Geisterschiffe

Geisterschiffe erzählt von den Legenden der See und den im dunklen Nachtmeer verborgenen Geheimnissen des Cthulhu-Mythos.
vom Backcover von Geisterschiffe

Einst war, wenn ich mich da recht entsinne, „Geisterschiffe“ sogar mal noch als CW-Sonderband angekündigt. Nun aber, saftig im Inhalt gereift und schön verpackt, liegt die Abenteueranthologie als mattes Hardcover der regulären Reihe vor mir.
Ein schönes Buch. Manfred Escher hat sich bei der Covergestaltung einmal mehr sehr ins Zeug gelegt, hat dem Band einen unheimlichen Grünton verpasst und das Cover mit schimmernden Manuskriptseiten, einem Schiff, Tentakeln sowie einem mysteriösen Schemen von fast menschlicher Gestalt veredelt. Von all den, von mir ja generell gern gelobten, Coverdesigns Manfred Eschers rangiert „Geisterschiffe“ ganz weit oben in der Liste.
Einzig das Fehlen eines Lesebändchens hat mich hier etwas enttäuscht – gerade bei Abenteuern sind die einfach nützlich.

Auch im Inneren geht es generell sehr schön zu, mit dem gewohnten „verbrannte Seite“-Layout, zahlreichen historischen Fotos, vielen Handouts, Bildern von Samar Ertsey und Kim Schneider sowie Karten von den Beiden, gemeinsam mit Thorsten Heine.
Aber leider gibt es auch dieses Mal etwas zu mäkeln. Denn wo an den Bildern wie auch den Designelementen nichts zu rütteln ist, so ist die Komposition, wie schon bei „Jenseits der Schwelle“, nicht fehlerfrei zu nennen. Denn wie schon bei diesem Band sind sämtliche eingebundenen Bilder von weißen Quadraten umgeben. Das fängt schon auf der Impressumsseite an, wo das Pegasus-Pferdchen unten links deutlich den grau auslaufenden Seitenrand abschneidet. Da sämtliche Fotos einen unregelmäßigen, „ausgerissenen“ Rand nebst Schattenwurf haben, fällt es dort ebenso deutlich auf. Besonders schlimm fällt es bei Karten und anderen Strichzeichnungen auf, da es dort naturgemäß mehr weiße Flächen gibt, sowie bei einigen größeren Fotos, die dann einen feinen Schlagschatten, eine graue Outline und den weißen Kasten haben (direkt auf S. 12 etwa).
Es mag pedantisch wirken, aber das wirkt einfach unprofessionell. Pegasus haben (mit Recht) den Ruf, einige der schönsten Layouts in der gesamten deutschen Rollenspielszene produziert zu haben und das Buch macht generell auch viel hier, aber diese Schönheitsfehler trüben den Gesamteindruck leider für jene, die ihre Ansprüche mittlerweile entsprechend hoch gelegt haben.

Was bekommt man inhaltlich geboten? Nun, das Buch gliedert sich in einen kurzen Hintergrundartikel sowie gleich fünf Abenteuer von unterschiedlichen Autoren.
Der Artikel stammt von Ralf Sandfuchs, der uns auch später noch einmal hier begegnen wird. Neben einer längeren, authentisch aufgemachten, einführenden Erzählung gibt es einen kurzen Überflug über das Thema Geisterschiffe, ein paar Zeilen zu Mythosschiffen, eine stattliche Anzahl historischer Beispiele sowie wiederum ein paar Zeilen zu Lovecrafts Verbindung zum ewig kühlen Nass.
Sechs Seiten Narration und fünf Seiten Artikel sind allerdings sehr, sehr knapp bemessen für ein Thema dieser Art. Es gäbe viel zu erzählen, das Thema „Schiffe“ sowie „Seefahrt“ hätten sich da generell angeboten. Wir wissen alle um die Piratenklischees lange vergangener Epochen, einige sogar um die Fakten aus der Zeit. Das Leben auf einem modernen Dampfer können wir uns vorstellen – aber wie war das in den 20ern?
Hier hätten einige zusätzliche Seiten sicherlich nicht geschadet.

Los geht es dann mit „Schweres Wachs“, einmal mehr locker mit den Ereignissen aus der Kampagne „Auf den Inseln“ verbunden. Kann demnach als Nachfolgeszenario gespielt werden, klappt aber auch gut ohne Verbindung zu den einstmals teuren Prestige-Kampagne.
Die Handlung selbst ist spannend und das Abenteuer auf ganz eigene Art überraschend. Denn was als typische Detektivgeschichte beginnt, bringt die Charaktere am Ende in eine sehr prekäre, Leben und Verstand bedrohende Situation.
Jakob Schmidt zeichnet sich hier verantwortlich und hat ein wirklich schönes Abenteuer eingereicht. Ausnahmsweise sogar eines, dem ich das Fehlen einer konkreten Handlungsübersicht zu Beginn nicht ganz so übel nehme, wie ich das sonst täte, da es sehr gut strukturiert und in drei Sinneinheiten weiter unterteilt ist.

Beitrag Nr. 2 stammt von Chulhu-Vielschreiber Peer Kröger. „Ein Schiff wird kommen“ prophezeit der Titel und in der Tat, es kommt, aus der Vergangenheit allerdings. Die Geschichte ist in Norddeutschland angesiedelt und ebenfalls sehr sorgsam strukturiert, aber dennoch vermutlich nicht ganz problemlos zu leiten.
Denn es geht viel um Interaktion, um das Verhalten von NSCs und Nachforschungen durch Dialog, was gute Vorbereitung des Spielleiters verlangen dürfte. Dafür gibt es vereinzelte Tipps für den Spielleiter quer durch den Text, die einem das Tagewerk etwas erleichtern.
Ein schönes Szenario, elegant in den Mythos eingebunden, aber vermutlich anspruchsvoll, zu einem Horrorszenario zu machen.

