Midgard - Der Weg nach Vanasfarne

Auf der Reise durch Alba und die Jahreszeiten erleben Sie eine bunte Mischung von Abenteuern, die für das Land der Clans typisch sind.
vom Backcover von Der Weg nach Vanasfarne

Hui, die letzte Rezi zum Themengebiet Midgard liegt ja nun echt schon lange zurück … Zeit, dies gerade im Zuge unserer neuen "Rezi der Woche"-Politik mal schnell wieder aufzuholen.
Und wo fängt man da am besten an, wenn nicht direkt mit dem Anfänger-Abenteuer (na gut, die Grundregeln wären auch gut, aber alles der Reihe nach…), respektive dem Anfängerabenteuersammelband.

"Der Weg nach Vanasfarne" dürfte die erste reguläre Veröffentlichung zur aktuellen, neuen Midgard-Edition abseits der Regelhardcover darstellen und richtet sich daher eben auch direkt an die Zielgruppe der Neuankömmlinge.
Das Konzept des Bandes ist dabei recht gut gedacht, denn die drei Abenteuer können nicht nur in Reihe gespielt werden, sondern umfassen dazu noch einen Jahreslauf, so dass man eben ein Abenteuer im Winter spielt, Frühling und Sommer in Szenario zwei verbringt und das alles in Abenteuer drei, im Herbst, seinen Abschluss findet. Klingt soweit ganz gut, aber wir fangen wohl dennoch vorne an.

Da ist nämlich zunächst einmal das Cover. Buch- und Rückengestaltung wurde, so gehört sich das ja auch, natürlich an die neue Edition angepasst, was heißt, dass der altbekannte Rand dem grünfelsigen Design der aktuellen Ausgabe weichen musste - was gut so ist, sieht der Band so doch gleich einen Tick ansprechender aus.
Das Cover leider nicht. Drei Helden, Krieger, menschgroßer Zwerg und beinfreie Magierin, stehen dort in Reih und Glied, wobei der Krieger noch Schwert und Dolch schwingt, der Zwerg nur einen Dolch hat und die Magierin lilafarbene Dinger schießt. Auf Ratten. Riesige Ratten.
Und im Hintergrund verstecken sich zwei eingefallene Gestalten, ich tippe auf Bauern, Zombies wären aber rein optisch auch drin, im Schatten einer oder ihrer Kneipe, die Kunden stilvoll mit einem komischen Meerjungfrauenschild locken soll.
Es ist der übliche Verdächtige, Werner Öckl, Mr. "Midgard-Cover" sozusagen, denn ich glaube nicht dass es seit langem ein Buch gegeben hat, wo er das Cover nicht zeichnen dürfte … leider kann man über Stil und Geschmack nun mal streiten, mir jedenfalls sagt es nicht so zu.
Innen geht das wenig berauschende optische Werk allerdings weiter, man fühlt sich ein bisschen wie in einem alten Buch gelandet. Druck und Papier (glänzend!) sind zwar gewohnt erstklassig, aber sonst mangelt es an vielem. Die Seiten wirken, nur mit einer Kopfzierleiste, ohne gestalteten Rand, irgendwie sehr leer, die Illustrationen sind "gut, aber nichts Besonderes" bis hin zu einer Sub-Fanzine-Qualität.
Die Karten, im momentan so beliebten (und auch gut aussehenden) isometrischen Pseudo-3D-Stil sehen noch gut aus, die Handouts am Ende sind aber einmal mehr normale Texte in Windows-Standard-Handschriften in eingrenzenden schwarzen Kästen - sorry, aber auch das hat man schon besser gesehen.
Der Fairness halber sei gesagt, dass in dem nächsten Abenteuersammler ("Die Fahrt der schwarzen Galeere") die Erfahrung durch die Cthulhu-Produkte eingeflossen zu sein scheint und alles wesentlich authentischer aussieht - aber wie auch immer, hier jedenfalls nicht.

Aber wie so oft viel zu viel zu der Optik gesagt, kurzum: nee, das ist höchstens durchschnitt.
Doch hier soll ja auch nicht die Optik bewertet werden, hier geht es um den Inhalt, und da lockt "Der Weg nach Vanasfarne" schon eher.
Die drei enthaltenen Abenteuer sollen im Anschluss an die drei aus dem "Buch der Abenteuer" aus dem Einsteigerset gespielt werden und richten sich demnach auch klar und deutlich an den Neueinsteiger.
Doch wie oben schon beschrieben ziehen sich die Abenteuer nicht nur quer durch ein Jahr, sondern steigen auch noch von Abenteuer zu Abenteuer in der Komplexität für Spielleiter und Spieler, so dass man, wenn der Plan den aufgeht, mit "Der Weg nach Vanasfarne" sozusagen wachsen kann.
Eine eher lockere Struktur gibt Spielleitern mit Wunsch nach eigenem Material sogar noch die Möglichkeit, eigene Ideen dazwischen anzusiedeln und dennoch bindet ein Handlungsfaden alle drei Szenarien zusammen - vorbildlich, kombiniert mit der netten "Abenteuer pro Jahreszeiten"-Idee richtiggehend klasse.

