Aus Æonen

Der Blutsauger von Schwarzbrunn
Garten der Lüste
Die Zeit der dunklen Träume
Fairy Tales
Das Iracus-Project

vom Backcover von Aus Æonen

Kaum war mit „Terror Britannicus“ der erste Band der Reihe „Cthuloide Welten Bibliothek“ erschienen, war auch schon der zweite Band auf dem Weg. „Aus Æonen“ ist zugleich nun auch eine direkte Fortsetzung des Konzeptes des zweiten „Cthuloide Welten“-Sonderbandes und sammelt von einander unabhängig Szenarien zu verschiedenen Epochen. Gleich fünf dieser Szenarien haben es in den Band geschafft, eines davon noch durch einen Hintergrundartikel ergänzt.

Doch, was einem wie schon gewohnt zuerst auffällt, ist die wunderschöne Covergestaltung durch Manfred Escher. Das Cover des Æonen-Bandes ist sehr diffus, wirkt aber in seiner rot-orangen Farbgebung und mit dem zentral gesetzen, leuchtenden älteren Zeichen sehr bedrohlich.
Die Innengestaltung entspricht weitestgehend dem gewohnten Standard – das bedeutet verbrannte Seitenränder, ein schöner und zugleich übersichtlicher Satz, authentische Handouts und nicht zuletzt zahlreiche zeitgenössische Fotografien.
Zumindest bei den Letztegenannten gibt es aber definitiv weniger als gewohnt. Das liegt jedoch nicht an einem etwaigen Unwillen der Macher, sondern vor allem daran, dass gleich drei der Szenarien in dem Band einer Zeit entstammen, aus der es keine Fotos gibt – sei es nun lange vergangen oder sogar in der Zukunft.

Richtig gelesen, es gibt auch ein SciFi-Abenteuer in dem Band, aber gehen wir doch mal, wie das Buch selbst, chronologisch vor. Demnach eröffnet „Der Blutsauger von Schwarzbrunn“ den Reigen, denn der führt uns in das Jahr 998 nach Christus; in das tiefe Mittelalter also.
Die Prämissen klingen allesamt nicht sonderlich frisch. Ein Kloster, in dem seltsame Morde geschehen, das klingt nach Umberto Eco, mysteriös verschwindende Kinder nach Jean-Pierre Jeunet und ein rot gewandeter Mönch schon regelrecht nach Edgar Wallace.
Doch das Szenario, von Stefan Franck verfasst, liest sich gut, ist übersichtlich geschildert und wird 1000-AD-Runden sicherlich gut auf Trapp halten. Es ist allerdings auch recht knapp geraten, bedenkt man, dass 16 der 33 Seiten umfang alleine für die Handouts verwendet wurden.

Abenteuer Nr. 2, „Garten der Lüste“, ist alleine von der Prämisse her schon weitaus spannender. Die Spieler werden als spanische Inquesiteure im 16. Jahrhundert in ein entlegenes Bergdorf geschickt, um dort die Schwangerschaft einer Jungfrau zu untersuchen.
Eine schöne Idee, gänzlich unverbraucht bisher und daher, dass noch eine Brücke zu Frank Hellers „Die Kinder des Käfers“ aus dem gleichnamigen Abenteuerband geschlagen wird, sogar zu einem Jahrhunderte umspannenden Zweiteiler ausbaubar, wenn man etwas Arbeit investiert.
Lucya Szachnowski und Gary O‘Connell zeichnen sich hier als Verfasser verantwortlich, Ulrike Bogdan und Frank Heller.

„Die Zeit der dunklen Träume“ ist von Steffen Köhn geschrieben worden und führt uns, Ende des neunzehnten Jahrhunderts, in die Metropole der Fin-de-Siècle-Stimmung; es führt uns in das Paris des Jahres 1898.
Hier muss ich gestehen, bin ich sehr zwiegespalten. Einerseits ist das Szenarie sicherlich spannend, schön ausgedacht und gefällt mir nicht zuletzt deshalb, weil hier die Grundidee der „Kerkerwelten“ aus dem gleichnamigen Abenteuer im „Spielleiter-Handbuch“ noch einmal aufgegriffen wird. Auch ist es sicherlich zu sehr intensivem Rollenspiel geeignet, da es personal gerade zu Beginn auf einen einzelnen Spieler, wohl aber aus einer ganzen Gruppe, zugeschnitten ist.
Da aber liegt mein Problem, gleichsam so, wie ich es auch schon mit Wolfgang Schiemichens „Berlin“-Abenteuer „Der tanzende Faun“ hatte. Denn sind die anderen Spieler nicht daran interessiert, die anfängliche Solo-Odyssee eines Spielers als stumme Zuhörer erleben zu wollen respektive findet sich kein zweites Abenteuer, in dem dies schon als Nebenhandlung eingebetet werden kann, so kann der Auftakt des Abenteuers schnell recht unbefriedigend ausfallen.
Auch wenn der ausgewählte Spieler diese Solo-Rolle nicht entsprechend ausfüllen kann, macht die Spannung schnell einen Bauchplatscher. Zwar setzt auch der „Garten der Lüste“ einzelne Spieler prominenter ein als andere, dort ist es aber nicht so sehr Konzept wie hier.
Somit bleibt eine schöne Handlung, die ich aber auch nur für begrenzt umsetzbar halte.

