Space Gothic - Nachtstrom

Aber es gibt keine Rettung. Das ultimative Grauen ist da!
vom Backcover von Nachtstrom

Mit "Nachtstrom" liegt hier der dritte inhaltsbezogene Quellenband aus dem "Space Gothic"-Universum vor uns, der neben seinen großen Brüdern "IN HOC SIGNE VINCES" und "Blut und Tränen" zuweilen etwas untergeht. Zu Recht? Oder zu Unrecht? Um dies zu klären sind wir hier. In medias res:

Das Cover ist einer der besseren Versuche des Zeichners seine Illustrationen mit dem Computer anzufertigen, daneben fängt das verzerrte Gesicht eines Mannes vor schleierhaftem Grünen Hintergrund die Atmosphäre des Bandes gut ein. Die Renderbilder auf dem Backcover entsprechen dagegen schon wieder - leider - wesentlich mehr dem gewohnten Standard, sind viel zu künstlich und leblos. Auch wenn gerenderte Bilder hipp und aktuell sind sollte der Illustrator bei Stift und Papier bleiben, das ist zeitlos und sieht wesentlich besser aus.
Für die Illustrationen innerhalb des Buches gilt wieder einmal, dass einige Zeichnungen gut gelungen sind, ebenso viele aber auch wieder nicht zu gefallen wissen, sodass man nach "Wolfsbrut" wieder in den gewohnten Dreier-Bereich rutscht.

Der Quellenband teilt sich in insgesamt vier Kapitel, dem namensgebenden Abenteuer "Nachtstrom", folgt Quellenmaterial zu dem Planeten Nova Scotia, auf welchem erst genanntes Abenteuer spielt. Anschließend folgt ein weiteres Abenteuer mit dem Namen "Der Stolz des Imperiums", bevor der Band mit Quellenmaterial über das grausige Schattenreich schließt.

Beiden Abenteuer gemein ist der Antagonist Achmed Schulz, Mitglied eines finsteren Kultes und im Kontakt mit den dunklen Lords des Schattenreichs, dessen Pläne seinen Herren zu dienen dummerweise mit dem Tun der Spielergruppe kollidieren…
Im Abenteuer "Nachtstrom" sind die Spieler maßgeblich für die Sicherheit eines neuen Kraftwerkes auf Nova Scotia zuständig, was schon ohne das Wirken böser Kräfte schwierig genug ist, schließlich sehen es die alteingesessenen Schotten ganz und gar nicht gerne, wenn ein solch Teufelswerk moderner Technik ihren Planeten verschandelt, und mit Teufelswerk sollen sie gar nicht so Unrecht haben…
Denn das Kraftwerk dient seinem Architekten Achmed Schulz (na, klingelt's?) in Wirklichkeit zu einem viel dunkleren Plan als der Stromgewinnung. Ort und Zeit sind perfekt, um ein Tor zum Schattenreich zu öffnen und die uns bekannte Welt so dem sicheren Untergang preiszugeben, so ist die ganze Architektur des Kraftwerkes nur auf diesen Zweck ausgelegt. Das einzige, was Achmed Schulz jetzt noch benötigt ist jemand, der auch über die nötigen Fähigkeiten verfügt ein solches Tor zu öffnen und in dem Psiter Salvatore hat er eine solche Person gefunden. Als ob dies noch nicht genug wäre gehört ein Künstler, dessen Bilder während der Eröffnung des Kraftwerkes ausgestellt sind, zu demselben Kult wie Achmed Schulz und unter dem Einfluss des Schattenreichs entwickeln seine Bilder ein bedrohliches Eigenleben…
Bei "Nachtstrom" handelt es sich im Grunde genommen um ein klassisches Horrorhaus-Szenario, nur eben im Gewand des 23. Jahrhunderts, so ereignen sich auf Nova Scotia durch den wachsenden Einfluss der Schattenwelt mysteriöse Ereignisse, die einen sehr an klassische Spukerscheinungen erinnern, auch wenn sich der Autor wohl gedacht hat, "nicht kleckern, klotzen" und sogar den vier Reitern der Apokalypse einen kleinen Gaststarauftritt verpasst hat. Insgesamt reißt das Abenteuer keine Bäume aus, dafür ist das Szenario auch mittlerweile allzu bekannt, und strotzt auch nicht vor Originalität ist aber dennoch durchaus einen Blick wert, denn schlecht ist es nicht. Wer gefallen daran findet, seine Spieler durch das berühmte Horrorhaus zu schicken, kann dies jetzt eben auch im Jahre 2245 tun, statt der Reihe nach alle alleinstehenden Herrenhäuser des Jahres 1925 abzuklappern.

