Herr der Ringe - Wilde Bestien und wundersame Magie

Wer weiß schon, was sich alles in der Wildnis Mittelerdes verbirgt?
Sie wissen es – sobald Sie dieses Buch gelesen haben!
vom Backcover von Wilde Bestien und wundersame Magie

'Der Herr der Ringe' ist immer so ein Problemfall, wenn es um die Konzeption spannender RPG-Bücher geht. Was bisher zweifelsohne gut gelungen ist, stelle ich mir persönlich in der Praxis durchaus schwer vor: was für Bücher kann man da wohl publizieren.
Die Geschicke des dritten Zeitalters sind durch Buch und Film in teils abweichender Form ja schon groß und breit beschrieben, erhalten zudem noch ihre Quellenbände und viel anderes gibt sich dann von der Natur her doch eher sperrig, da ja auch noch Hobbit, Simarillion und andere Quellen mitzureden haben.
Ein Kreaturenbuch, das dachte man sich bei Decipher dann wohl auch, würde etwas schwach auf der Brust sein, ist Tolkiens Welt da ja eher bodenständig. Und magische Gegenstände – ja, die hat zwar fast jeder Fantasy-Rollenspieler besonders gerne, aber andererseits ist Tolkiens Werk auch da nicht endlos gefüttert.
Das Ergebnis dieser Überlegung der klugen Schreiberlinge war dann simpel wie clever: man packt beides in ein Buch! So entstand dann Fell Beasts and Wondrous Magic, dessen deutsche Entsprechung – Wilde Bestien und wundersame Magie – nun vor mir liegt.

Wie bei Pegasus gewohnt ist das Buch ein Schönes geworden. Es kommt im Hardcover daher und obschon die Seitenzahl eher gering ist, hat das Buch angenehme Ausmaße. Das Design entspricht dem gewohnten Bild, wobei ich allerdings die kleine Nummer des Bandes auf dem Buchrücken, den Grundregelwerk und "Die Gefährten" beide hatten, vermisse. Diesmal zieren die Konfrontation zwischen Frodo und dem, auf seinem geflügelten Unhold reitenden, Nazgûl in Osgiliath das Titelbild, recht stylish und passt ganz gut in das Gesamtbild des Bandes.
Auch die Innengestaltung ist wieder gewohnt. Zu den zahlreichen Filmbildern gesellen sich hier allerdings zusätzlich noch ebenso viele gezeichnete Bilder verschiedener Kreaturen dazu. Wirkt in sich recht stimmig, teilweise scheinen es mir auch einfach Konzeptzeichnungen der Filmemacher zu sein, wenn es auch ein paar eher kuriose Ausbrüche (man nehme den Werwolf auf Seite 52, der eher zu D&D passen dürfte, sowie den blutrünstigen Dachs auf Seite 57, als Beispiele) gibt.
Insgesamt aber durchaus sehr schön.

Inhaltlich gliedert sich das Buch in vier sehr große Kapitel, die sich eben sowohl um 'wilde Bestien' als auch um 'wundersame Magie' drehen. Zunächst einmal bemerkt der Leser jedoch das eben nur diese vier Punkte umfassende Inhaltsverzeichnis sowie die komplette Abwesenheit eines Indexes.
Das darf man dann auch direkt getrost als Makel geistig notieren. So fragte ich mich beispielsweise einmal, ob wohl die Crebain aus Dunland im Band sein würden ... es dauerte Recht lange bis ich mir sicher wahr, dass sie es nicht sind.
Nach recht umfassender Einleitung werden die eigentlichen Kapitel mit "Wilde Bestien" eröffnet, eben dem erwarteten Kreaturenkapitel. Die Beschreibungen gleichen dabei gewohntem Schema und besitzen solche Unterpunkte wie 'Lebensraum' oder 'Gemeinschaft', entsprechen damit wohl dem, was man aus der Fantasy wohl kennt. Schön allerdings ist, dass jedem Wesen auch der Punkt "Einsatz" gegönnt wurde; wer sich schon immer mal fragte, wie er etwa einen Kaltdrachen einbauen kann, hier liegt die Antwort.

Die Auswahl der Wesenheiten liegt dabei irgendwo zwischen 'hat man erwartet' und 'nanu?'
Da wären etwa Nazgûl und ihre geflügelten Unholde, Drachen oder auch die Grabunholde, die man einfach in so einem Buch erwartet. Dann aber wiederum sind da alleine einige Dämonen, die einen da eher verwundern; vielleicht auch einfach, weil einige von ihnen einfach nirgends im 'Herrn der Ringe' Verwendung fanden.
Anhand eines ganz besonderen ortsgebundenen Dämons lässt sich aber auch gut aufzeigen, dass die eine oder andere Stilblüte in das Buch gefunden hat: es geht um dem Caradhras. Richtig, der Berg, über den Gandalf und die anderen Gefährten stapfen, ist eigentlich weit mehr, eben ein Dämon. Und wenn man dann unter 'Gemeinschaft' lesen kann, "Caradhras lebt allein.", dann hat das schon eine gewisse Qualität. Und auch der 'Höllengeier' konnte sich in das Buch schmuggeln, was sicher auch dem einen oder anderen sehr gefallen könnte.

