Das Schwarze Auge: Bahamuths Ruf (Splitterdämmerung 2)
Wie die anderen Bände aus der Reihe Splitterdämmerung geht es auch in dieser Abenteuersammlung mit cthuloidem Titel um das Schicksal eines Splitters der siebenstrahligen Dämonenkrone und seines Trägers. Bahamuths Ruf hat konkret den Heptarchen Darion Paligan und seine charyptide Heptarchie der Blutigen See im Fokus.
Die Aufmachung fällt dabei ins bekannte Schema von DSA-Abenteuerbänden, weswegen man zur Gestaltung kein weiteres Wort verlieren muss. Positiv aufgefallen ist mir in dem Zusammenhang allerdings noch das Coverbild, das mit dem Heptarchen im Vordergrund und der berühmten "Seeadler von Beilunk", die gerade Kurs auf den Schurken hält, den Inhalt des Buches schön zusammenfasst.
Neben den gewöhnlichen Illustrationen von Personen und Szenen enthält der Band ebenfalls eine Vielzahl von Karten, Plänen und Faksimile-Texten, die teilweise als Orientierungshilfe für den SL, teilweise als Handouts für die Spieler geeignet sind. Sehr schön gelungen sind dabei die Pläne von diversen Gebieten unter der Wasseroberfläche in Kabinettsperspektive, die es erleichtern, eine Umgebung zu beschreiben, in der sich die Helden in allen drei Dimensionen bewegen können.
Schade ist wiederum, dass die ganzen aufwändigen Handouts nicht als Download vorliegen. Wer das Abenteuer nicht als E-Book, sondern als Druckerzeugnis erworben hat, wird damit nicht umhinkommen, einen Großteil des Buches über den Scanner oder Kopierer jagen zu müssen.
Das finde ich ganz besonders spannend, weil ich immer das Gefühl hatte, dass die Blutige See bei DSA-Szenarien eher zu kurz kommt. Wenn die Helden von Hier nach Dort müssen, kommt es schon einmal vor, dass etwas ihr Schiff angreift oder seine schleimigen Tentakel an den Strand schleppt, aber Abenteuer, die wirklich die Blutige See und ihre Monster, Piraten, Unheiligtümer und Geheimnisse als Kernthema haben, sind dünn gesäht. Andererseits ist 2001 der Abenteuerband mit dem bezeichnenden Namen Blutige See erschienen, meiner Meinung nach eine der besten Kampagnen, die für DSA je erschienen sind.
Bahamuths Ruf ist mit dem alten Abenteuer nur durch ein paar lockere Referenzen verknüpft, allerdings können Helden, die die Ereignisse aus Blutige See miterlebt haben viele dort erworbene Informationen und Kontakte einbringen, außerdem werden für diese Charaktere viele der Ereignisse und Konflikte der neuen Kampagne sehr viel persönlicher.
Über die Handlung von Bahamuths Ruf sei soviel verraten, dass es einmal mehr darum geht, Aventurien zu retten, diesmal vor Darion Paligans Masterplan. Der besteht im Prinzip darin, an Punkt A eine gefährliche Bedrohung zu bergen und sie an Punkt B, auf der anderen Seite des Kontinents, einzusetzen. Die Helden werden durch die Ereignisse an Punkt A ins Abenteuer hineingezogen. Während des halben Jahres, das Darion Paligan braucht, um von A nach B zu kommen, haben die Helden dann die Möglichkeit, Verbündete zu sammeln, Schergen des Heptarchen auszuschalten und generell herauszubekommen, wo Punkt B liegt und was Darion dort eigentlich vorhat.
Das Ergebnis ist so eine Art Sandwich: Zwei voll ausgestaltete Abenteuer und ein ziemlich freie Kampagne lose miteinander verknüpfter Szenarien in der Mitte. Und wie beim Sandwich sind die äußeren beiden Teile relative Standardkost, während sich in der Mitte all die aufregenden Zutaten mischen, die dem Gesamtwerk erst seinen Geschmack verleihen. Ok, genug Butterbrotmetapher.
Die beiden Abenteuer, die die Kampagne klammern, sind keinesfalls unspektakulär: Da geht es um Götter und Dämonen, äonenalte Gefahren und Geheimnisse, die keinem Aventurier mehr bekannt sind. Trotz all des Hintergrundes und der Atmosphäre läuft es aber im Kern auf zwei große Schlachten hinaus.
Und wie bei allen Kampagnen, die mit der offiziellen Entwicklung von Aventurien verknüpft sind, ist der Ausgang des Ganzen bis zu einem gewissen Grad festgelegt: Diese Person muss sterben, diese Person wird auf jeden Fall überleben, jener Ort wird zerstört werden, diese Änderung muss sich ereignen. Das ist ein zentrales Element von großen DSA-Kampagnen wie G7 oder Jahr des Feuers: Entweder man hält sich an die Geschichte und kann nachher seine Heldentaten im Aventurischen Boten nachlesen oder man weicht ab und landet in einem Parallelaventurien, das eventuell im Konflikt mit der offiziellen Weltbeschreibung steht.
