Spielleiterschirm & Der Tod in Aylesbury

Der Tod in Aylesbury ist die Überarbeitung eines sehr beliebten Szenarios aus den frühen Tagen des Cthulhu-Rollenspiels, eines gesuchten Sammlerobjekts, ehedem herausgeben von einem kleinen Verlag, der durch originelle, höchst ungewöhnliche Ideen von sich reden machte. […] Der Spielleiterschirm, völlig neu konzipiert, beruht auf der langjährigen Erfahrung und den Ideen Frank Hellers, Chefredakteur des hauseigenen Magazins Cthuloide Welten. Der Spielleiter findet hier nur das, was er brauchen kann und weswegen er bisher zum Regelwerk greifen musste.
vom Backcover von Der Tod in Aylesbury

Spielleiterschirme. Es ist doch immer wieder das selbe: jedes System hat einen, die einen verteufeln sie, die anderen lieben sie und immer kriegt man noch ein nettes Gimmick mitgeliefert.
Nun, in Falle von Cthulhu existiert ja in englischer Sprache schon eine geraume Weile ein entsprechendes Objekt, doch wusste der englische "Keepers Screen" in keiner Weise qualitativ zu überzeugen und wurde nur von besagtem Gimmick, dem Abenteuer "A Restoration of Evil", vor einem totalen Absturz bewahrt.
Nun, es kann wohl als Glück angesehen werden, dass auch andere mit dem Schirm unzufrieden waren, denn unter diesen anderen befand sich auch Frank Heller, Chefredakteur des deutschen Cthulhu-Magazins "Cthuloide Welten" und allgemein sehr aktive Person der deutschen Cthulhu-Szene, denn er machte sich seinerseits daran, es eben besser zu machen und so der deutschen Spielerschafft einen nützlichen Schirm zu präsentieren.
Pegasus zeigten sich von dem Projekt angetan und so liegt das Paket dann letztlich vor uns, reichhaltig wie es doch ausgefallen ist.

Reißt man die Folie von dem auf der SPIEL 2001 erstmalig veröffentlichten Set, so findet man gleich eine ganze Reihe Sachen vor:
Nicht nur einen, sondern gleich zwei Spielleiterschirme (auf die ich später noch näher eingehe), ein 48 Seiten starkes, einbandloses Buch mit dem titelmitbestimmenden Abenteuer "Der Tod in Aylesbury" (auch dazu später mehr) sowie drei Postkarten und eine vierte Karte, die man entzwei schneiden kann und dadurch zwei Lesezeichen (für das Grundbuch sowie den Amerikaband) erhält. Zudem haben sie jeweils ein verknapptes Inhaltsverzeichnis auf ihrer Rückseite, was zwar im Falle des Grundbuches nicht mit dem Index mithalten kann, aber gerade den Amerikaband tatsächlich etwas übersichtlicher macht.
Auch die Postkarten sind optisch sehr schön geraten und zeigen einen Gug, Tsathoggua und einen Fireworm, dennoch bleibt natürlich die Frage, ob hier nicht etwas Geld verschwendet wurde, doch wie mir Frank Heller auf der SPIEL erklärte, ist eher das Gegenteil der Fall.
Bei der insgesamt eine DinA4-Seite großen Pappe, die pro Set das Material für die Karten stellt, handelt es sich um Verschnittmenge der Schirme, die sonst eben übrig gewesen wäre und so doch noch einer nützliche Bestimmung zugeführt wird - sehr schön wie ich meine.

