Space Gothic

SpaceGothic, das actiongeladene Science-Fiction-Rollenspiel, dass Sie und 2 bis 6 Mitspieler in ein Universum der Schrecken entführen wird. Entdecken Sie neue Welten, fremde Wesen und die faszinierende Schönheit des Alls. Erleben Sie, mit Papier, Bleistift und einigen Würfeln bewaffnet, die phantastischen Abenteuer, deren Grenzen allein durch Ihre Vorstellungskraft gesetzt werden.
vom Backcover von SpaceGothic - Das Rollenspiel

Wenn ich die Worte "Rollenspiel aus deutschen Landen" in den Mund nehme, was kommt einem dann wohl zuerst in den Sinn? Richtig so klangvolle Namen wie "Das schwarze Auge" oder "Midgard", aber um diese Beiden soll es hier nicht gehen, sondern um ein kleines Science-Fiction Rollenspiel aus einem ebenso kleinen Verlag, das seit immerhin fast 10 Jahren wacker die Stellung hält; da lohnt es sich doch mal einen genaueren Blick auf "Space Gothic" zu werfen, oder?

Als ich das Paket aufgemacht und mein damals zweites, eigenes Grundregelwerk zutage gefördert hatte war ich zunächst nicht sehr begeistert: Das Cover wirkte wie der erste Versuch des Künstlers seine Grafiken nicht am Reißbrett, sondern komplett am Computer zu entwerfen, schrecklich künstlich und steril, obendrein, was allerdings erst nach der Lektüre des Buches auffällt, fängt es die Atmosphäre des Spieles in keinster Weise ein, weshalb ich es im Nachhinein sogar noch schlechter finde.
Auf der Rückseite des Softcoverbuches befindet sich auch ein Bild des Covers der vorherigen, der ersten, Auflage, welches nicht nur besser gezeichnet ist, sondern mit dem Soldaten, der mit angstverzerrter Miene, vor dem Hintergrund eine gotischen Kirche, hinter sich blickt und nicht fassen kann, was er dort Schreckliches sehen muss, die Atmosphäre und den Charme des Spieles wesentlich besser einfängt. Kurz und gut: Man hätte jenes Bild wieder verwenden sollen.
Die Zeichnungen im Buch selber schwanken von wirklich guten, wie die Landung des Allkampfbombers "Queen of Hearts" oder diverser Zeichnungen von Soldaten in voller Montur bis wirklich schlecht, wie etwa die sehr einer Zigarre ähnelnde "Herman von Salza" oder das komische Ding im Rollstuhl auf Seite 122. Wie wir das aus der Naturwissenschaft kennen Neutralisieren positiv und negativ sich gegenseitig was in unserem speziellen Fall auf ein befriedigend für die Zeichnungen hinausläuft. Witzig ist im übrigen die Idee an den Rändern der Seiten Kommentare abzudrucken, wie sie in den Spielrunden der Entwickler gefallen sind inklusive der Namen des jeweiligen Charakters und hier offenbart sich: Was Namen angeht sind Entwickler offensichtlich auch nicht wesentlich kreativer als wir Konsumenten, nicht wahr Chris Kristofersen, Harvey Kaitel und wie eure Chars alle heißen mögen? Für die nette Idee mit den Randbemerkungen gibt es in der Layoutwertung im wahrsten Sinne des Wortes einen Pluspunkt.

Der Inhalt des Buches gliedert sich in insgesamt in 13 Kapitel, die teilweise aber recht themenverwandt sind, weshalb ich von meiner gewohnten Art jedes Kapitel einzeln zu besprechen und zu bewerten etwas abweichen will und übergreifender rezensiere.
Auf die Einführung gehe ich dabei nicht ein, da wohl jedem Leser dieser Rezension bekannt sein sollte was Rollenspiel ist, oder? Erwähnenswert jedoch wären wohl die für das Spiel notwendigen Würfel: W4, W6, W8, W%, W10, W20. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine krude Würfelpoolzusamenstellung wie etwa bei "EarthDawn", sondern eigentlich um ein normales W100-System, man unterwürfelt seinen Wert in einer bestimmten Kategorie und führt seine Handlung erfolgreich aus, ein Pasch gilt dabei als besonders guter Erfolg, respektive besonders übler Misserfolg, sprich Patzer; wer gar eine 100 würfelt, kann in der Regel nicht nur mit dem Ableben seines Charakters, sondern auch mit dem der ihn umgebenen Personen rechnen und jetzt ratet mal wer das normalerweise wohl ist? Böse Blicke bei der nächsten Charaktererschaffung seien gewiss...
Da auch ich an Sonntagen ein Flugzeug landen kann gilt ein Wurf zwischen 1 und 3 immer als Erfolg und weil auch Michael Schumacher mal in die Bande fährt gilt ein Wurf zwischen 98 und 100 dementsprechend immer als Misserfolg. Das wäre im groben das Regelsystem, die anderen Würfel werden zur Schadensbestimmung, Trefferlokation o.ä. verwendet.

