: In Zentraleuropa herrscht subtropisches Klima, das Hauptnahrungsmittel ist Reis, während sich in der Nähe der Fegefeuer weite Steppen- und Wüstenlandschaften erstrecken.
Abgeschlossen wird die Beschreibung der Spielwelt durch die Darstellung der angelitischen Kirche, die zwar vieles mit unserer heutigen katholischen Kirche gemein hat, die sich jedoch ebenso oft unterscheidet, so zählt Jesus Christus nur als ein Prophet unter vielen, dafür beruht ein Großteil des Machtanspruchs der Angelitischen Kirche, wie der Name bereits andeutet, darauf, dass ihr die Engel zur Seite stehen.
Wie bereits erwähnt ist die Beschreibung der Spielwelt sehr gut gelungen und die Welt selber bietet gute Vorraussetzungen um spannende Geschichten zu erzählen, nur übernehmen die Spieler, die denkbar undankbarste Rolle in ihr: Die einer Engelschar.
Eine Schar besteht aus 5 Engeln die den 5 Engelsorden zugeordnet sind: Der Orden der Michaeliten, der Orden der Gabrieliten, der Orden der Ramieliten, der Orden der Raphaeliten und der Orden der Urieliten. Jeder von ihnen nimmt in der Schar eine bestimmte Position ein, so ist der Michaelit der Anführer und Taktiker, während der Gabrielit den Krieger der Gruppe darstellt, somit bildet eine Engelschar im Endeffekt eine Art himliches Sondereinsatzkommando.
Warum aber ist diese Rolle undankbar? Dies differenziert darzustellen würde die Pointe des Spieles verraten, weshalb ich gezwungen bin ein wenig um den heißen Brei herumzureden; sagen wir es einmal so: Den Engeln liegt eine gewisse Tragik zugrunde, die, einmal ans Tageslicht gebracht, einen nicht mehr zu überbietenden Wendepunkt im Verlauf einer Chronik darstellt und die es für die Spieler profaniert, gar langweilig macht in Zukunft einen Engel zu spielen.
Diesen, nicht nur von mir vorgebrachten, Kritikpunkt muss sich die Spielwelt gefallen lassen, aber bis es zur Aufklärung der oben erwähnten Tragik kommt sind ohne Zweifel spannende und unterhaltsame Spielabende möglich.
Das wahrhaft ungewöhnliche an "Die Chroniken der Engel" dürfte für viele jedoch das Regelsystem sein, oder besser: Die Regelsysteme.
Zum einen wäre da das von "Feder&Schwert" eigens für dieses Spiel entwickelte Arkana-System, das auf den ebenfalls eigenentwickelten Arkana-Karten beruht. Die Karten erinnern entfernt an ein Tarotkartendeck: Jede Karte zeigt ein bestimmtes Motiv und zwei damit verbundene Bedeutungen, welche der Beiden gültig ist hängt davon ab mit welcher Seite die Karte aufgedeckt wird, so hat zum Beispiel die Karte "die Kirche" die Bedeutungen "Nachsicht" und "Strenge". Wenn in anderen Spielen also die Würfel rollen, soll hier eine der Karten gezogen werden und ihre Bedeutung, ähnlich einer Reizwortgeschichte, in die Erzählung eingewoben werden.
Viele werden jetzt die berechtigte Frage stellen, was denn sei, wenn die gezogene Karte beim besten Willen nicht zu dem Ereignis passt, dessen Ausgang bestimmt werden soll und auch ich habe mir diese Frage lange gestellt, weshalb diese Kritik erst jetzt, nach diversen Testspielen, aus meiner Feder fließt und nicht schon vor Monaten. Zunächst einmal möchte ich konstatieren, dass es sehr selten passiert, dass Karte und Ereignis nicht zusammenpassen, denn jede Karte besitzt noch mehrere Nebenbedeutungen, die sich im Buch auf Seite 187 ff finden und eine dieser Bedeutungen lässt sich meistens einbinden, sollte die Gruppe jedoch mit keinem der Begriffe etwas anfangen können ist es sicherlich kein Beinbruch einfach eine neue Karte zu ziehen und wenn alle Stricke reißen lässt sich die Karte immer noch als W2 missbrauchen: Eine positive Bedeutung bedeutet einen Erfolg, eine Negative dementsprechend einen Misserfolg.