Widmen wir uns nun dem zweiten Abenteuer, bevor wir uns das Quellenmaterial zur Brust nehmen.
Nach seinem (hoffentlich) erfolglosen Vorhaben auf Nova Scotia hat sein Ruf in der Schattenwelt natürlich entsprechend gelitten, da dies für ihn natürlich alles andere als günstig ist, will Achmed Schulz seine Stellung durch ein ganz besonderes Opfer wieder zurückgewinnen: Prometheus, Hauptplanet und Firmensitz von PTI!
Sextus von Klingen, seines Zeichens Botschafter des Ming Imperiums auf Prometheus, wurde in seinen Privatgemächern brutal ermordet. Pech für die Spieler, dass sie als Prätorianergarde für seinen Schutz zuständig waren, ihr Vorgesetzter gibt ihnen 48 Stunden Zeit ihre Schmach wettzumachen und den Mörder zu präsentieren, andernfalls werden sie ihrem Schutzbefohlenen in den Tod folgen.
Der Anfang des Abenteuers gestaltet sich wie ein klassisches Detektivabenteuer im "wer ist der Mörder?" Stil, bis man dann den Mörder entlarvt hat: Ein Schatten im Körper der Sekretärin des Botschafters. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Monster in seiner Gier nach frischem Menschenblut weitere Morde begeht und es ist an den Spielern es aufzuhalten.
Wenn der entgültig tote Schatten zu Füssen der Spieler liegt bleibt eine Frage übrig: Wie konnte dieses Biest in den Körper der armen Sekretärin gelangen? Die Antwort ist relativ schnell gefunden: Eine riesige Statue des antiken Prometheus im Freizeitbereich von Prometheus-City trägt eine brennende Fackel in der Hand, welche eine Stunde am Tag als Tor zu Schattenwelt dienen kann… ein Geschenk von Achmed Schulz. Wenn die Spieler das Tor verschließen wollen müssen sie sich selbst in das Reich der Schatten begeben…
Insgesamt gefällt mir "Der Stolz des Imperiums" besser als "Nachtstrom". Die Mischung aus Detektivabenteuer und Alienszenario gefällt mir ganz gut, wenn auch der Part mit der Prometheusstaue etwas aufgesetzt wirkt, er ist aber auch mehr als Dreieingabe zu verstehen.
Was ich dem Abenteuer allerdings ankreide ist die Tatsache, dass der Besitz von "Blut und Tränen" scheinbar vorrausgesetzt wird ohne das dies auf dem Backcover des Quellenbandes verzeichnet ist, so wird mir einmal zu oft darauf verwiesen, dass nähere Angaben zu Kreaturen eben dort zu finden sind und auch die Werte der Charakterklasse, in welche die Spieler schlüpfen sollen, die Prätorianergarde finden sich nur in "Blut und Tränen".

Kommen wir zu dem enthaltenen Quellenmaterial.
Zunächst einmal sind da die Informationen zu Nova Scotia, welche über die bisher bekannten SG-Planetenbeschreibungen wie Klima, Einwohner und Hauptstadt hinausgehen und das Bild des sympathischen Schotten zeichnen, den wir spätestens seit "Braveheart" alle so sehr lieben: Den über die Hügel stürmenden Irren, der sich wild schreiend auf seine Feinde stürzt. Natürlich ist die Beschreibung des Bewohners Nova Scotias damit nicht ausgeschöpft, er ist Mitglied eines der vielen Clans, die sich an ihren Highlandsvorbildern orientieren und wird von einem König regiert. Natürlich leben die meisten Clans in großer Rivalität zueinander und würden am liebsten gleich zu den Waffen greifen, um die Interferenzen "auszudiskutieren", was aber von der TSU weitgehend unterdrückt wird, nur einmal im Jahr entlädt sich die aufgestaute Kampfeslust im illegalen "Battle's Day", wie das dann aussieht kann man sich mit wenig Phantasie denken, aber die Schotten lieben ihren höchsten Nationalfeiertag.
Wie es sich für einen gestandenen Schotten gehört geht ihm seine Ehre über alles und derjenige der der sie beleidigt hat ein echtes Problem! So sind Duelle, um die Ehre an der Tagesordnung, aber wehe den Duellanten, wenn sie von der TSU erwischt werden, denn natürlich sind auch diese höchst illegal.
Der Schotte, wie er auf Nova Scotia lebt, dürfte beinahe jedem aus "Braveheart" und "Rob Roy" bekannt sein, entweder man mag diesen gestanden, rauen Menschenschlag, der im übrigen als neue Charakterklasse auch beiliegt, oder man mag ihn nicht, ich mag ihn. Wer sich jetzt fragt, wofür man einen Quellenband zu einem Highland-Planeten braucht, Terra wäre zum Beispiel erstrebenswerter, dem sei gesagt, dass Nova Scotia keinesfalls so unwichtig ist, wie es auf den ersten Blick scheint, in genügend weiteren offiziellen Produkten ist es zumindest Nebenschauplatz und da ist es schon praktisch, wenn man Land und Leute kennt, ganz davon abgesehen ist es einfach amüsant zu lesen.

