Myranor – Knochenblei und Schwarzes Blut

Ah, Zombies. Die wandelnden, fleischfressenden Toten sind zwar aktuell nicht so angesagt wie Vampire, konnten sich aber irgendwie auch ihren Teil von dem Untoten-Hype der aktuellen Popkultur abschneiden. Das macht natürlich auch nicht vor dem Rollenspiel halt und so entschied sich Marc Jennessen Knochenblei und Schwarzes Blut für Myranor zu verfassen, in dem Zombies und ähnliches Gesocks eine tragende Rolle einnehmen. Dabei werden ausführlich und genüsslich diverse Referenzen ins Genre gezogen, etwa zu Filmen, Comics und auch Videospielen.

Auffällig ist wie bei den meisten Produkten im Rollenspielbereich zunächst einmal das Cover. Das dunkle Motiv vermittelt uns durch den ausgestreckten Arm direkt das Gefühl, dass wir selbst der Betrachter der gruseligen Szene sind, die sich im Fackelschein abspielt. Einige untote Bewohner Myranors werden durch Anwesenheit in ihrem Mahl gestört und von weiter hinten wanken bereits weitere vermindert lebende Gestalten heran. Tolle Lichtstimmung, tolle Szenerie, macht Lust auf mehr! Die Illustrationen im Inneren fallen dagegen aber ab, da die Figuren zu hölzern wirken.

Die Karten sind aber leider aus diversen Gründen so wie man sie im Band findet kaum zu benutzen. Sie sind viel (!) zu klein, zu dunkel und die Nummerierung ist nicht sonderlich gut gesetzt. Und wenn man nur Gänge darstellen möchte ist es unnötig, den kompletten Bereich herum schwarz anzulegen. Nur die Gänge würden reichen und die Lesbarkeit enorm erhöhen! Einige der Kritikpunkte werden mit den frei herunterladbaren Karten in Farbe von der Uhrwerk-Homepage entkräftet, bei denen man endlich erkennen kann, dass das Material wirklich detailreich und hübsch ist. Nichtsdestotrotz sollte Kartenmaterial aber vor allem benutzt und nicht bewundert werden und hier bleiben die Defizite bestehen. Das ist umso unverständlicher, da diese Karten immens wichtig für das Finale des Abenteuers sind. Hier hätte man mehr Sorgfalt anlegen müssen. Das Layout entspricht dem bei Myranor üblichen zweispaltigen Text mit Zierleiste oben und grauen Seitenrändern außen.

Wie eingangs erwähnt, dreht sich bei Knochenblei und Schwarzes Blut alles um die untote Bedrohung. Mit der werden die Helden direkt zu Beginn am Hafen konfrontiert und können dann später herausfinden, was es damit auf sich hatte und die Ursache (nach einigen Dungeon-Ebenen) auch beseitigen. Allerdings war mir bei der Lektüre des Abenteuers an vielen Stellen einiges nicht klar. So wird extra und lange betont, dass der Zombieausbruch im Hafen hochgefährlich sei, die Wachen deswegen eine Quarantäne verhängen und allgemein Panik herrscht. Laut Abenteuer gibt es aber maximal rund 30 Zombies in der Höchstzeit, zu Beginn sogar nur eine einstellige Zahl. Wenn die Helden sich verbarrikadieren müssten, weil draußen eine riesige Zahl von Untoten droht die Türen und Fensterläden zu durchbrechen, dann könnte ja Stimmung aufkommen, aber die Menge an Zombies reicht ja noch nicht einmal aus, um eine Startgruppe ins Schwitzen zu bringen! Dazu kommt, dass auf den folgenden Seiten viele mögliche Begegnungen genannt werden, welche die Helden während der Quarantäne „erleiden“ können. Wäre ja nett, nur sind diese allesamt irrelevant, oftmals nicht interagierbar und haben keinerlei Auswirkungen auf das, was im Hafen geschehen wird. Wenn man wissen möchte, was wann passiert, dann schaut man in die Zeitlinie. Ebenso irritiert mich die Handvoll NSCs, welche die Helden begleiten können. Sie treiben durch ihre Aktionen nicht die Handlung voran und haben keine sinnvollen Informationen. Dafür steht bei jedem die entsprechende Hintergrundgeschichte dabei. Irgendwann findet man jedoch andere, weit weniger ausgearbeitete, aber dafür sehr viel sinnigere Nichtspielercharaktere, die einem dann den Weg zum weiteren Plot weisen.