„Die Büste der Lady Grey“ gilt es, im gleichnamigen, dritten Szenario des Bandes zu transportieren. Verfasst wurde das Szenario von Todd A. Woods und Kevin A. Ross und man kann getrost sagen, dass es sich hier nicht um eine alltägliche Geisterschiffgeschichte handelt. Wie eigentlich ja bei keinem der Szenarien im Band.
Vielmehr fängt sich das Segelschiff der Charaktere, mit dessen Hilfe sie das titelgebende Objekt überführen, einen prähistorischen Gliederfüßler ein, der fortan mit seiner Brut die Überfahrt zur Hölle werden lässt. Die Büste der ersten, weiblichen Regentin Großbritanniens, die nach nur neun Tagen abgesetzt wurde, spielt dabei war nur teilweise eine Rolle, ist aber ein gutes Instrument, um die Handlung lange mysteriös zu halten und nicht zu sehr in ein „wir gegen das Monster“-Schema rutschen zu lassen.
Ein interessantes Szenario aus dem man gut etwas machen kann. Hier gibt es dann auch mal umfassende Infos zum Seemannsleben, von einem Infokasten über den Nutzen von Shantys bis hin zu umfassenden Schilderungen aller möglichen Teile des Schiffes. Sehr lobenswert und hilfreich, um dem Szenario weitere Tiefe zu geben.

„Tod an Bord“ ist dann bereits der zweite Beitrag von Peer Kröger, der sich dieses Mal jedoch mit Uwe Matthes zusammen getan hat. Um ohne Umschweife zum Punkt zum kommen: es ist in meinen Augen eines der besten Cthulhu-Szenarien, die ich je gelesen habe.
Die Charaktere reisen auf einem Passagierdampfer, rammen jedoch in einer Nebelbank ein anderes, ein Geisterschiff. Doch das ist nicht das Gruseligste, was ihnen während der Reise passieren soll. Denn etwas anderes geht auf dem Schiff um und sie werden sicherlich schockiert sein, wenn sie erfahren, was oder wer das ist.
Das Szenario ist geradlinig, jedoch komplex. Eine gute Einleitung sowie eine Zeittafel am Ende helfen sehr, beides zu kompensieren. Die Handlung selbst ist sehr gut durchdacht und mit einer sehr netten Pointe versehen.
Es ist jedoch, das muss man dazu sagen, als Oneshot konzipiert. Eigene Charaktere auf die Reise zu schicken ist denkbar, Charaktere während einer laufenden Kampagne sei von der Fahrt mit dem Schiff aber dringend abgeraten.
Zuletzt zu loben ist wohl noch das Maß an Vorausdeutungen, das sich finden lässt. Dass das Unheil etwa damit beginnt, dass eine Schatulle von dem Geisterschiff an Bord gelangt, dessen Name Pandora ist, ist ein Beispiel dafür. Dass das Passagierschiff Charon heißt, nicht weniger. Das mag teilweise noch flach klingen, es funktioniert am im Rahmen der gut durchdachten Geschichte hervorragend.

Den Abschluß macht der Mann, der auch den Anfang gemacht hat: Ralf Sandfuch ist der Verfasser von „Gleißendes Feuer“. Das Abenteuer, dass an dem für Geisterschiffe sicher eher erst einmal unüblichen Ort Duisburg spielt, ist eine lockere Fortsetzung seines Szenarios „Finstere Glut“ aus der Deutschlandbox, doch genauso wie schon bei „Schweres Wachs“ kann auch hier ohne Probleme ohne Vorkenntnis losgespielt werden.
Er führt uns in das Jahr 1924, hinein in die französsische Besatzung. Zwar geht es, wie auch vorwerg im Abenteuer vermerkt, weniger korrekt-historisch zu wie noch im Vorgänger, doch ist das für eine gute Geschichte wohl ein gerne bezahlter Preis. Das Setting macht dennoch einen großen Reiz des Szenarios aus, denn Sandfuchs versteht es vortrefflich, es tatsächlich auch mal auszunutzen, die 1920er als Setting zu verwenden.
Auch das nun wirklich unerwartete Setting erfreut einen, denn mit Duisburg rechnet man bei dem Titel „Geisterschiffe“ ja nun nicht; Spielern wird das dagegen vermutlich weniger auffallen, es sei denn man kündigt explizit an, dass es um Geisterschiffe gehen soll.
Insgesamt jedenfalls ein unterhaltsames Szenario mit viel Flair und einem ungewohnten Setting.

Abschließend kann ich „Geisterschiffe“ nur wärmstens empfehlen. Kleinere Schnitzer im Layout sind zu verkraften, der kurze Einleitungsartikel dagegen ist etwas enttäuschend. Das wird aber wiederum durch großartige Szenarien aufgewogen, wo eben vor allem „Tod an Bord“ zu nennen wäre. Doch auch die anderen sind spielenswert, weit abwechslungsreicher, als es der Titel des Bandes vermuten ließ und samt und sonders gut durchdacht.
Der Preis ist auch fair, somit kann man, als Cthulhu-SL, mit „Geisterschiffe“ eigentlich nichts falsch machen.


Name: Geisterschiffe
Verlag: Pegasus Press
Sprache: Deutsch
Autoren: Peer Kröger, Kevin Ross, Ralf Sandfuchs, Jakob Schmidt, Uwe Matthes, Todd A. Woods, Ingo Ahrens (Redaktion)
Empf. VK.: 24,95 Euro {jcomments on}
Seiten: 166