Kommen wir zu einem für die Spieler besonderes interessanten Thema: "Wie entwerfe ich meinen Charakter und was kann er?"
Beides wird in "Space Gothic" anhand der Beispielerschaffung eines Söldners, der auf den klangvollen Namen Butch Snapper hört, vorbildhaft erläutert. Es werden alle Basiseigenschaften sowie deren Einfluss auf das weitere Spiel ausführlich erklärt, auch auf die abgeleiteten Eigenschaften, wie z. Bsp. der Geistezustand, wird eingegangen. Abgerundet wird die Charaktererschaffung durch einen übersichtlichen und nützlichen "Leitfaden zur Charaktererschaffung" wie ihn jedes Rollenspiel haben sollte. Die Auswahl der Fertigkeiten, die der Charakter zu Beginn erhalten soll, gestaltet sich ähnlich wie in "Cthulhu": Man wählt eine Charakterklasse und darf zu Beginn die damit verbunden Fähigkeiten steigern, das wären im Falle eines Söldners etwa Nahkampf oder Sprengstoffe während sich ein Wissenschaftler dann doch mehr für Gentechnik oder Physik interessiert.
Die Darbringung der Charaktererschaffung ist wie gesagt sehr gut umgesetzt, die Erschaffung an sich gefällt mir jedoch weniger gut und zwar aus folgendem Grund: die Basiseigenschaften werden für jede Charakterklasse mit einem anderen W10-Pool ausgeworfen, was zwar auf der einen Seite dafür sorgt, dass jeder schon ungefähr die Werte herausbekommt, die für seinen Charakter realistisch sind auf der anderen Seite macht es die Erschaffung aber auch komplizierter, so kann ich den jeweiligen Pool nicht einmal für alle vorlesen, sondern muss ihn im Extremfall für jeden Spieler einzeln heraussuchen, was ziemlich lästig ist. Des weiteren bin ich ohnehin kein Freund von erwürfelten Charakteren, da man nicht selten ein Ergebnis erzielt, das so gar nicht mehr dem ähnelt was man spielen wollte, dieses Problem kriegt auch "Space Gothic" trotz seiner unterschiedliche Poole nicht zufriedenstellend in den Griff. So bleibe ich dabei, das ein Kaufsystem immer noch die bessere Alternative ist, was aber letzten Endes Ansichtssache ist.
Eines verleiht der Charaktererschaffung in "Space Gothic" jedoch einen eigenen und ganz unverwechselbaren Touch: Der Wurf auf die speziellen Eigenschaften. Dies ist im Prinzip nichts anderes als das Auswürfeln von Vor- und Nachteilen, doch trotzdem haben die meisten Spieler immer wieder eine kindische Freude daran und das Gekicher der lieben Mitspieler, wenn sich ein Pirat den "Sexprotz" oder ein Mediziner die "Metzgermentalität" ausgewürfelt hat ist auch stets erheiternd.