Die Untoten kommen aus einem Gebiet eines kommunistisch-feministischen Züchterkults, dessen Gebiet mit Marotten und NSCs beschrienen wird, wo man aber wieder effektiv nichts tun kann. Irgendwo steht dort ein Haus, aus dem die untote Gefahr hervorzukommen scheint. Und ab da geht es dann mehrere Ebenen tief hinab, um seltsame Labore, verdrehte Gänge, uralte Geheimnisse und ganz viel gefährliches Kroppzeug zu finden. Der Hinweis, dass das Abenteuer sich an Experten-Charaktere richtet kommt nicht von ungefähr, wenn man sich die Gefahren ansieht, die gerade im Finale auf die Helden zukommen. Wer an seinem Helden hängt, der sieht besser zu, dass er sowohl kampferfahren als auch gut ausgerüstet in dieses Abenteuer startet. Auch hier finden sich ab und zu unbeteiligte Charaktere, deren Einarbeitung in den Verlauf des Abenteuers aber eher dürftig ist. Tatsächlich finden sich diese Figuren allesamt am Ende aufgereiht und meines Erachtens könnte man sie verlustfrei auch einfach nicht vorkommen lassen. Damit würde dem Spielleiter aber ein entsprechendes Stimmungselement verloren gehen, denn es wird beizeiten darauf hingewiesen, dass man einige der liebgewonnenen NSCs doch hopps gehen lassen sollte, um die Gefährlichkeit zu unterstreichen. Einige der Überlebenden sind übrigens Klosterkrieger, die geschickt wurden, um die untote Gefahr zu vernichten. Und nicht wie die Helden durch den Zugang im Haus, sondern durch ein Lagerhaus, dessen Weg praktischerweise direkt in die vorletzte Ebene führt … dennoch sind viele von ihnen in der ersten Ebene gestorben. Und das ist nur eine der Unklarheiten, die im Verlauf der Gewölbeerforschung leider immer wieder auftreten. Selbst Hinweise an den Spielleiter, die unterschiedlichen Ebenen eindringlich in ihrer Andersartigkeit zu beschreiben werden schwierig, wenn passende Informationen nicht zu finden sind. Einer Ebene steht nämlich in etwa so viel Platz zu wie einem der NSCs. Hier hätte man mehr Wert auf das eigentliche Abenteuer legen und vielleicht ein paar Überlebende weniger einbauen sollen. Das Finale, das in mehr als einer Hinsicht einen Bezug zu Resident Evil schafft, ist jedoch cool geworden und ergeht sich in einem teilweise offenen Ende, das möglicherweise in der Fortsetzung des Abenteuers wieder aufgegriffen werden kann.

Tja, was bleibt mir schlussendlich zu Knochenblei und Schwarzes Blut zu sagen? Es hat einige tolle Ideen und Referenzen auf das Genre, allerdings ist mir einfach zu viel sprachliches Geblubber und Stimmungskram drin, den ich als Spielleiter nicht lesen will, weil ich damit keine interessanten Konflikte aufbauen kann und meine Spieler nichts tun können, was tatsächlich Auswirkungen haben kann. Vielleicht habe ich auch nicht genug Erfahrung mit Abenteuern aus dem Bereich DSA und Myranor … aber diejenigen, denen solche Stimmungseinlagen gefallen, werden sich meiner Erfahrung nach mit dem kampfzentrierten, mehrstufigen Dungeon am Ende schwer tun. Zusammen mit dem in seiner abgedruckten Form mangelhaften Kartenmaterial, der bisweilen wirren Organisation des Spielmaterials und leider auch den immer wieder auftauchenden Fehlern in Satzbau, Grammatik und Zeichensetzung erfüllt das Abenteuer leider nicht meine Erwartungen, die ich an diesen eigentlich vielversprechenden Titel hatte.


Titel: Knochenblei und Schwarzes Blut
Verlag: Uhrwerk
ISBN: 9783942012188
Seitenzahl: 48 Seiten, gebundenes Softcover
Sprache: Deutsch
Preis: 12,50 Euro{jcomments on}