Midgard - Cuanscadan – Tor nach Erainn

„Cuanscadan, der Hafen des Herings, ist das Tor zu Erainn, dem Land im äußersten Südwesten Versternesses mit seiner einzigartigen Mischung aus menschlicher und elfischer Kultur.“
vom Backcover von Cuanscadan – Tor nach Erainn

Letzte Woche hatten wir mit „Corrinis“ noch die Neuauflage eines richtigen Altertümchens von Stadtbeschreibung auf dem Tisch, diese Woche folgt mit Cuanscadan sogleich der modernste Ableger dieser Buchsorte, den Midgard zu bieten hat.
Das Buch ist erste Ende 2005 erschienen und markiert somit auch die Grenze des Übergangs, den fortan liegt Midgard wieder voll und ganz in der Hand vom Verlag für F&SF Spiele.

„Cuanscadan“ ist dabei auf den ersten Blick mal wieder ein Midgard-Band, wie man sie kennt. Ein Hardcover mit 144 Seiten, matt eingebunden und im Innerern S/W. Der extrem flache Rücken von „Corrinis“ scheint wieder ad acta, Lesebändchen sind auch weiter aus, dafür gibt es erneut die praktische Kartenlasche im Hinteren des Buches.
Das Titelbild ist generell eines der Schöneren. Swen Papenbrock war verantwortlich und hat ein ganz stimmiges Bild geschaffen, dem aber leider jegliche Dynamik fehlt. Fast alle Figuren wirken wie Schaufensterpuppen – besonders schlimm bei der Musikerin und dem im Hintergrund rennenden Kind zu sehen.
Das Innere lag zeichnerisch einmal mehr in den Händen von Werner Öckl und auch wenn totale Tiefschläge ausbleiben, so ist auch diesmal keine positive Überraschung unter all den Bildern.

Inhaltlich gliedert sich das Buch in zwei große und einen kleinen Teil. Die ersten 73 Seiten gehören Karl-Georg Müller und Manfred Roth mit „Cuanscadan“, dem „Tor nach Erainn“. Sowohl das Fürstentum als auch die Stadt werden hier ausführlich beschrieben. Dabei wird Gott sei Dank nicht die „Corrinis“-Methode verwandt und jedem dicken Baum ein Name gegeben. Statt dessen regiert hier klar die Dramaturgie und was nicht interessant ist, wird auch gar nicht groß erläutert.
Zwar wird auch hier fast die Hälfte der Seiten auf die Beschreibung von NSCs und Häusern verwandt, doch auch Verwaltung, Wachen, Geheimgesellschaften und Gilden kommen nicht zu kurz.
Optimal erscheint auch diese Beschreibung noch nicht (kurios vor allem, dass auch diesmal wieder alle Locations Laufnummern à la H26 oder J15 haben, aber keine Karte enthalten ist, mit der man diese quervergleichen könnte), aber gefällt mir persönlich doch besser als „Corrinis“.

Auf weiteren 45 Seiten beschreibt Jürgen E. Franke dann „Erainn“ selbst. Das Land, das vor allem von Elfensagen und irischer Mythologie geprägt ist, wird in gutem Detailgrad geschildert und legt dabei weit mehr Wert auf Hintergrundinfos, als auf Zahlen, Daten und Fakten. Nacheinander beschreibt er Land und Leute, Gesellschaft und Sitten, Glaube und Magie sowie typische Abenteurer aus der Region.
Ich finde es zwar tendentiell komisch, dass ein wichtiger und großer Landstrich wie Erainn letztlich nur halb so viele Seiten Beschreibung bekommt wie die Hafenstadt Cuanscadan, aber was letztlich hier geboten wird, hat mir auch gut gefallen.
Einmal mehr ein Landstrich, der endlich mehr Farbe bekommen hat – und ein guter Punkt, einmal mehr anzumerken, wie sehr Neueinsteiger doch von einem allgemeinen Band zur Welt von Midgard – ähnlich der Geographia Aventurica für DSA, der Barsaive-Box für Earthdawn oder etwa dem Vergessene Reiche Kampagnenset für D&D – profitieren würden.

Aber zurück zum Buch. Wir sind gerade erst auf Seite 125 angelangt und die folgenden knapp 20 Seiten werden von fünf s.g. Abenteuerskizzen und einem ausgefleischten Abenteuer eingenommen. Die Skizzen sind dabei von Karl-Georg Müller und Patrick Müller geschrieben und tragen ihre Bezeichnung zu Recht.
Nehmen wir als Beispiel „Noch eine Diebesbande“, die erste Skizze. Die ist drei Spalten lang und handelt darin großschrittig die Punkte „Der Auftrag“, „Die Suche“, „Die Auflösung“ und „Das Ende“ ab. Ohne auch nur ein Wort zum Inhalt zu verlieren, dürfte sichtbar sein, wie grob die Skizzen geraten sind. Das ist nicht generell schlecht, bedeutet nur merklich mehr Arbeit für den Spielleiter.
Anders schaut es mit dem abschließenden Szenario aus. Das baut auf der Skizze „Der Kult der Blauen Auster“ auf, wurde aber von Ulf Zander und Andreas Mätzing verfasst und hört auf den klangvollen Titel „Das Auge des Wüstengottes; oder: Die Rache der blauen Auster“.
Es geht um Dubhglas Lanshúilach, einen Glücksritter aus dem Kult der Blauen Auster. Der hat einen Pakt mit dem Dämon Cuthach geschlossen und muss diesem, im Austausch gegen viele Annehmlichkeiten, jährlich drei Menschen opfern. Normalerweise nimmt er ahnungslose Reisende, doch inbesondere nachdem die Spieler seinem Kulkt in der besagten Skizze schon die Tour versauen konnten, fällt seine Wahl daher auf sie.
Mir hat das Szenario gut gefallen – da kann man was richtig Ordentliches am Spieltisch draus machen.

Das Buch schließt mit einer DinA4-Seite voll erainnischer Wörter (wobei die Kenntnisse der Vokale und Konsonanten einen wohl nicht ein Stück näher an eine richtige Aussprache bringen dürfte) sowie, ein weiterer Fortschritt gegenüber „Corrinis“, einem zwei Seiten langen Index.
Somit kann man eigentlich allen, die sich für wahlweise die Stadt und/oder die Region erwärmen können, nur eine klare Kaufempfehlung aussprechen. Eine ansprechende Stadtbeschreibung, eine nützliche Schilderung der Region, fünf ganz manierliche Abenteuerskizzen und ein spielenswertes Szenario ergeben zusammen einem Band, an dem man nicht viel meckern kann. Sogar recht ansehnlich ist er geworden.


Name: Cuanscadan – Tor nach Erainn 
Verlag: Verlag für F&SF
Spiele Sprache: Deutsch{jcomments on}
Autoren: Karl-Georg Müller, Manfred Roth und Jürgen E. Franke, mit Andreas Mätzing, Patrick Müller und Ulf Zander
Empf. VK.: 21,95 Euro 
Seiten: 144