Das ist an sich in Ordnung und ich denke, das enge Spielen am Hintergrund macht für die meisten Fans den Reiz am Schwarzen Auge aus. Der mittlere Teil von Bahamuths Ruf lässt den Spielern allerdings große Freiheiten, was eventuell mit dem Abschluss der Kampagne kollidiert: Denn egal, ob die Helden es im Vorfeld schaffen, einen Großteil der Bösewichte auszuschalten, alle Geheimnisse zu entdecken, alle Artefakte zu finden und eine große Armada des Guten gegen Darion Paligan ins Gefecht führen, oder ob ihnen gar nichts gelingt und sie am Ende nackt und planlos in einer leckenden Nussschale einen Verzweiflungsangriff auf den Heptarchen segeln, am Ende der Kampagne ist das Ergebnis das Gleiche. Wenn das zu offensichtlich wird, nimmt es dem ganzen Mittelteil den Spaß.
Dabei liegt die große Stärke von Bahamuths Ruf für mich genau in diesem mittleren Teil: Nachdem die Helden dem Oberschurken auf der Spur sind, können sie alles Mögliche tun, um sich auf die finale Konfrontation vorzubereiten. Jede Seemacht auf dem Perlenmeer, jedes Fischerdorf zwischen Bornland und Meridiana, jede Persönlichkeit an der Ostküste, überall gibt es Feinde, Verbündete, Geheimnisse und Hinweise auf das nächste Ziel zu finden. Und während der Heptarch der Meere selbst außer Sicht bleibt, hat er für die Helden ein paar starke Gegenspieler abgestellt, so dass es nie langweilig wird.
Helden, die Kontakte in der Region haben (was vor allem für Veteranen von Blutige See gilt), können diese sinnvoll einbringen, egal ob die Charaktere als vorbildliche Bürger einen Draht zur Efferdkirche haben oder ob sie zwielichtige Herumtreiber mit Piratenfreunden sind, für jeden ist etwas dabei.
Bahamuths Ruf bietet dem SL eine Riesenmenge an Material, um dieses freie Vorgehen der Spieler zu ermöglichen. Neben Szenarien an allen möglichen Orten der Ostküste gibt es einen Berg an Informationen, NSCs und Szenen, die zu den verschiedensten Gelegenheiten eingebaut werden können. Das Buch tut viel dafür, dem Spielleiter Recherchearbeit und Organisation abzunehmen und so ziemlich alle Eventualitäten abzudecken.
Durch die hohe Flexibilität des Mittelteils, der mit dem Anfangs- und Endabenteuer verknüpft werden muss, ist Bahamuths Ruf vor allem etwas für erfahrene Spielleiter. Aufgrund der vielen Unterwasserszenen und der gefährlichen Gegner sollten auch die Helden recht kompetent und überlebensfähig sein und die Spieler einigermaßen regelfest. Je nach Gruppe würde ich schätzen, dass man mit der Kampagne zehn bis fünfzehn Spielsitzungen sinnvoll verbringen kann. Wer wirklich alles Material aus dem Buch verwenden will, kann leicht auf das Doppelte kommen, aber ich denke, irgendwann geht dabei der Rote Faden verloren. Der recht hohe Anschaffungspreis von 30 Euro relativiert sich so auf 2-3 Euro pro Sitzung. Aufgrund der großen Modularität der Kampagne und der vielen, vielen Handouts ist vielleicht das billigere E-Book eine Überlegung wert.
Bahamuths Ruf ist mit seiner Thematik, dem ungewöhnlichen Aufbau und den hohen Anforderungen an den Spielleiter nicht für jede Gruppe etwas und wer gewohnt ist, mit fertigen Abenteuern zu arbeiten, wird vielleicht enttäuscht sein. Auf der anderen Seite ist der Band eine gut gefüllte Werkzeugkiste und belohnt den SL, der ein wenig Arbeit hineinsteckt mit einer spannenden, individuellen Kampagne, vor einem Hintergrund, den man noch nicht tausendmal bespielt hat.
Ein besonderer Mehrwert in Kombination mit Bahamuths Ruf bietet wie schon erwähnt die alte Kampagne Blutige See für jeden, der das Schätzchen noch im Regal hat oder billig auftreiben kann.
Mit freundlicher Unterstützung von Ulisses Spiele.
Name: Bahamuths Ruf
Verlag: Ulisses Spiele
Sprache: deutsch
Autor: Michael Masberg
Preis: € 30.00
Seiten: 206 s/w Hardcover
ISBN: 978-3868891980{jcomments on}