Terror Britannicus

Häupter des Schreckens.
Weihnachten, bei London. Winterlich und friedlich. Doch als sich zur Geisterstunde ein geheimnisvoller Selbstmord ereignet, nehmen die Ereignisse ihren Lauf. [...]
Geister in Loch Feinn
Die Gefährten folgen der Spur eines ermordeten Wissenschaftlers von London nach Schottland. [...]

vom Backcover des Terror Britannicus

Es regnet. Nein, genau genommen sifft es gnadenlos auf uns herab und auch, wenn ich eigentlich nicht zu denen gehöre die glauben, dass es in Aachen wirklich immer regnen würde, belehrt mich ein Blick aus dem Fenster (oder den durchtränkten Mantel in meiner Dusche) eines Besseren.
Es muss also Herbst sein. Was nun also gibt es da Passenderes, als sich im trüben Licht, dass nun bereits vor vier Uhr zu verblassen beginnt, eine große Tasse Cappuccino zu machen, die Heizung aufzudrehen und sich einen stimmungsvollen Band zum Rollenspiel „Cthulhu“ zur Hand zu nehmen?
Nun denn, der Cappuccino neben mir dampft noch und ich wende meinen Blick auf den ersten offiziellen Band der Reihe „Cthuloide Welten Bibliothek“, und somit den dritten Sonderband der CW insgesamt.

Wie schon „Hinter den Schleiern“ handelt es sich auch diesmal um eine Abenteuersammlung, wenn auch thematisch straffer und im Detail doch anders aufgebaut. Das Thema des Bandes steckt schon im Titel: „Terror Britannicus“ bietet Abenteuer in England – zwei an der Zahl. Beide Szenarien beginnen in London, was eine Brücke zum gleichnamigen, regulären Quellen- und Abenteuerband „London“ schlägt, zumindest eines führt aber auchn noch hinaus bis nach Schottland.

Das Design des Einbandes ist wunderschön, eine weitere Collage von Manfred Escher, bei dem ich wirklich den Eindruck habe, dass er von Mal zu Mal besser wird. Das Cover hier jedenfalls ist sehr stimmungsvoll und passt gut zur Thematik des Bandes.
Das Interieur des Bandes ist jedem Käufer von Cthulhu-Produkten vertraut: verbrannte Seitenränder, historische Fotos, schöne Skizzen und hervorragend aufgemachte, sehr authentische Handouts. Auch hier kann man das System nur loben – gerade mit Erscheinen der neuen Grundregelwerksedition hat die Innengestaltung noch mal einen merklichen Schritt nach vorne gemacht.

Dem Band voran geht noch ein Vorwort von Frank Heller, indem er sich zu dem Inhalt des vorliegenden Bandes, aber auch zu einer England-Kampagne im allgemeinen äußert. Da wird etwa der von mir sehr geschätzte „Wales“-Band noch einmal erwähnt, aber auch – ein Zeichen der gesunden Kooperation mit anderen Verlagshäusern – die England-Palette des Verlags Fantastische Spiele GbR.

