Arkham - Hexenstadt am Miskatonic

Auch wenn in Deutschland in heimischen Gefilden angesiedelte Abenteuer sich nach wie vor riesiger Beliebtheit erfreuen, kann auch das nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Dreh- und Angelpunkt der originalen, Lovecraft’schen Geschichten die Region rund um die Stadt Arkham in Massachusetts ist. Da wundert es doch fast schon, dass es so lange, nämlich immerhin zehn Jahre, gedauert hat, bis explizit dieses Fleckchen Grauen auch vom deutschen Cthulhu einmal erschlossen wird.
Den Auftrag der Lovecraft County getauften Reihe bildet dabei der vorliegende Band Arkham – Hexenstadt am Miskatonic. Danach folgt dann eine Abenteuersammlung dazu sowie ein Quellenbuch über Innsmouth, die ich in den kommenden Rezis hier besprechen werde, sowie auch ein Abenteuerband zu letzterem Ort, der mir aber noch nicht vorliegt. Daran schließen sich dann noch Quellenbände zu Kingsport und Dunwich an, die aber beide, zu dem Zeitpunkt, an dem ich das hier schreibe, noch nicht erschienen sind.

Beginnen wir also mit dem Buch, das ich fortan der Einfachheit halber mal einfach Arkham nennen werde. Es ist ein imposantes Biest geworden. Auf den ersten Blick ist man versucht zu sagen, dass es vom Umfang her dem Spielleiter-Handbuch in der zweiten Edition gleichkommt, allerdings trügt das, denn obschon die beiden Bücher gleich faktisch dick und gleich bepreist sind, kommt das vorliegende Buch dennoch auf rund 100 Seiten weniger. Dafür ist es auf wirklich gutem, stabilem Papier gedruckt.
Überhaupt ist die ganze Aufmachung sehr hochwertig zu nennen. Das stimmungsvolle Cover von Manfred Escher ist keines seiner besten, aber dennoch eine sehr schön anzuschauende Arbeit und auch von Innen macht das Buch einen guten Eindruck. Das Layout ist gelungen und stimmungsvoll, die Verarbeitung insgesamt sehr stabil und als Sahnehäubchen gibt es noch eine ausfaltbare, schwarzweiße Karte des Ortes im Format A2 zum Buch dazu.
Wenn an der visuellen Front etwas Anlass zum Meckern gibt, dass allenfalls das Kapitel mit der faktischen Ortsbeschreibung. Zwar hat man sogar an einen Navigator am Seitenrand gedacht, aber gerade die Hausnummern – und der Abschnitt ist strikt nach Hausnummern sortiert – sind leider in einer Type gehalten, in der nicht alle Ziffern auf den ersten Blick eindeutig sind. Das klingt nach einer Lappalie, hat mich aber in der Benutzung mehrfach geärgert.

Blickt man ins Inhaltsverzeichnis, erkennt man schnell, dass das Buch sich etwas anders gliedert, als man das vielleicht gedacht hätte. Es beginnt mit einer Beschreibung von Arkham allgemein und dann einem minutiösen Durchlauf aller so quasi Hausnummern der Stadt – doch ist es danach erst bei Seite 100 angekommen. Die restlichen rund 200 Seiten gehen nahezu vollständig an die Beschreibung der Miskatonic-Universität, die mit großer Freude am Detail hier umrissen wird.
Bei einem derart zweigeteilten Buch ist es aber vermutlich auch sinnvoll, beide Teile zunächst getrennt zu betrachten.

Der generelle Teil über Arkham und das Lebensgefühl dort ist toll geraten. Schnell springt die Stimmung der Stadt auf einen über und man kann sich sehr konkret vorstellen, auch länger in dem Ort zu spielen. Wenn ich allerdings etwas über den größeren Teil dieser ersten Sinnhälfte, den so genannten „Stadtführer“, sagen sollte, so wäre das, dass er im Guten wie im Schlechten akkurat und präzise ist.
Die Stadt wurde mit bedingungsloser Liebe zum Detail ausgearbeitet. So weiß man nach der Lektüre, dass die Kurtisane Melissa Throne unter der Anschrift 547 Noyes Street zu finden ist und von ihren Nachbarn für ihre ruhige und verlässliche Art geschätzt wird, und dass die Whiskey-Flaschen von Dan, dem Barkeeper des „Speakeasy“, 1W4+SB Schaden machen wenn er sie im Nahkampf einsetzt und das ist auch alles stimmig – aber es ist irgendwie kein Plot.
Immer mal wieder blitzen an verschiedenen Stellen potentielle Inspirationen durch das lange Kapitel, werden dann aber oftmals auch nicht ausgeführt. So verfügt besagte Kurtisane durchaus über mehrere Mythoszauber – der Text verrät nur leider nicht, woher.
Wenn ich, so als Spielleiter, ein solches Kapitel lese, dann hoffe ich doch auf Inspiration. Und die möchte ich mir nicht mühevoll aus insgesamt 1017 (!) Locations heraussuchen müssen, sondern ich möchte da geleitet werden. Textkästen mit ein paar schönen Anregungen, oder pointierte Hinweise auf gezielt anwendbare Events würden hier Wunder wirken. So allerdings wirkt es wie eine durchaus liebevoll ausgeführte Buchhalter-Arbeit, der aber leider jedes Leben abgeht.

Ganz anders sieht es da an der Miskatonic-Universität aus. Der Teil kann einem das Feuer sofort entfachen. Von der Notenschrift zur Hymne „Hail, Miscatonic, Hail“ über Alltagsbeschreibungen und eben jene Betonungen besonderer Orte, die mir zuvor gefehlt haben, über ganz konkrete Schilderungen der Mythos-Bücher am Ort und der spannenden Exponate des angeschlossenen Museum (konkret mit Abenteuerideen), über Schilderungen des Uni-Alltags und des Personals bis hin zu expliziten Mythos-Verbindungen, konkreten Spielleitertipps sowie neuen Zauber und Artefakten (!) reicht die Auswahl. Da ist definitiv für jeden etwas dabei und, ganz wichtig, alles wurde eindeutig mit einem aktiven Spielleiter im Hinterkopf verfasst.
Absolut gelungen und einer der besten und inspirativsten Abschnitte, die ich seit langer Zeit in einem Cthulhu-Buch gelesen habe.

Und so fällt dann auch mal finales Urteilen zwiespältig aus. Als Quellenbuch zu Arkham ist es durchschnittlich, aber weder besonders inspiriert noch besonders inspirierend. Als Quellenbuch zur Miskantonic-Universtiät, gefüttert mit einem extrem umfangreichen Anhang zur Stadt rund um die Uni ist es allerdings brillant und definitiv eine Kaufempfehlung wert.
Ich hatte nach der Lektüre jedenfalls definitiv Lust, mit dieser Uni mal etwas aufzuziehen. Den dort gibt es definitiv genug Plotaufhänger, die nur regelrecht danach darben, aufgegriffen zu werden.
Und dafür ist das Buch dann auch seine strammen 39,95 Euro wert.

Mit freundlicher Unterstützung durch Pegasus.


Titel: Arkham – Hexenstadt am Miskatonic
Originalausgabe
Verlag: Pegasus Spiele
ISBN: 978-3-939794-81-3
Seitenzahl: 316 Seiten Hardcover
Sprache: Deutsch
Preis: 39,95 Euro{jcomments on}