„Fairy Tales“ ist ein Abenteuer, be dem der Name Programm ist. In Stefan Geislers Geschichte geht es um Feen im traditionellen Sinne. Auf der Suche nach einem verschwundenen Mädchen kommen die Charaktere in den 1920ern in ein Dorf irischer Einwanderer in den USA – und mit den Iren ist auch deren Mythologie mit in die neue Welt gereist.
Das Abenteuer bietet neben einem eher klassischen Plot vor allem auch einen Flug in die Anderswelt, das Reich der Feen respektive Sidhe also. Neben der Tatsache, dass Leute, die das Fehlen der Traumlande in den deutschen Veröffentlichungen so beklagen, hier vielleicht einen Hauch von Ersatz finden, ist dies zumindest ein unverbrauchter Rahmen. Weniger gut gefallen hat mir daran jedoch die auf mich etwas erzwungen wirkende Verwicklung mit dem Mythos, die das Konzept weder nötig hat, die aber auch etwa im Hinblick auf das verbundene Abenteuer nur bedingt Sinn macht.
Im Endeffekt ist es sicher kein schlechtes Szenario; sicherlich aber Geschmackssache.

Das letzte Szenario des Bandes, „Das Icarus-Projekt“ von Christoph Maser und Matthias Oden fällt dagegen wieder mehr in die Kategorie „das kenn‘ ich doch...“
Wie eingangs erwähnt handelt es sich bei Abenteuer Nr. 5 um einen SciFi-Plot. Es geht um einen Raumschiff-Prototypen, der einen neuen, ganz modernen Sprungantrieb hat, welcher aber scheinbar beim Testflug noch etwas ganz anderes heraufbeschworen hat, als geplant.
Kommt von „Event Horizon“ bekannt vor? Mit Recht!
Mann muss anerkennen, dass das Abenteuer selbst nicht so abgekupfert ist wie es die Zusammenfassung des Plots vermuten lässt, man fragt sich aber doch, ob nicht auch mal eigenständigere Handlungsideen im Weltall denkbar wären; aber das ist weniger eine Kritik an Cthulhu, denn da ist das vorliegende Abenteuer ja das Erste seines Genres.
Es sind jedenfalls schöne Ideen enthalten, dass fatale Ende gefällt mir und ich glaube, man kann viel Freude damit haben – nur fürchte ich echt, dass manche Spielerschaft sich vom SL, wenn er mit dem abgenutzten „Kürzeste Distanz zwischen zwei Punkten durch Falten eines Blattes“-These kommt.
Der Umfang kann hier dagegen positiv beeindrucken; das Szenario ist angenehm umfassend ausgebaut und beschreibt die ohnehin begrenzte Lokalität mit angenehm überrasschend vielen Details.
Insgesamt also gut, aber recht abgenutzt.

Abschließend kann man nur sagen, dass der CW-Crew mit „Aus Æonen“ ein wirklich guter Abenteuerband gelungen ist. Für gerade mal 16,95 ¤ erhält man gleich fünf Szenarien, die zwar nicht alle an der obersten Grenze der Messlatte kratzen, bei denen aber auch die Schwächeren entweder durch die Liebe zum Detail in der Umsetzung oder aber auch wenigstens durch ihre spannende Handlung punkten können. Da gefallen auch die vielen Querverweise zu anderen Publikationen sehr gut, es gibt der Reihe insgesamt ein angenehm geschlossenes Gefühl.

Jeder der Cthulhu spielt und der mit den 1920ern außerhalb Deutschlands oder Amerikas oder aber gar mit einer anderen, eventuell sogar ganz neuen, Zeitepoche etwas anfangen kann, sollte mal einen näheren Blick auf „Aus Æonen“ werfen – es dürfte sich lohnen.


Name: Aus Æonen
Verlag: Pegasus Press S
prache: Deutsch
Autoren: Franck, Szachnowski, O‘Connell, Köhn, Geisler, Maser u.a.
Empf. VK.: 16,95 € {jcomments on}
Seiten: 174