Dämmerstunden
Besitzen Sie genug Wagemut, Ihre eigene Angst zu bezwingen und sich dem Unaussprechlichen zu stellen? Düstere Geheimnisse und finstere Orte finden sich zuhauf in Aventurien und warten nur auf furchtlose Abenteurer, die auch angesichts wahrhaft grauenerregender Herausforderungen nicht Reißaus nehmen.
– Zitiert vom Backcover von Dämmerstunden
Abenteueranthologien haben ja mittlerweile eine gute Tradition bei DSA. Normalerweise gibt es bei neu erschienenen Spielhilfen immer einen Abenteuerband mit den passenden Abenteuern, aber auch ein paar Bände die rein thematisch davon unabhängig mehrere Szenarien in sich vereinen. Ein gutes Beispiel sind wohl die Märchenanthologien, die mittlerweile in die dritte Runde gegangen sind. Mit Dämmerstunden nimmt man sich bei DSA, passend zur dunkleren Jahreszeit, nun dem Horror und Grusel an. In vier unterschiedlichen Abenteuern können sich die Helden dabei den verschiedensten Ängsten stellen.
Der 116 Seite starke Hardcoverband kommt mit dem, mittlerweile typischen, modernen Coverbild daher, welches auch recht stimmig zum Thema passt. Blutbeschmierte Ghule, die gerade im düsteren Dickicht über einen Boronsanger stapfen, während sich im Vordergrund eine ängstlich dreinblickende Dame zu verstecken versucht. Damit dürfte auch klar sein in welche Richtung der Hase hier läuft. Auch die Innenillustrationen können sich sehen lassen und sind qualitativ durchweg hochwertig geworden. Allerdings hätte man sicherlich noch ein wenig mehr Mut zu gruseligen Motiven bei den einzelnen Abenteuern zeigen können. Die wichtigen Handouts zu den einzelnen Abenteuern gibt es im Anhang wieder auf separaten Seiten, was das Kopieren erleichtert. Optisch und haptisch gibt es also nichts zu meckern, die Jungs und Mädels bei Ulisses wissen mittlerweile, was sie ihren Fans schuldig sind. Aber wie sieht es den mit den einzelnen Abenteuern aus? Immerhin steht und fällt solch eine Abenteuerband mit der Qualität der einzelnen Beiträge. Als großer Pluspunkt sei gesagt, dass nur zwei der vier Abenteuer geographisch verortet sind, die anderen beiden lassen sich ohne große Mühe überall in Aventurien ansiedeln. Etwas was ich persönlich sehr begrüße, da man als Spielleiter ja nicht immer in den vorgeschriebenen Gebieten unterwegs ist. Zudem sind die einzelnen Beiträge ordentlich lektoriert -nur beim dritten Abenteuer fehlen die Angaben für die Abenteuerpunkte - und gut ausgearbeitet: Begrüßenswert, da man vor allem aufgrund der recht kurzen Beiträge, direkt los spielen kann ohne selbst noch groß Arbeit in die einzelnen Abenteuer stecken zu müssen.
Das erste Szenario von Muna Bering und Jan Bratz trägt den Titel „Geisterjahrmarkt“ und wie man sich denken kann, bekommen es die Helden mit einem verfluchten Jahrmarkt und darüber hinaus mit einem bösartigen Kobold zu tun. Geister, Grusel und all die Zutaten, die man sich denken kann, sind im Abenteuer enthalten, wenn die Helden versuchen dem Geheimnis des alten Jahrmarktes auf den Grund zu gehen und verschwundene Dorfbewohner zu finden und zu retten.
Klassisch und als Einstand recht gelungen, vor allem da es eines der beiden Abenteuer ist, die sich mit ein paar Modifikationen praktisch überall in Aventurien spielen lassen. Allerdings muss man aufpassen, dass es nicht zu sehr ins Witzige abgleitet, da die Helden zwar versuchen mit Hilfe der Geister eine Möglichkeit zu finden den Kobold zu besiegen, diesen aber auch unterhalten müssen um nicht dessen Zorn ertragen zu müssen. Problematisch ist hier im Spiel sicherlich, dass die Spieler hier angesichts eines recht übermächtigen Gegners nicht zu sehr frustriert werden.
Im zweiten Abenteuer mit dem trashig-schönen Titel „Die Nacht der geifernden Mäuler“ von Dominic Hladek geht es dann aber schon einen Gang härter zur Sache. Die Helden begleiten einen Borongeweihten in das Dorf Notacker ins erst kürzlich befreite Warunker Umland um dort die göttliche Ordnung wiederherzustellen. Die Helden erwartet allerdings eine lange und blutige Nacht in der sie sich gegen eine Horde von Ghulen erwehren müssen. Persönlich mein Favorit unter den Abenteuern, orientiert sich das Szenario doch an bekannten Zombiefilmen und -spielen inklusive der dazu passenden NSC's und verschiedenen Arten von Ghulen die - „Left 4 Dead“ lässt grüßen - unterschiedliche Aufgaben haben um den Helden das Leben schwer zu machen. Auch der Aufbau ist recht modular gestaltet und lässt den Helden viele Entscheidungsmöglichkeiten. So ist es den Spielern überlassen, ob sie versuchen möchten zu fliehen oder versuchen sich zu verschanzen, denn vor allem steht hier Überleben an erster Stelle. Definitiv ein astreines Horrorabenteuer, das auch nicht mit härteren Szenen spart. Lediglich die etwas länger andauernden Kämpfe könnten den Spielfluss eine wenig bremsen.