Das erste Abenteuer des Bandes entstammt der Feder von Gerd Hupperich. Der ist neu in cthuloiden Gewässern, gehört aber zu den absoluten Top-Autoren des anderen großen Haussystems Midgard und ist dort nicht zuletzt für seine oft sehr detektivischen Abenteuer geschätzt.
Und ja, auch „Die Häupter des Schreckens“, so der Titel des ersten Szenarios ist sehr detektivisch geraten. Sehr detektivisch und auch sehr komplex. Gleich zwei aufwendigere Handlungsstränge hat er der Geschichte gegeben, die mit rund 50 Seiten klar den größeren Teil des 94-seitigen Gesamtwerks einnimmt. Ich habe daher auch so meine Zweifel, ob das Abenteuer realistisch zu durchblicken ist. Zwar werden viele Spuren angegeben und man muss auch nicht allen folgen, doch meiner Erfahrung nach sind Spieler häufig schwerer von Begriff, als man meinen sollte und die beiden Parallelhandlungen, in denen auch noch verschiedene „Häupter des Schreckens“ eine Rolle spielen, können schon sehr verwirrend sein.
Der Spielleiter ist dabei nicht weniger gefordert, denn um mal Seite 11 zu zitieren: „Die Häupter des Schreckens ist ein Abenteuer ohne viele vorgegebene Verläufe.“ Im Klartext heißt das, dass der Spielleiter einfach improvisieren können muss, will er die Geschichte zu einem spielbaren Ergebnis werden lassen.
Gelingt ihm das und schaffen die Spieler es, halbwegs so etwas wie Durchblick zu erlangen, dann kann das Szenario vermutlich zu einem grandiosen Spielerlebnis werden, da die Handlung selbst sehr schön ist und die Idee, dass die Spieler selbst die Verbindung zwischen zwei unabhängigen Geschichten sind, ist reizvoll.
Eine letzte Warnung noch: Das Szenario bietet wenig von dem, was man als klassische Mythos-Schrecken bezeichnen kann. Wer also unbedingt exakt in Lovecrafts Fußstapfen stehen will, der könnte hier enttäuscht werden; wer dagegen der Meinung ist, Abwechslung würde dann und wann gut tun, hat vermutlich einen Grund mehr, sich einmal daran zu versuchen.

Das zweite Szenario des Bandes heißt Geister in Loch Feinn und entstammt der Feder des Serientäters Wolfgang Schiemichen. Naja, streng genommen ist es von Glenn Rahman und wurde vom ehemaligen Chefredakteur, ganz so wie die Abenteuerbeilage zum deutschen Spielleiterschirm, grundlegend überarbeitet.
Und das 36 Seiten schwere Szenario weiß aber dennoch zu verblüffen, ist es in seiner Struktur doch merklich anders, als man es von Cthulhu-Szenarien gewöhnt ist.
Es gibt eine konsequente und saubere Handlungszusammenfassung, einen klaren, an die Spielpraxis ausgelegten Aufbau und inszenatorische Tipps zu jeder Szene. Ich kann nicht oft genug betonen, wie sehr mir Schiemichen damit einmal einen gefallen getan hat, denn so gut die Szenarien aus dem Hause Pegasus oft sind, so „unordentlich“ sind sie auch.
Zwar weiß ich auch, dass man Abenteuer besser nie direkt aus dem Buch leitet, aber das ist ja auch kein Grund, nicht dennoch so „anwenderfreundlich“ vorzugehen wie im Falle des vorliegenden Szenarios.
Die Handlung selbst ist weitaus geradliniger als die der Häupter des Schreckens, dreht sich um irischen Legenden, Ley-Linien und die Sagen alter Drachen, vermengt eben mit cthuloiden Schrecken.
Mir hat das Szenario insgesamt recht gut gefallen. Die Handlung kann weder in ihrer Komplexität noch in ihrer potentiellen Faszination mit der des ersten Beitrags mithalten, dafür ist es aber auch umsetzbarer. Es ist ein Abenteuer, wie man es ohne Probleme sehr spontan in eine laufende Kampagne einbauen kann und wie es auch berufstätige Spieler und Spielleiter, die vielleicht nach einem Arbeitstag auch nicht mehr so frisch am Spieltisch sitzen wie dereinst zur Schul- oder vielleicht auch Studienzeit, bequem umsetzbar.
Getreu dem Motto „Anspruch ist immer schön, aber für Unterhaltung nicht zwingend erforderlich.“

Ingesamt hat mit der britische Schrecken hier vor mir extrem gut gefallen. Beide Abenteuer sind gut und auf ihre Art und Weise eigen, haben einen angemessenen Umfang und werden optisch vom Band zudem noch schön in Szene gesetzt. Die Handouts gefallen rundum und begeistern weiterhin durch das konsequente Fehlen unmotivierter Mythostexte zum reinen Selbstzweck.
Das beste aber an dem Werk ist sicherlich der Preis von gerade mal 12,95 Euro – wer dazu nein sagt, ist selber Schuld!


Name: Terror Britannicus {jcomments on}
Verlag: Pegasus Press
Sprache: Deutsch
Autoren: Gerd Hupperich, Glenn Rahman und Wolfgang Schiemichen
Empf. VK.: 12,95 Euro
Seiten: 94