Hexer von Salem, Der - Wenn Engel fallen

[...] in Wenn Engel fallen stranden die Spielercharaktere an der Seite von Richard Craven – dem Sohn des Hexers – auf einer unbekannten Insel, wo sie einem Stakkato rätselhafter Gefahren ausgesetzt sind. Das einsteigerfreundliche Abenteuer ist so rasant und überdreht, dass abgebrühte Rollenspieler ebenso auf ihre Kosten kommen wie Neueinsteiger.
vom Backcover von Der Hexer von Salem: Wenn Engel fallen

Es ist eigentlich lange her, dass mich ein Titel der Cthulhu-Redaktion echt mal positiv überraschen konnte. Und bevor ihr jetzt alle empört aufschreit, schaut genau hin, was ich gerade geschrieben habe. Dass er mich „überraschen“ konnte. Warum?
Nun, der Produktionsstandard seitens Pegasus ist mittlerweile extrem hoch, die Erwartungshaltung fällt entsprechend aus und natürlich findet man irgendwann einfach mehr Dinge, die früher vielleicht einfach auch schon mal besser geklappt haben, als Dinge, die einem jetzt neu positiv ins Auge fallen.

Meine Liebe zum Hexer-Grundregelwerk war dagegen ja eher verhalten, oder wenigstens zweigeteilt. Als dann noch der erste Abenteuerband angekündigt wurde und nur einen geringen Umfang von gerade mal 44 Seiten haben sollte, war ich dann schon skeptisch. Sehr skeptisch. Jetzt liegt „Wenn Engel fallen“ neben mir und ich muss sagen, ich nehme alle ausgesprochene wie auch die unausgesprochene Skepsis augenblicklich zurück, diesmal ist es passiert. Ich wurde noch einmal positiv überrascht.

Der Band kommt in einem für Pegasus-Verhältnisse sehr ungewöhnlichen Format daher. Mit 44 Seiten ziemlich dünn und nicht nur als Softcover (klar, bei dem Umfang), sondern eben auch geheftet, nicht geleimt (ehrlich gesagt eigentlich auch klar, bei dem Umfang). Der Umschlag ist farbig und hochglänzend, das innere dagegen matt und schwarzweiß. Gelbliches Papier und sepiafarbene Tinte, wie man sie noch im Hexer von Salem vorfand, gehören der Vergangenheit an, was zwar nicht mehr ganz so schnieke aussehen mag, dafür die Lesbarkeit aber grenzenlos erhöht. Und ganz im Sinne von „form follows function“ soll mir das nur Recht sein.
Der Umschlag sieht gewohnt bombig aus. Wieder einmal war Manfred Escher am Werk und hat ein schönes Design nebst hübschem Bild des Hexers (dies ist von Les Edwards) selbst zusammengebracht, was den Band sogar trotz der eher uneleganten Heftung zu einer Augenweide macht. Die einzige Kritik hier geht nicht an die Künstler, sondern an die Verarbeitung: Der Umschlag ist leider verhältnismäßig dünn, ist nur unwesentlich robuster als etwa der der aktuellen „GamePro“, die ebenfalls auf meinem Tisch liegt. Das mag für ein Magazin, Stichwort „Cthuloide Welten“, okay sein, finde ich aber für ein „Büchlein“ wie dieses hier eher unpassend.
Dafür stimmt das Innenlayout. Ja, richtig, nach Monaten der Nörgeleien kann ich hier einfach noch mal mit Freude verkünden, dass eigentlich alles stimmt. Das neue Layout der „Hexer“-Reihe umgeht das „weiße Kästen um Illustrationen“-Problem, über das ich ja seit „Jenseits der Schwelle“ meckere, ja ohnehin, weshalb man dazu nichts sagen muss. Da aber der Druck, wie eingangs erwähnt, nun klassisch S/W ist und die Überschriften diesmal eine manierliche Größe haben, anders als im Hexer von Salem, entfallen auch die Probleme mit Lesbarkeit und Unübersichtlichkeit. Auch die Bildredaktion und -verarbeitung ist diesmal besser geworden. Respektlos auf eine Größe jenseits aller Auflösungen aufgeblähte Bilder wie im Grundwerk der Reihe finden sich nicht mehr und wenn ich mich nicht täusche, sind zwar einige der gezeichneten Illustrationen wieder „Weird Tales“-Cover, diesmal aber aufgezoomt, so dass – wenn er denn da war – der Titel des Magazins nicht mehr zu sehen ist. Wie dem auch sei, „Wenn Engel fallen“ ist einfach ein nett anzuschauender Band geworden.
Zuletzt einige Takte zum Preis. Der liegt mit 9,95 Euro deutlich unterhalb von allem, was es derzeit für das Rollenspiel der Welt H.P. Lovecrafts zu kaufen gibt. Dafür hat er aber natürlich auch markant weniger Seiten. Anstelle dies nun mit den Restbänden der Reihe(n) zu vergleichen, kurz zwei Blicke über den Tellerrand. Die so vielgerühmten und kommerziell definitiv erfolgreichen DSA-Abenteuerbände liegen bei den Softcovern rund zwanzig Seiten über diesem Band, kosten aber auch rund drei oder vier Euro mehr. Die offiziellen, deutschen D&D-Abenteuer haben dagegen sogar zehn Seiten weniger und kostet entsprechend ihre drei Euro mehr. Ich denke, da kann man hier einfach nicht meckern.