Aber taugen die Abenteuer selbst etwas? Nun, fangen wir vorne an: "Orcwinter".
Da ist eigentlich nicht viel zu sagen. Das Szenario beginnt auf Seite 7, zwei Seiten später erreichen die Spieler bereits die Höhle der titelgebenden Orcs. Man bahnt sich seinen Weg, marschiert "wahrscheinlich mit zahlreichen Orc-Köpfen auf dem Buckel" (Zitat Seite 14) zurück und wird noch von einer Horde Wolfsreiter eingeholt.
Mit denen muss man eben auch noch fertig werden, dann ist auch das Abenteuer fertig.
Blutigste Anfänger, aber so richtig blutige, denen wird das Szenario wohl entgegen kommen. Einmal gelesen ist es schon spielbereit, es gibt viel Action (womit es übrigens alleine steht in diesem Band) und man darf die Regeln etwas näher kennen lernen.
Nett, aber wer nun schon länger dabei ist und zwar Abenteuer für neue Charaktere, aber nicht neue Spieler sucht, der ist hier falsch.

Der Trick an dem ersten Szenario ist jedoch, dass die Spieler dort eine gute Motivation bekommen, sich auf den "Weg nach Vanasfarne" (na, klingelt es?) zu machen - ein Weg, auf dem dann "Druidenmond", das zweite Szenario des Bandes spielt.
Hier geht es denn auch schon weit komplexer zur Sache, wenn auch noch immer halbwegs geradlinig. So ist es zwar deutlich auf Interaktion ausgelegt und bietet da seine Freiräume, ist aber vom Handlungsverlauf her klar skizziert und geradlinig, so dass ein frischer SL auch damit klar kommen sollte.
Auf ihrer Reise begegnen die Charaktere einigen Ordensschwestern und kommen sozusagen auf ihrer Klosterbaustelle unter, wo sich jedoch merkwürdige abspielen. Dinge, in die sowohl Dryaden wie Druiden mitmischen und bei weitem nicht jeder Gutes im Schilde hat.
Doch können sie Spieler mit etwas Geschick - und Auffassungsgabe, die ist definitiv notwendig - durchaus alles auseinanderklamüsern und alles wieder in geordnete Bahnen lenken.
Ein nettes Szenario, dass den Spielern im Vergleich zu "Orcwinter" allerdings schon recht viel abverlangt, dafür aber auch alten Hasen mehr Freude machen dürfte.

Das dritte und letzte Szenario ist auch zugleich das Längste im Bunde, bringt es alleine fast auf den gleichen Umfang, den auch seine beiden Vorgänger eingenommen haben.
"Unheilnebel" heißt es, zugegeben recht furchtbar betitelt, dennoch hat es mir von den drei Szenarien mit Abstand am Besten gefallen.
Es ist eine klassische Kriminalgeschichte, mit allem, was man gerne hat. Eine Burg, Nebel, zwei Schwestern mit interessanter Beziehung, eine tragische Liebe und eben viele Morde. Die Charaktere sind dabei eigentlich alle gut präsentiert und gezeichnet, die Morde denk- und nachvollziehbar und, was vor allem gefällt, der Plot trotz allem Bodenständig.
Keine bösen Erzbeschwörer, keine alten Rassen aus vergangenen Zeiten, keine wahnwitzigen Intrigen, sondern ein einfacher, bodenständiger Plot der eben auch für Frischlinge (Charakter wie Spieler) gut geeignet ist, der SL hingegen wird - für diesen Stil typisch - schon recht stark gefordert und muss sich eindeutig am stärksten Vorbereiten.
Die verzwickte Handlung wird jedenfalls Spielgruppen eines jeden Erfahrungsgrades gut unterhalten können.

Was bleibt da für ein Fazit?
Der Band ist nicht gerade schön und vom Umfang her auf den ersten Blick nicht unfassbar voll, zahlt sich für seinen Preis aber dennoch aus. "Orcwinter" ist für Newbies klasse, erfahrene Spielleiter brauche es beileibe nicht, können aber wohl alleine aufgrund des geringen Platzes, den es einnimmt, gut damit leben. "Druidenmond" ist von durchschnittlicher Güte, es haut einen nicht um und reizte mich persönlich auch nicht so zum Spiel, aber funktioniert gerade als Mittelteil der Reise gut. "Unheilnebel" alleine ist dagegen voll sein Geld wert, ist spannend zu lesen und weckt bereits dabei unglaubliche Lust, es mal zu spielen. Und da die Szenarien eigentlich alle auch alleine funktionieren können, gibt es da keinen Grund zu meckern.
Wer also Midgard mag und gerne mal mit frischen Helden nach Alba will, oder aber mit Midgard anfangen will und noch Abenteuer sucht, der ist mit dem günstigen Band sicherlich gut bedient.
Keine uneingeschränkte Kaufempfehlung daher, aber sein Geld wert, dass ist er ganz sicher!*


Name: Der Weg nach Vanasfarne 
Verlag: Pegasus Press 
Sprache: Deutsch{jcomments on}
Autoren: Gerd Hupperich
Empf. VK.: ca. 15 Euro
Seiten: 82