Der dritte Beitrag trägt den Titel „Das letzte Stündlein“. Das von Martin John erdachte Abenteuer führt die Helden nach Thalusa. Die Stadt unter der Herrschaft des düsteren Elfens Dolguruk des Schwarzen bietet sicherlich einiges an Potential um eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen. Leider bildet dies nur den Auftakt, da die Helden einen verschollenen Forscher suchen, der in Thalusa in Gefangenschaft geraten ist. In der Stadt selber können die Helden leider relativ wenig machen. Der Plan beinhaltet auch die eigene Gefangennahme, da die Strafe des Forschers sein wird bei lebendigem Leibe in einer Höhle eingesperrt zu werden. Diese wurde aber vorher von den Helden mit Ausbruchswerkzeug und Waffen präpariert um so einfacher zu entkommen. Natürlich werden sie aber nicht in der vorbereiteten Höhle eingemauert, sondern in einer anderen und aus der ist nur ein Entkommen durch die Zeit und einen alten Satinavtempel möglich. Ich muss sagen, so ganz warm geworden bin ich mit diesem Szenario nicht. Die Grundidee ist zwar nett, aber leider kommt einerseits die drückende Bedrohlichkeit in der Stadt zu kurz, zum andern läuft alles irgendwie sehr linear ab: Ankunft in der Stadt, Auffinden des Forschers, nur eine Möglichkeit zur Flucht, die noch dazu vom Opfer selber vorgegeben wird, Gefangennahme, Einkerkerung und Flucht durch die Höhle. Die Mauern, die von dem Abenteuer vorgegeben werden, sind vor allem im letzten Teil wortwörtlich zu verstehen, da der Höhlentempel nur einen Weg zur Flucht offen lässt. Der Gruseleffekt kommt hier aber irgendwie viel zu kurz. Das Element des lebendig Begrabenwerdens ist sicherlich eine coole Idee, die aber leider nur im Ansatz vorhanden ist, während man sich danach einfach nur durch den alten Tempel vorarbeiten muss. Eine interessante Idee ist allerdings, dass die Untoten erst durch Licht angelockt werden. Die letztendliche Flucht aus der Vergangenheit bring leider auch nicht das gewünschte Feeling zustande. Bis auf ein paar interessante Ansätze leider ein sehr unbefriedigendes Abenteuer.
Als letztes gibt es noch das Szenario „Hinter dem Spiegel“ von Muna und Roman Bering. Hierbei müssen die Helden versuchen eine gefangene Fee aus ihrem, wie es der Titel schon verrät, Spiegelgefängnis zu befreien. Zunächst müssen sich die Helden aber durch Albtraumwelten kämpfen um die entscheidenden Hinweise für die Befreiung zu erhalten. Alles in allem eigentlich ein sehr cooles Abenteuer, leider kommt der Grusel meiner Meinung nach ein wenig zu kurz. Zumal auch die beiden Albträume nicht wirklich ein Gruselfeeling aufkommen lassen. Gerade der Anfang während dem eine Gruppe Gaukler von einem Hasen angegriffen wird -irgendwie musste ich dabei an MontyPythons Ritter der Kokosnuss denken - und die Verfolgung eines untoten Eichhörnchens durch einen abgestorbenen Baum haben mir beim Lesen eher ein Schmunzeln denn ein Gruseln entlockt. Was nicht heißen soll, dass das Abenteuer schlecht ist … nur ein richtiges Gruselabenteuer ist es irgendwie doch nicht. Löblich ist aber, dass auch dieses Abenteuer relativ frei in Aventurien einsetzbar ist.
So, was bleibt also übrig? Alles in allem ein solider Abenteuerband zum Thema „Grusel“, wobei natürlich noch Luft nach oben ist, der für die ein oder andere Sitzung für zwischendurch gut ist. Der Anfang ist auf jeden Fall gemacht und ich würde mich freuen, wenn - ähnlich der Märchenanthologien - noch weitere folgen würden. Potential ist sicherlich vorhanden und Aventurien hält auch noch den eine oder anderen Schrecken selbst für gestandenere Helden bereit.
Mit freundlicher Unterstützung von www.ulisses-spiele.de
Name: Dämmerstunden
Verlag: Ulisses Spiele
Sprache: Deutsch
Autoren: Martin John (Hrsg.)
Empf. VK.: 20 Euro
Seiten: 116{jcomments on}