Um Ulm Herum – Schwaben und die schwäbische Alb

Um Ulm Herum ... liegen die Lande der Schwaben, über die dieser Regionalband berichtet: Geschichte, Politik, Leben in den 1920ern, Land und Leute, Lebensart, wichtige Orte, Burgen, Höhlen, Altertümer, Sagen und mehr, mit besonderem Blick auf die Schwäbische Alb. Enthalten sind zudem zwei Abenteuer.
vom Backcover von Um Ulm Herum – Schwaben und die schwäbische Alb

Und weiter geht unsere Tour durch die Regional-Abenteuerbände, diesmal mit "Um Ulm Herum – Schwaben und die schwäbische Alb". Auf den ersten Blick kann man auch hier wieder sagen: ein typischer Cthulhu-Band.
Markant dicker (und damit auch teurer) als der letzte Woche hier getestete Band "Kleine Völker", aber vom Design her sehr Artverwandt. Es gibt eine hübsche Mischung aus Foto-Collage und Foliant-Design, einmal mehr noch einen Tick schöner als die der Vorgänger.
Das Innendesign bietet den gewohnten Look, mit dem verbrannten Seitenrand, der an die Schrift von Leonardo da Vinci angelegten Type und der Illustration durch zeitgenössische, atmosphärische Fotos. Die sind mittlerweile auch besser erkennbar, nicht mehr so überkontrastiert wie früher, aber dennoch stimmungsvoll.
Die Optik ist, anders kann man es nicht sagen, mal wieder sehr gut und langsam kriegen sogar die Cover-Collagen eine jeweils eigene Identität, nachdem die ersten Exemplare doch durchweg tendenziell eher auswechselbar waren.

Was aber bietet nun der Inhalt? "Um Ulm Herum" ist der einleitende Artikel über "Schwaben und die schwäbische Alb" und mutet ein wenig wie ein Beitrag der 'Cthulhu Regionalia' aus der CW an – was keinesfalls abwertend gemeint ist.

Auf 17 Seiten kriegt man einen Überblick über Land und Leute, Kultur und Geschichte, Lebensgefühl und -standard in den 1920ern geboten, der sich sehen lassen kann. Das Verhältnis zwischen Fakten und spielrelevanten Informationen stimmt ebenso wie der Schreibstil und das Spektrum, welches sich sowohl auf das Land an sich als auch auf einige Orte im speziellen ausrichtet.
Hier gebührt klar Tim Scharnweber ein Lob, denn nach dem etwas kurzen Hintergrundartikel des "Kleine Völker"-Bandes stimmen hier Umfang sowie offenkundiger Nutzen einfach. Ein schöner Einstieg.

Das erste Abenteuer des Bandes entstammt dann einmal mehr der Feder von Steffen Schütte. Der Autor, der mit "Die Froschkönigfragmente" vielleicht das berühmteste deutsche Cthulhu-Abenteuer überhaupt verfasst hat, war zwar war auch für die Idee von "Siegfriedslust" im "Völker"-Band verantwortlich, die Umsetzung dort erfolgte aber durch Wolfgang Schiemichen.
"Unsere liebe Frau aus den Wäldern" ist nun aber wieder ganz sein Werk, und ein Gutes, noch dazu.
Die Geschichte ist sowohl ausreichend komplex als auch von den Spielern lösbar, recht gut durchdacht und interessant. Es gibt zwar einige elegante Möglichkeiten zu sterben, aber ich denke der Plot, der sich nicht zuletzt um die Anhänger der schwarzen Ziege mit den tausend Jungen dreht, bietet den Spielern auch einfach viel.
Kritik geht hier meinerseits vor allem an die Struktur des Abenteuers, denn die ist einmal mehr ein ziemliches Negativbeispiel. Warum gibt es Zeittafeln mit 19 Einträgen, wenn erst beim achtzehnten Eintrag die Spieler überhaupt genannt werden? Hintergründe kann man sich auch im Fließtext suchen, den eigentlichen Handlungsverlauf braucht man aber dringender in deutlicher Form.
Und warum muss der Spielleiter eigentlich selbst auch den gesamten (zugegebenermaßen spannenden und guten) Text lesen, bevor er weiß, worum es gehen soll?
Nun, wie gesagt, die spannende Geschichte entschädigt das, dennoch kann man da noch viel verbessern.