Schön ist auch wahrhaft der Hauptschirm geraten.
Anders als sein amerikanisches Pendant bringt er es auf vier Panels und ist zudem aus massiver Pappe gefertigt und kann deshalb auch mal angetippt werden, ohne gleich umzufallen.
Auf der bunten Außenseite prangt zunächst einmal das Bild, das schon den Originalschirm zierte (ein riesiges Monsterding, das ich noch am Ehesten für Ghatanothoa halten würde, welches von einigen Kultisten herbeibeschworen wird). Zwar hat es mir da schon nicht so recht gefallen, aber man hat es hierzulande auch nicht dabei belassen.
Umrahmt wird es auf den beiden äußeren Panelen von Collagen im Stile der Cover der deutschen Produkte, also viele ineinander verlaufende, wirre und irre Texte, angereichert mit okkulten Symbolen, was insgesamt so einfach ausgereifter wirkt, so dass das Ganze durchaus gut wirkt.
Die Innenseite ist schwarzweiß, aber inhaltlich dennoch ein Schmuckstück. Hier wurde in der Tat alles zusammengefasst, was irgendwie während einer Sitzung relevant sein könnte.
Das Panel links wendet sich ganz dem Thema "Wahnsinn" zu und listet hier alles, was irgendwie wichtig ist. Eine kurze Regelzusammenfassung, die beiden Tabellen zum ermitteln von kurzfristigen und langfristigen temporären Traumata, die Beispielstabilitätswürfe und eine Liste der Phobien - Spielleiterherz, was willst du mehr?
Das mittlere, linke Panel bringt dagegen die generellen Kampfregeln zusammen. Unter Schlagworten zusammengefasst findet der SL hier alles, was er zur Abwicklung von Nahkampfgefechten braucht, nämlich Ausweichen, Betäubsangriffe, Deckung, Kritische Treffer, Lichtverhältnisse, Panzerung, Parieren, Überraschung, Wurfgegenstände und der Umgang mit zwei Waffen.
Und wenn es mal um den Fernkampf geht, so kann er zum mittleren, rechten Panel greifen, denn dieses widmet sich ganz den Schusswaffenregeln, hier mit den Unterpunkten Automatikwaffen und Feuerstöße, Fehlschüsse und Ladehemmungen, Großflächige Ziele, Kernschussweite, Nachladen von Schusswaffen, Schrotgewehre, Schüsse über weite Entfernungen, Ungezielte Schüsse, Zielen, Zwei Faustfeuerwaffen, Zielfernrohr und Laserzielgeräte sowie Schalldämpfer.
Was nun noch nicht geklärt ist, kann dann noch auf dem rechten Panel nachgelesen werden. Hier wird der Begriff und die Funktion der Kampfrunde noch einmal erläutert, die Erfolgschancentabelle für Kritische Treffer ist ebenso da wie eine komplette Übersicht über die verschiedenen Arten sich zu verletzen (Ertrinken, Ersticken, Explosionen, Feuer, Kontakt mit Säure, Stürze und Vergiftungen). Auch die wichtige Widerstandstabelle ist noch da, aber in einer modifizierten Form:
Anstelle des bisherigen Direktvergleichs auf den beiden Achsen der alten Darstellung kann man nun einfach die Differenz der beiden Werte in der Tabelle nachsehen und erhält dann die zugehörige Erfolgschance. Eine an sich simple Idee, aber eine große Verbesserung gegenüber der doch sehr unhandlichen Tabelle, die bisher Verwendung fand…

Aber mit diesem einen, schon sehr guten, Schirm, ist ja noch nicht alles gesehen!
Noch ein zweiter Schirm steckt in dem Paket, erneut stabil, außen bunt und innen S/W, allerdings nur drei Panels groß.
Auf der Außenseite findet man zunächst einmal, über die gesamte Länge hinweg, die Übersicht über die Zauber des Systems.
Die gab es zwar beim bisherigen Schirm auch schon, doch auch hier weist das Pegasus-Produkt eine klare Überlegenheit auf: neben den wichtigen Stats findet man hier auch stets eine kurze Beschreibung, was der Zauber überhaupt macht. SEHR nützlich!
Auf der Innenseite findet man dann noch über zwei Panels hinweg die Übersicht über sämtliche Waffen des System, was zwar nützlich, aber nicht lebensnotwendig auf, sowie auf dem letzten Panel noch die gewohnten Fertigkeiten mit ihren Grundchancen, die Gifttabelle sowie eine neue (bzw. in früheren Editionen des Systems meines Wissens nach noch enthaltene) Tabelle, mit deren Hilfe man anhand der Bildung eines Charakters dessen maximalen Abschluss ermitteln kann.
Somit ist der zweite Schirm zwar nicht so gut wie der erste und eher der Kategorie "Ganz nett" entsprechend, aber als zusätzliche Dreingabe überzeugt er dann doch wieder.