Nun haben wir also einen einsatzbereiten Charakter. Die Waffe entsichert, das Raumschiff getankt, zu allen Schadtaten bereit. Doch in was für einer Welt lassen wir ihn eigentlich von der Kette? Der Beschreibung der Spielwelt in all ihren Facetten widmen sich die nächsten Kapitel:
Hierzu wird zuerst einmal ein bisschen Geschichte gelernt, schließlich ist "Space Gothic" im Jahre 2245 angesiedelt, da wir uns aber bekanntlich erst im Jahre 2002 befinden, herrscht wohl ein geringer Nachholbedarf von ziemlich genau 243 Jährchen. Die Geschichte der Spielwelt bietet so ziemlich alles, was man sich von einem SciFi-Rollenspiel erwartet: Vom Griff nach der Sternen bis hin zu weltenumspannnennenden Kriegen kriegt man alles geboten. Angenehm straff geschrieben und immer wieder mit überraschenden Wendungen, so macht Geschichte Spaß! Die Situation für die Spieler im Jahre 2245 stellt sich dann so dar, dass sie wohl Bürger einer pseudodemokratischen Regierung sind, die in Wirklichkeit von einem Megakonzern beherrscht wird, im Streit mit der Raummarine liegt und immer wieder von aufmüpfigen Rebellen attackiert wird, wenn das keine Grundlage für spannende Abenteuer ist! Die Größe der Spielwelt macht es für den SL auch ziemlich leicht seine eigenen Kreationen zu verwirklich, so kann mal eben ein eigener Planet platziert werden und ähnliches mehr. Also ein große und interessante Spielwelt, was will man mehr?
Wie sie sich für die Personen im Detail anfühlt wird anhand eines Lexikons deutlich, wo man von "Raummarine" über "Computer" bis zu "Kondomen" und "Zigaretten" alles findet, was für den Bürger des 23. Jahrhunderts von Interesse ist.
Was fehlt denn noch? Richtig, in einem Spiel, welches das Wort "Space" schon im Titel führt, darf natürlich auch die Raumfahrt nicht fehlen, es werden typische Raumschiffe und ihre Ausrüstung unter die Lupe genommen und wie interstellare Reisen in "Space Gothic" funktionieren wird auch erklärt. Doch gerade letzteres gestaltet sich als eines der gefährlichsten Unterfangen, schnell ist man bei einem fehlgeschlagenen Hyperraumsprung in einer Sonne gelandet und wer seine Reise nicht von einer Sprungstation, sondern einfach frei nach Schnauze startet sollte ohnehin sein Testament gemacht haben, ein Raumschiff kann er den lachenden Erben aber wohl nicht mehr vermachen...
Kommen wir zum letzten die Spielwelt betreffenden Aspekt und spätestens hier kann "Space Gothic" nicht mehr verleugnen, dass es ursprünglich als "Cthulhu in Space" angelegt war, folgerichtig nennt sich das relevante Kapitel auch "Das Grauen zwischen den Sternen", hätte ein H.P. Lovecraft nicht schon bei dem Titel seine Freude gehabt?
Was der geneigte Cthulhu-Spieler GS nennt, heißt hier GZ und leitet sich von dem Wort Geisteszustand ab. Wenn die Charaktere auf etwas besonders Schockierendes oder Erschreckendes treffen wird ein Wurf auf diese Eigenschaft fällig, falls dieser misslingt sinkt der GZ um eine erwürfelte Zahl, wodurch symbolisiert wird, dass man langsam dem Wahnsinn anheim fällt. Da "Space Gothic" ein recht actionbetontes Rollenspiel ist werden die wenigsten Charakterklassen von Leichenfunden aus den Socken gehauen - immerhin produziert man davon selber reichlich - aber die Begegnung mit außerirdischen Riesenspinnen oder übernatürlichen (Mythos?)wesen hinterlässt schon einen bleibenden Eindruck.
Wenn ich sage, dass es sich hier um ein actionbetontes Spiel handelt sollte ich vielleicht auch ein paar Worte über das Actionsystem sagen. Nun, wenn ich erwähne, dass "Pegasus Press" rät statt dem eignen doch das "Space Gothic"-Kampfsystem für "Cthulhu" zu verwenden sollte doch bereits alles über die Qualität sagen, oder? Das Kampfsystem ist schnell und brutal realistisch ohne sich dabei jedoch zu sehr in Details zu verlieben so kann das System als rundum gelungen bezeichnet werden.

Was jetzt noch übrig bleibt, ist das Kapitel für Spielleiter, welches die typischen Tipps gibt, somit für Anfänger ganz nützlich ist für erfahrene Spielleiter allerdings keine Überraschungen bereithät, was ich aber auch nicht erwartet hätte, sowie drei Einstiegsabenteuer.
Das erst Abenteuer "Kontakt" besteht dabei nur aus einer Situation, in der sich alle beteiligten mit dem Regelsystem und dem Kampf bekannt machen sollen, bietet also keine durchdachte Story wird dem Anspruch, den es an sich stellt, nämlich den der Heranführung an die Spielwelt mit ihrer Atmosphäre und ihren Mechanismen, durchaus gerecht.
Die weiteren Abenteuer "Operation Erzengel" und "Totentanz" habe ich nie gespielt, weshalb ich mich einer endgültigen Beurteilung enthalte, beim Lesen offenbarte allerdings keins der Beiden gravierende Schwächen jedoch auch keine besondere Originalität, man sollte sie als das nehmen was sie sind: Einstiegsabenteuer, die einen Ersteindruck von "Space Gothic" vermitteln sollen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Abgerundet wird das Grundbuch mit dem abschließenden sehr nützlichen Anhang- und Tabellenteil, der alle Tabellen praktisch an einer Stelle des Buches sammelt, so dass man nicht ständig hin und her blättern muss und in welchem sich auch die gesammelten Charakterklassen des Grundbuches befinden.

Ziehen wir das Fazit:
Alles in allem ist "Space Gothic" ein feines System, auch wenn die Regelmechanismen manchmal etwas hinken und die Charaktererschaffung nicht nach meinem Geschmack ist, aber letztlich gibt es doch an jedem Regelsystem etwas zu meckern, oder? Die Spielwelt gefällt mir persönlich dagegen sehr gut, gehört sogar mit zu dem Besten was ich gelesen habe. Wer sich also nach einem spannenden, atmosphärischen Science-Fiction Rollenspiel sucht, sollte sich "Space Gothic" unbedingt einmal anschauen und auch sonst ist es durchaus einen Blick wert.


Name: Space Gothic 
Verlag: Fantastische Spiele GbR {jcomments on}
Sprache: deutsch
Autoren: Gerhard Winkler, Michael Greiss
Empf. VK.: 59,90 DM 
Seiten: 256 Seiten