Das zweite Abenteuer ist von Jan-Christoph Steines, einem mittlerweile wohl hinlänglich bekannten Namen aus der Redaktion, hat er doch schon genug eigene Projekte koordiniert und veröffentlicht, nicht zuletzt die Deutschland-Box.
Hier nun hat er ein Abenteuer beigesteuert, das auf den mysteriösen Titel "Das blaue Tor" hört. Es kann als inhaltlich unabhängige Fortsetzung von "Unsere Liebe Frau..." verwendet werden und zieht die Charaktere auch mehr oder weniger zufällig in seine Handlung hinein.
Die Zeit scheint hier etwas aus den Fugen zu sein, ein junges Mädchen taucht immer wieder mysteriös auf, um die Spieler auf irgendetwas hinzuweisen und am Ende gilt es, nach vielen Nachforschungen, noch eine Art Höhlensystem zu überwinden, was im Cthulhu-Sektor fast schon eine willkommene Abwechslung ist.
Inhaltlich ist es ein schönes Abenteuer mit netter Handlung, die weitestgehend doch eher Einzelschicksale beleuchtet anstatt zu theatralisch loszuschlagen. Das macht Freude und bietet sogar noch richtiggehend Potential für nachfolgende Geschichten; wer also Interesse daran hat, eine kleine Kampagne zu spielen, kann die Abenteuer des Bandes in Reihe setzen und kriegt hier direkt noch weitere Fäden mit auf die Reise. Sehr, sehr löblich.
Weniger löblich ist auch hier wieder die Struktur des Szenarios, für die unterm Strich gilt, was ich auch schon zu dem ersten Abenteuer des Bandes gesagt habe. Übler aufgestoßen ist mir hier jedoch noch, dass es einige Stellen gibt, an denen das Abenteuer gewisse Aktionen der Spieler einfach voraussetzt. Sätze wie "...hier ist zu hoffen, dass die Spieler..." sind klare Warnsignale, die gerade einen nicht allzu spontanen Spielleiter sehr in Schwierigkeiten bringen können, leider und vor allem auch gleich in der ersten Szene.
Das ist ärgerlich, denn das Abenteuer läuft eigentlich recht gut, hat eben nur hier und da die (teilweise auch unnötigen) Stolpersteine. Dass das Abenteuer gar nicht in Ulm, sondern wirklich nur "um Ulm herum" spielt, fällt dagegen gar nicht auf.

Abgerundet wird der Band, wie gewohnt, von wunderschönen Handouts und umfassenden Mythosbuch-Auszügen. Vor allem bei den Handouts wurde mal wieder ganze Arbeit geleistet und einige davon sind schon beängstigend real geraten. Hier gebührt einmal deutliches Lob an Adrian Kretsch, Daniel Lau, Uwe Matthes, Annette Scheuerer und Sebastian Wettkamp, die damit wohl sehr zur Stimmung der Szenarien beitragen konnten.

Am Ende der Abrechnung kann man "Um Ulm Herum" durchaus loben. Die Abenteuer sind beide gut (leider durch die strukturellen Schönheitsfehler am 'sehr gut' gehindert), der Hintergrundartikel sogar ganz hervorragend. Die Qualität der Informationen ist es auch, die – in Kombination mit der Kombinierbarkeit der Abenteuer und ihrem Potential zur Fortsetzung – den Band wirklich einmal zu einer sinnvollen Komposition macht. Zwar ist der Titel "Um Ulm Herum" wörtlicher zu verstehen, als man auf den ersten Blick meint, geht es hier doch wirklich mehr um Schwaben als um die Stadt selbst.
Es ist noch Potential zur Verbesserung gegeben, aber an sich gehört das vorliegende Werk sicherlich zu den besten Cthulhu-Bänden.


Name: Um Ulm Herum {jcomments on}
Verlag: Pegasus Press
Sprache: Deutsch
Autoren: Tim Scharnweber, Steffen Schütte und Jan Christoph Steines
Empf. VK.: 22,80 Euro
Seiten: 176