Bleibt noch das Abenteuer.
Das gute Stück hieß im Original "Death in Dunwich", es ist also schnell klar, dass die deutsche Version "Der Tod in Aylesbury" umgesiedelt wurde, aber auch sonst hat man einiges an dem Abenteuer getan, es entsprechend auf den neuesten Stand gebracht und aufpoliert.
Das Design entspricht dem (hohen) Pegasus-Standard, d.h. ein schönes Design sowie zeitgenössische Fotos zu Illustration. Auch das Cover ist eine hübsche Collage, wenn es auch etwas schmerzt, dass das Buch keinen irgendwie gearteten Einband spendiert bekommen hat. Doch wie man mir erklärte, hätte das den Preis merklich hochgetrieben, insofern kann ich die Entscheidung doch gut verstehen.
Auch Handouts gibt es wieder zuhauf, trotz der relativen Kürze von insgesamt 48 Seiten finden sich in dem Band gleich 26 Stück, vermutlich ein neuer Rekord.
Nun gut, worum geht es denn eigentlich in dem Szenario? Schwer zu sagen, ohne gleich zu viel zu verraten, insofern sollten eventuelle Spieler spätestens hier das Lesen beenden. Generell geht es um einige auftauchende, bisher ungekannte Bilder berühmter Künstler, die jedoch wahre Bilder des Grauens zu sein scheinen. Dahinter steckt ein Hexenmeister, der jene alten Maler wieder ins Leben gerufen hat, um diese Werke zu erschaffen - sowie um einen Avatar von Nyarlathotep, der ebenfalls an den Fäden ziehen darf.
Darin liegt auch ein großer Quell der Gefahr des Szenarios, denn es ist sicherlich nicht gesund, dem Herren N. auf die Füße (oder was auch immer) zu treten, und wie schon etwa beim Abenteuer "Der Gott im Labyrinth" aus "In Labyrinthen" bleibt auch hier die große Gefahr, dass die gesamte Gruppe schlichtweg ausradiert wird.
Sicher, es ist ein Cthulhu-Szenario und da ist die Sterblichkeit nun mal sehr hoch, aber zumindest als Einführung oder Epilog der großen Kampagne "In Nyarlathoteps Schatten", wie mir im Abenteuer angeboten wird, wollte ich den "Tod in Aylesbury" nicht nutzen wollen, da er mir für eine Kampagne doch etwas tödlich ausgefallen ist.

Aber gelangen wir zum Fazit, und das ist, so kann ich unumwunden sagen, durchweg gut.
Alles, was der alte, englische Spielleiterschirm falsch gemacht hat, ist hier im Prinzip besser gemacht worden und in Anbetracht von gleich zwei Schirmen kann man hier getrost nur noch vom Klotzen und nicht vom Kleckern reden. Auch das beigefügte Abenteuer begeistert, ist zwar, wie schon gesagt, recht tödlich für unachtsame Spielercharaktere aber ansonsten durchweg zu empfehlen.
Nun, wer bei diesem, zudem noch recht preisgünstigen, Pack nicht zugreift, der ist es selber Schuld.


Name: Der Tod in Aylesbury
Verlag: Pegasus Press {jcomments on}
Sprache: deutsch
Autoren: Frank Heller, Wolfgang Schimichen, Ed Gimble
Empf. VK.: 16 Euro
Seiten: 48 Seiten + Schirm