Kommen wir aber, endlich, zum Inhalt.
„Wenn Engel fallen“ kann man recht einfach in zwei Teile gliedern. Der erste heißt „Der Sturmbringer“ und wurde im Vorfeld als flammneue Geschichte von Wolfgang Hohlbein bewoben. Flammneu stimmt und das ist für „Hexer“-Fans sicher interessant, ich persönlich dagegen mag Hohlbein ja eher nicht so und war dementsprechend auch eher verhalten begeistert. Was mir vor allem aufgefallen ist, war der Vermerk „von Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler“. Irgendwie wurde ich da den fahlen Nachgeschmack von Schreibdelegation und Namedropping, was man im Umfeld Hohlbein ja nicht zum ersten Mal hören würde (Das „Jahr des Greifen“ wäre so ein Fall), nicht ganz los.
Aber egal, die Geschichte ist ganz manierlich und ich erkenne den verkaufs-kommerziellen Aspekt der Kooperation an, doch mal ehrlich – zwölf von 44 Seiten sind schon happig. Dann das nächste Mal lieber mehr Abenteuer.

Für besagten, spielbaren Teil bleiben demnach noch 44 - 12 (Kurzgeschichte) - 3 (Deckblatt, Schmutztitel, Inhalt) - 1 (Werbung am Ende) = 28 Seiten über, was okay ist, aber grenzwertig. Sollte einer der nachfolgenden Bände der Reihe (dazu am Ende mehr) mehr Werbung oder mehr Kurzgeschichte beinhalten, müssen wir über die „der Preis ist angemessen“-Punkte von weiter oben wohl noch mal reden.
Aber zurück zum Inhalt. „Wenn Engel fallen“ entstammt der Feder von Matthias Oden und richtet sich ganz explizit auch an Neueinsteiger ins Thema Rollenspiel und Spielleiten. Die Struktur ist vorbildlich und bestätigt mich einmal mehr in meiner Hoffnung, dass die spielleiterfreundliche Aufmachung vieler Cthulhu-Abenteuer vergangener Bände mehr Trend als Einzelfall ist. Gleich zu Beginn wird eine entsprechende Übersicht über die Vorgeschichte geboten, der Grundton wird definiert und es gibt einen Textkasten mit einer Grobübersicht des Handlungsverlaufs.

Die Spieler stürzen mit einem Flugzeug und in Begleitung von Richard Craven auf einer Insel ab und geraten dort in die Fänge eines Kultes, Magier und ein dunkles Erbe, dass konkret einen aus ihren eigenen Reihen zu betreffen scheint. Das alles mündet in einem unterirdischen Höhlenkomplex. Das Abenteuer ist sehr pulpig und gerade das Finale dahingehend sehr klassisch, dennoch ist es merklich zur Umsetzung am Spieltisch und nicht zur Befriedigung literarischer Ambitionen verfasst worden.
Allerdings ist es bisweilen etwas forcierend. So sind die Spieler eben in Begleitung Richard Cravens, der rein aus Kanongründen nicht sterben darf. Und ihr Pilot Victor van Heugen sollte auch besser bis zum Finale dabei bleiben. Ich persönlich fand all das okay und im Rahmen, auch und besonders für ein Einsteigerszenario, aber andere Leute sind da ja dogmatischer als ich und seien hiermit vorgewarnt.
Positiv fallen dagegen die ganzen, dezent in Textkästen arrangierten, SL-Tipps auf, die durch das gesamte Szenario verteilt zu finden sind und dem Neueinsteiger sicherlich helfen können, sowie kleine sonstige Ratschläge, etwa, wie man eine Brücke vom Grundbuchszenario Das Erbe der Templer hin zu diesem Abenteuer schlagen kann.
Ebenfalls zum Pulp-Stil passend aber eben auch Geschmackssache sind wohl einige Popkultur-Referenzen in Text und Spiel. Van Heugen arbeitet für die britische Firma „Industrial Flight and Magic“, was schon recht holzhammerig ist und der Textkasten zu einem magischen Archiv ist „Googeln mit Kugeln“ betitelt. Muss jeder selber wissens, ob er das mag, ich fand es jedenfalls ganz kultig.

Am Ende gibt es dann sogar noch eine Art Quasi-Dungeon und viel Action, eine etwas ekligere Plotmauer am Wegesrand, die aber den Spielern nicht unterkommen muss und richtig viele offene Enden zum Anknüpfen. Zeit also, ein Fazit zu ziehen.
„Wenn Engel fallen“ ist ein Experiment seitens Pegasus gewsen, das meines Erachtens voll aufgeht. Das neue Format ist recht nett und bietet viel Spielspaß zum kleinen Preis, wobei man nur in Zukunft aufpassen muss, dass das Verhältnis von Beiwerk und eigentlichem Abenteuertext weiterhin halbwegs in der Waage bleibt.
Ansonsten ist es gut zu lesen, sieht hübsch aus, gut für Spielleiter aufbereitet und mit netten Details gespickt. Man muss nicht einmal „Hexer von Salem“-Fan sein, um hier zuzugreifen, jeder „Pulp“-Fan mag hier fündig werden.
Es sind bereits zwei weitere dieser Bände angekündigt – „Der Teufelsplan des Fu Manchu“ im Juli und „Tage des Mondes“ im November. Auf die freue ich mich jetzt bereits richtig und für „Wenn Engel fallen“ kann ich es kurz machen: zugreifen!


Name: Der Hexer von Salem - Wenn Engel fallen
Verlag: Pegasus Press
Sprache: Deutsch
Autoren: Matthias Oden, mit Beiwerk von Wolfgang Hohlbein und Dieter Winkler
Empf. VK.: 9,95 Euro
Seiten: 44{jcomments on}