Grauen in Arkham

Grauen in Arkham ist der ergänzende Abenteuerband zu dem jüngst hier besprochenen Quellenband zur Hexenstadt in Neuengland. Er fällt deutlich schmaler aus als sein Gegenpart, aber wirkt nicht zu dünn oder dergleichen. Die Aufmachung ist wie bei dem Quellenbuch hervorragend zu nennen und beginnt bei einem coolen Cover-Arrangement von Manfred Escher, erstreckt sich über das mittlerweile echt schick gewordene Layout und gipfelt wie eh und je in einer ganzen Reihe echt schöner Handouts.

Zwei Dinge fallen einem allerdings noch ins Auge, wenn man durch das Buch das erste Mal blättert. Einerseits ist man wieder vom hochglänzenden Papier des Quellenbandes abgekommen und zurückgekehrt zu dem vertrauten, rauen Papier anderer Bücher der Reihe, und andererseits ist da dieser Zettel. Dieser, grob im offiziellen Design gehalten, informiert einen darüber, dass ein Abenteuer, das auf dem Backcover und im Vorwort erwähnt wird – „Das Grauen von den Sternen“ – aus Verstehen nicht im Buch abgedruckt worden sei. Hmm. Die Preiskalkulation sei aber auch auf Basis des dadurch immerhin 17 Seiten geringeren Umfangs erfolgt und somit sei kein Schaden entstanden, zumal es das Abenteuer als Entschädigung kostenfrei auf der offiziellen Webseite als Download gibt.
Nun gut. Mal davon ab, dass das insgesamt schon eher obskur ist und mich persönlich zumindest etwas irritiert gelassen hat, will ich da mal nicht meckern. Ich nehme an den Verantwortlichen ist es eh am Unangenehmsten von allen und der Band enthält ja auch so noch satte sieben Abenteuer; zu spielen gibt es also genug.

Bevor ich zu den Abenteuern komme, allerdings noch ein paar grundsätzliche Sachen. Die Abenteuer im vorliegenden Buch sind samt und sonders Übersetzungen aus englischer Sprache – und ein dickes Lob hier dafür, dass auch etwa alle Originaltitel im Buch genannt werden – doch das hat einen Vor- oder Nachteil, je nach Geschmack. Denn sie unterscheiden sich teils stilistisch halt schon von den klassischen, deutschen Eigenentwicklungen.
Ich finde, soviel vorweg, die meisten Abenteuer in dem Band gut. Was mich aber etwas gestört hat, ist die große Inkonsequenz, die teils durch das reine Sammeln, teils aber auch durch die deutsche Ausgabe entstanden ist. Ein Beispiel für ersteres sind die „Überblick über das Abenteuer“-Kästen. Die sind extremst nützlich und eine Sache, für die auch ich mich ja schon immer sehr stark gemacht habe. Einige Abenteuer in dem vorliegenden Buch haben die auch. Aber halt nicht alle. Auch nicht die Mehrheit.
Ein Beispiel für die andere Form von Inkonsequenz ist aber etwa das Abenteuer „Tag der Rache“. Das ist der einzige Beitrag mit Spielbericht. Das ist ja an sich zumindest etwas – nur ist es schon verwirrend, dass gerade bei dem Abenteuer, in dessen Einleitung darauf hingewiesen wird, dass es umfangreicher und auf mehrere Sitzungen ausgelegt ist, dann der Spielbericht von einer Convention angefügt ist.
Da wäre mit einfachen Handgriffen sicherlich mehr drin gewesen.
Dafür, das muss man auch klar loben, ist ansonsten die Lokalisierung hervorragend gelungen.

Aber machen wir doch mal die Runde. „Unsterblich“, das erste Abenteuer, bietet gewohnte Kost für Lovecraft-Kenner und knüpft an das Themenfeld Herbert West an. Es ragt nicht sonderlich heraus, sieht aber gut und durchaus spielenswert aus.
„Die Puppenmacherin“ ist einer meiner Lieblinge. Die Prämisse und die Geschichte im Hintergrund sind großartig, die Umsetzung selber aber braucht meines Erachtens noch ein bisschen Arbeit, um völlig rund zu laufen.
„Der Hunger der Toten Kinder“ ist ein deftiges Szenario, was exakt hält, was der Titel verspricht und/oder suggeriert. Es ist spannend, hat einige fetzige Szenen und kann stellenweise den Leuten dennoch vermutlich ganz gut unter die Haut gehen. Auch einer meiner Favoriten. „Regiment der Verdammten“ hingegen nicht. Wer auf dem amerikanischen Bürgerkrieg steht, der mag daran Spaß haben, aber das ist halt ein Thema, mit dem mich schon ganz grundlegend nichts, aber auch absolut nichts verbindet. Hier nun werden die Spieler in die „Geisterwelt eines wahnsinnigen Veteranen“ hineingezogen. Klingt ganz spannend, kam aber nicht so herüber. „Tag der Rache“ ist … erstaunlich pulpig und las sich in der Prämisse fast wie etwas, was ich eher mit dem „Hexer von Salem“ würde spielen wollen. Ein Hexer wird nach 176 Jahren durch Zufall aus seinem magischen Gefängnis befreit und er will das „Testament des Carnamagos“ erlangen, um damit unsterblich zu werden. Ziemlich weit weg von den stilleren Szenarien, die ich an Cthulhu schätze und alles in allem „old school“.
„Dunkle Rivalen“ auch, hat mir aber noch weniger gefallen. Es gibt Pulp, es gibt Ghoule, das ist beides ziemlich cool – der grundlegende Plotaufbau ist es aber nicht. Wenn Spielercharaktere und Ghoule zusammenarbeiten sollen, dann bin ich halt doch relativ zügig raus aus der Rechnung. Das ist dann einfach nicht mehr wirklich meines. Hinzu kommt, dass das Abenteuer teils etwas starr wirkte, jedenfalls beim Lesen.
Bleibt zum Abschluss „Schöne Neue Welt“, aber das hat es noch mal richtig in sich: Kindesentführungen rufen die Ermittler auf den Plan und neben dem ohnehin brisanten Thema gibt es auch noch entlegene Küstendörfer, Fischwesen und alles, was man sich für einen solchen Plot wohl wünschen könnte. Das wieder war ein Abenteuer ganz nach meinem Geschmack. Zu „Das Grauen von den Sternen“ will ich an dieser Stelle nichts sage, da es ja letztlich mit dem Buch an sich nur noch indirekt in Verbindung steht.

Somit kann man aber sagen, dass Grauen in Arkham ein rundum feines Buch ist. Sieben Abenteuer quer durch alle Spielstile, wenn auch an die 1920er gekoppelt wie alles Material der Lovecraft County-Reihe. Von den sieben Abenteuern finde ich eines richtig herausragend, zwei sehr gut, wenn auch noch etwas Aufwand bedürfend, eines grundsolide, zwei nicht ganz gut und eines halt zumindest subjektiv völlig nicht mein Ding.
Das ist für einen Band mit einem so breiten Themenfeld durchaus ein guter Schnitt, denke ich. Der Preis ist fair, das Setting gut genutzt – kurzum: Wer neuen Abenteuernachschub sucht und in den amerikanischen 20ern spielt, der macht mit Grauen in Arkham sicher keinen Fehler.

Mit freundlicher Unterstützung durch Pegasus.


Titel: Grauen in Arkham
Originalausgabe
Verlag: Pegasus Spiele
ISBN: 978-3-939794-89-9
Seitenzahl: 156 Seiten Hardcover
Sprache: Deutsch
Preis: 24,95 Euro{jcomments on}