Das Arkana-System weiß durchaus zu gefallen und gehört bestimmt zu den originellsten Entwicklungen der letzten Jahre, auch wenn einige Veteranen jetzt laut "Everway" rufen werden, so ist diese Art des Spiels doch wesentlich unverbrauchter als die guten alten Würfel. Des weiteren halte ich die Deutung der Karten und Einbindung ihrer Bedeutungen auch für eine sehr interessante rollenspielerische Herausforderung; die Art und Weise, wie sie das pure Erzählen fördern kommt mir ohnehin sehr entgegen und forciert in meinen Augen eine Art des Rollenspiels, die mit den Würfeln zwar auch, aber nur wesentlich schwieriger zu erreichen ist. Ich bin mit dem Arkana-System hochzufrieden und werde sie den "Alternativen Regeln" jederzeit vorziehen.
Diese sind im übrigen die D20-Regeln, nach der Open Gaming Licence (OGL), zu denen ich wohl nicht viel sagen muss, da sie wahrscheinlich jedem Rollenspieler bekannt sei dürften, dennoch noch einmal das Gröbste: Es handelt sich um ein auf dem W20 basierendes Würfelsystem, das ursprünglich für "Dungeons&Dragons" entwickelt wurde sich aber zu einem Universalsystem mauserte, das hierfür aber in meinen Augen viel zu starr und unflexibel ist, so fängt es auch die Atmosphäre von "Engel" nur unzureichend ein. Eine Einschätzung, die wohl auch "Feder&Schwert" teilt, kein Kapitel in diesem Grundbuch ist so lieblos zusammengeschustert wie das über die alternativen Regeln, diesen Wust aus Zahlen und Tabellen will kaum ein Mensch lesen und man gewinnt den Eindruck dies sei auch durchaus beabsichtigt, ärgerlich hierbei ist allerdings, dass sich die Mächte, die übernatürlich Fähigkeiten, der Engel nur in diesem Kapitel befinden.
Wie überlegen das Arkana-System, zumindest in Bezug auf "Die Chroniken der Engel", der OGL ist zeigt sich sehr gut an den unterschiedlichen Charakterbögen: Wo im Arkana-System Erscheinung, Vorgeschichte, Mächte und ein paar vom Spieler zusammengestellte Besonderheiten vermerkt werden bevor es losgeht, finde ich auf dem OGL-Bogen die Berechnungsformeln für Rettungswürfe und Rüstungsschutz, deren Einzelheiten ich mühsam aus den im entsprechenden Kapitel zu findenden Tabellen herausklamüsern muss, außerdem ist mir das einfach ein "zuviel" an Spielmechanismen, ich bevorzuge ehr das unkomplizierte drauflos Erzählen und muss nicht für jeden Fall eine Regel oder einen Würfelwurf parat haben, ich lasse da lieber den gesunden Menschenverstand regieren.
Für welches der beiden vorgeschlagenen Systeme man sich entscheidet oder ob man einen Mittelweg zwischen beiden beschreiten ist natürlich letzten Endes jedem selbst überlassen.
So, nun ist es in altbekannter Manier mal wieder soweit ein Fazit zu ziehen:
Ich kann "Die Chroniken der Engel" eigentlich nur jedem ans Herz legen, es handelt sich hierbei, um ein wunderschönes System, das zwar ein paar kleiner Schönheitsfehler hat, diese können einem jedoch nicht wirklich den Spaß verderben können, sondern lediglich die Wertung "sehr gut" verhindern und dieses kleine Minus dahinterzaubern.
Trotzdem sei hiermit eine uneingeschränkte Kaufempfehlung ausgesprochen.
Name: Die Chroniken der Engel
Verlag: Feder&Schwert
Sprache: deutsch{jcomments on}
Autoren: Oliver Graute, Oliver Hoffmann
Empf. VK.: 37,95 Euro
Seiten: 271 Seiten