Die zweite vorgestellte "Region" ist um einiges unwirtlicher als Nova Scotia: Das Schattenreich.
Dennoch sind die beiden sich in einem Punkt gar nicht so unterschiedlich: Auch die Schatten sind clanähnlich strukturiert, so lebt jeder im Einflussbereich eines Schattenlords, der auf so klangvolle Namen wie Satanis oder Kutulu hört, den dieser mit eiserner Hand regiert. Die Schattenlords sind sich untereinander zumeist spinnefeind und machen dies nicht selten in blutigen Kämpfen aus.
Das Schattenreich selber ist ein wahrer Alptraum und bietet sich dar wie die Hölle selbst: blutroter Himmel, Flüsse von Schwefel ziehen ihre Bahnen durch die Landschaft, allerorts stehen grässliche, scheinbar organische Gebäude, Fabriken, in denen Lebewesen zu "etwas anderem" verarbeiteten werden. Von der heimatlichen Tierwelt gar nicht zu sprechen, da gibt es dreiköpfige Höllenhunde, Basilisken oder die Hydra zu besichtigen, irgendwoher müssen unsere Vorstellungen von Monstern ja kommen nicht? De facto ist es in der Geschichte der Menschheit schon immer mal passiert, dass sich kurzfristig ein Riss zwischen den Welten auftat und eine der Schattenbestien Zugang zu unserer Welt hatte. Dies tat langfristig allerdings auch der Bestie nicht gut, denn nach wenigen Stunden beginnt der Körper in der fremden Dimension sich aufzulösen, für einen Menschen in der Schattenwelt gilt dies natürlich genauso, weshalb man sich bevorzugt einen einheimischen Wirtskörper suchen sollte, wie im "Stolz des Imperiums" die arme Sekretärin, doch auch dies muss nicht immer wie gewünscht verlaufen…
Die Informationen über das Schattenreich waren für mich der eigentliche Kaufgrund als ich das Backcover durchlas und ich habe es nicht bereut, die Bewohner des Schattenreichs sind eine wahre Fundgrube für SLs die ein paar ordentliche Horrorszenarien in SG verwirklichen wollen, egal ob man nun die Spieler selbst in die Hölle schickt, sie auf einen grausigen Schatten treffen oder gar einer der dunklen Lords seine Hand nach unserer Welt ausstreckt (wie das ausgehen kann sieht man zum Beispiel in "Wolfsbrut"), alles ist möglich, alles liefert Stoff für spannende und grausige Abenteuer.

Wie gewohnt das Fazit:
Wir haben hier zwei nette Abenteuer, einen netten, unterhaltsamen Quellenteil über Nova Scotia und einen guten Quellenteil über das Schattenreich. Da man das ganze, allerdings zu einem Preis von immerhin 40 DM erwirbt, reicht es insgesamt nicht für ein "gutes" Preis/Leistungsverhältnis, denn dafür sollte der Hauptteil des Quellenbandes mehr als nur nett sein. Dennoch gefällt mir "Nachtstrom" um einiges besser als "IN HOC SIGNE VINCES" und ist diesem klar vorzuziehen, der mit Abstand beste Quellenband aus dem Hause Fantastische Spiele GbR ist und bleibt allerdings "Blut und Tränen", mehr dazu in der entsprechenden Rezension…


Name: Nachtstrom {jcomments on}
Verlag: Fantastische Spiele GbR 
Sprache: deutsch
Autoren: Gerhard Winkler, Michael Greiss
Empf. VK.: 39,90 DM 
Seiten: 104 Seiten