Kapitel zwei dreht sich alleine um "Natürliche Tiere". Viel zu sagen ist hier eigentlich nicht, außer das die Zusammenstellung nützlich und recht vollständig ist, ohne wie andere Systeme da nun wirklich auf jede Art von Kröte einzeln einzugehen. Ausbrecher gibt es allerdings auch hier: dass das Eichhörnchen Werte hat, das kann man ja vielleicht noch mit den schwarzen Eichhörnchen des Düsterwaldes, anerkannten Spionen Saurons, erklären, aber der große Nutzen der Werte eines Delphins hat sich mir nur bedingt erschlossen. Andererseits sind auch sie durchaus cool umgesetzt, wo sonst findet man schon mal Einträge wie 'Einzigartige besondere Fähigkeit: Benötigt Luft'

Im dritten Kapitel wird gebaut: "Kreaturenentwurf leicht gemacht". Auf 15 Seiten wird knapp die Erschaffung eines neuen Tieres skizziert, angefangen bei allgemeinen Ratschlägen bis hin zu konkreten Regeln. Das Kapitel glänzt dabei war vielleicht nicht durch seinen Umfang, enthält aber doch alles, was man braucht.
Es wird dabei aber vor allem auch erfreulich viel Wert darauf gelegt, dass der SL doch bitte Kreaturen entwerfen möge, die der Geschichte dienen und zu Mittelerde passen würden, für Neulinge vermutlich gar nicht mal so schlechte Hinweise.
Das Kapitel widmet sich aber auch erneut dem allgemeinen Umgang mit Kreaturen in Mittelerde und verhindert denke ich auch ganz gut, dass der Inhalt des Buches missverstanden und die freien Länder demnächst mit Monstren aller Art überschwemmt werden.

Somit bleiben dann noch gerade mal 14 Seiten für das abschließende Kapitel "Wundersame Magie", aber offen gestanden ist das auch ein sehr gutes Maß. Nacheinander werden Rüstungen, Ringe, Stäbe, Waffen und 'sonstige Gegenstände' (wie Galadriels Spiegel) vorgestellt. Auch hier wiederum fällt positiv auf, das die Autoren nie vergessen haben, dass sie sich mit Mittelerde befassen. Keine einfachen Schwerter+1 und kein Ring des Federfalls, sondern größtenteils belegte und ansonsten gut passende Gegenstände, die zudem auch noch gut präsentiert werden.
Denn auch hier gibt es häufig, wenngleich auch nicht immer, Hinweise zum Einsatz des Gegenstandes und teils recht nützliche Neuheiten wie weitere Regeln zum Stab eines Magiers runden den Gesamteindruck auch in diesem Abschnitt geschlossen ab.

Abschließend kann man durchaus noch einmal betonen, wie hervorragend auch dieses Mal wieder die deutsche Ausgabe wirkt. Nicht nur die gute Übersetzung und das geringe, wenn auch nicht perfekte Maß an Fehlern im Text stimmen den Leser gut, auch hier profitieren wir eindeutig von den umfangreichen Errata der englischen Ausgabe. So wurde dort die Bewegungsweite noch anhand der Größe eines Lebewesens gemessen, weshalb Menschen etwa schneller waren als Hunde – aber so einen Unfug gibt es in der deutschen Ausgabe nicht mehr.

Ein Fazit fällt leicht. Wer eben Interesse an Kreaturen und magischen Gegenständen in Tolkiens Universum hat, der ist hier genau richtig und erhält ein sehr hübsches Buch zu genau dieser Thematik. Doch auch wer eigentlich noch nie wissen wollte, was für Werte die beiden schwarzen Nazgûl von Númenor wohl haben und das Théodens Schwert Herugrim unter anderem +2 auf alle mit dem Reiten verbundenen Proben gibt, bekommt noch viel Hintergrund und so manche Abenteueridee geliefert, die den Kauf rechtfertigen.
Einzig die mangelnde Übersichtlichkeit und der eigentlich sehr geringe Anteil der hier vorgestellten Wesen an Mittelerde selbst – und somit die eher eingeschränkte Einsetzbarkeit des Inhalts – hindern das Buch daran, für 'sehr gut' befunden zu werden.


Name: Wilde Bestien und wundersame Magie {jcomments on}
OT: Fell Beasts and Wondrous Magic 
Verlag: Pegasus Press Sprache: Deutsch
Autoren: Bennie, Mearis, Miller, Rosenberg, Seeman, Seyler und Strayton
Empf. VK.: 24,95 Euro 
Seiten: 96