Midgard - Meister der Sphären

Das Meister der Sphären ist zum einen Quellenbuch, das einen Eindruck von den Denkweisen und Vorstellungen der Zauberer Midgards gibt, zum anderen Teil des Regelwerks von MIDGARD, dem Fantasy-Rollenspiel, mit Informationen rund um Beschwörungen und Reisen zu anderen Welten.
vom Backcover von Meister der Sphären

„Er ist wieder da!“
Wer hier schon etwas länger mitliest, der weiß vielleicht um meine unbändige „Liebe“ zu den Frontcovern aus der Zeichenfeder von Werner Öckl, über die ich mich schon manches Mal aufgeregt habe. Jetzt dachte ich, man hätte in der Midgard-Redaktion den Kerl für Cover endgültig ad acta gelegt und wurde alsbald eines Besseren belehrt, als der neueste Quellenband des Spiels, „Meister der Sphären“, bei mir eintrudelte.
Das Buch kommt dabei ihn gewohnter Form daher, also als Hardcover mit farbigem Umschlag und schwarzweißem Innenteil, stabil gebunden und kräftig gedruckt, formvollendet von diesmal nicht einem, sondern gar zwei Lesebändchen.
Doch das Titelbild ist eine Rückkehr zu ganz dunklen Tagen. Eine nur bedingt bekleidete Frau mit arabisch anmutender Kleidung rückt pflichtschuldig ihren Oberkörper in Szene, während dahinter offenbar He-Man in Magierrobe zum Werke schreitet. Umkreist werden sie von einigen gigantischen Seifenblasen, so jedenfalls mutet es an; in einer ist ein Märchenschloss zu sehen, in einer ein Monster, aus der dritten – da bricht gerade eine Art geflügelter Dämon heraus.
Das Cover ist für mich ästhetisch geradezu ein Relikt aus lange vergessenen Tagen der Rollenspiel-Illustration, denen ich nicht gerade nachgetrauert hätte.
Die Innen-Illus gehen dafür in Ordnung, wenn der Stil auch ganz gewaltig zwischen extremster Comic-Zeichnung (etwa auf S. 240), Detailverliebtheit (beispielsweise S. 143) und retro-haftem Lineart (man nehme S. 276) angesiedelt ist.

Ich muss allerdings auch zugeben, nicht nur visuell hatte mich „Meister der Sphären“ zunächst verwirrt. Es ist ja nun nicht so, als wären in „Das Arkanum“ nicht schon mehrere hundert Seiten zum Thema „Magie in Midgard“ zu lesen gewesen, aber tatsächlich ist der Fokus hier ein ganz anderer. Das Buch gliedert sich in drei Sinnabschnitte, deren erster titelgebend auch „Meister der Spähren“ heißt und bereits etwas weniger als die Hälfte des Buches einnimmt.
Er verdient aber ohnehin einen Sonderstatus, denn es ist ein aus der Spielwelt stammender Quellentext des valianischen Magiers Kerimon Casonubal, der diverse Oberthemen wie das Universum oder auch die Magie an sich mit Spielwelt-Theorie unterfüttert.
Dieser Teil ist seinerseits in vier Sinnabschnitte unterteilt: „Rosch-unnus: Über den Aufbau des Multiversums“, „Rosch-dennos: Über das Leben in den Sphären“, „Rosch-ternus: Über die Grundlage der Zauberei“ und „Rosch-tetrus: Über das Reisen zu fernen Welten.“
Wie man das so von Intime-Quellentexten kennt, bietet das Buch an diesem Punkt viel pseudowissenschaftliches Blabla und einige wirklich schlimme Termini, allen voran das Empyrëum. Das ist gewissermaßen das Midgard-Äquivalent zum real-alchemischen Konstrukt „Äther“ als alles durchdringendes Medium. Erstaunlich ist aber, dass es den Autoren durchaus gelungen ist, diesen langen Abschnitt mit allerlei Kniffen lesenswert zu halten. Nicht zuletzt durch geklaute Zitate und Paraphrasen vieler realweltlicher Denker sind hier echt einige nette Punkte zusammengekommen und wer auf solche Themen steht, wird an der ersten Hälfte des „Meister der Sphären“ viel Freude haben.

Der zweite Abschnitt hat mit fast 100 Seiten einen vergleichbar großen Umfang und wurde „Das Inkantatium“ getauft. Hier bekommt man Sphärenreisen und Beschwörungen, vom einfachen Dämonen bis hin zu Untoten, noch mal von der spieltechnischen Seite aus präsentiert. Keine großen Überraschungen oder Innovationen an dieser Stelle – bestehende Mechanismen wurden eben nur entsprechend ausgebaut. Hier finden sich dann auch doch noch mal diverse neue Zauber, eben für alle Teilbereiche des großen Oberthemas „Beschwörungen“.

Es verbleibt der dritte Abschnitt, „Das Sphärenbestiarium“. Da ist recht exakt das drin enthalten, was man erwartet: 16 Seiten Dämonen, 24 Seiten Elementarwesen, zehn Seiten „spirituelle Geschöpfe“ und eine Hand voll Kreaturen des Empyrëums. Hier ist klar zu bemängeln, dass vielen Kreaturen keine Illu beigestellt wurde und dass, wo sich dann hier mal Illustrationen hin verirrt haben, oft der Bezug zum beschriebenen Wesen nur bedingt gegeben ist. Sehr schade.
Die angebotenen Kreaturen sind nett und dabei mal mehr, mal weniger einfallsreich. Besonders angetan haben es mir eigentlich vor allem die Kreaturen des Empyrëums, auch wenn es nur drei sind. Aber alleine die Weberin ist freakig genug, um daraus ganze Abenteuer bauen zu können.

Es geht dem Buch dann noch ein Appendix nach, der die Welt Myrkgard beschreibt. Da das umfangreiche Quellenbuch dazu ja aus Fanwerk kompiliert wurde ist es ganz nett, das damit auch mal ein „Grundregelbuch“ diesem netten Konzept ausreichend umfassend Rechnung trägt.
Ebenfalls zu den Appendizes zählen eine sehr stattliche Abkürzungsübersicht sowie ein ebenso umfangreiches wie nützliches Glossar, für alle, die sich auch nie merken können, was noch mal Animanekroi als eigene Untergruppe der Ezonekroi qualifiziert hat. Dreieinhalb Seiten Index runden das Buch dann ab.

Ob man in seinem Buchregal einen Platz für „Meister der Sphären“ einplanen sollte, kann man an zwei einfachen Fragen festmachen: Hat man vor, tiefer in die Intime-Magie-Theorie von Midgard einzusteigen? Hat man vor, in Zukunft mehr mit Sphären, Multiversen und Beschwörungen außersphärischer Wesen zu arbeiten?
Kann man auch nur eine dieser beiden Fragen getrost mit „Ja“ beantworten, dann ist die Formel einfach: Man muss „Meister der Sphären“ haben. Wem es jetzt nur darum geht, das Arsenal seiner Spruchschleuder noch etwas aufzustocken, der sollte dagegen innehalten und in den Band im Laden erstmal hineinschauen. Ich fand das Buch sehr unterhaltsam und gut, aber zum erfolgreichen Spielen einer Kampagne braucht man „Meister der Sphären“ sicherlich nicht.


Name: Meister der Sphären 
Verlag: Pegasus Press {jcomments on}
Sprache: Deutsch
Autoren: Jürgen E. Franke, Gerd Hupperich und Peter Kathe
Empf. VK.: 29,95 Euro 
Seiten: 304