Regionalband 04 – Angroschs Kinder

Nom rogolrun Barobarabba ... Schon in den Taten der Altvorderen steht geschrieben...
vom Backcover von Angroschs Kinder

Ich gebe zu, ich war schon etwas verblüfft, was den vierten Regionalband zur DSA4 betrifft. Zur Erinnerung: „Raschtuls Atem“ hat sich an dritter Stelle mit der Wüste Khom beschäftigt und damit endlich die uralte, gleichnamige Box aktualisiert bzw. ersetzt, war aber nur ein erster Teil. Mhanadistan, Gorien und einige andere Gebiete waren aus dem dritten Band ausgegliedert worden und folgen in „Land der ersten Sonne“. Doch was verwirrte, war der Band, der plötzlich zwischen diesen beiden Sinneinheiten erschien.
Denn nicht nur, dass dadurch recht viel Zeit zwischen den beiden Regionalia lag, das vorliegende Buch war zudem ein Band, von dem ich nicht mal gedacht hätte, dass es eine „Regionalspielhilfe“ ist – „Angroschs Kinder“, der Quellenband über die Zwerge Aventuriens.

Er teilt damit eine weitere alte Box – „Dunkle Städte, Lichte Wälder“ – in zwei Teile und widmet sich eben den Angroschim, während das Volk der Elfen einige Regionalbände später in „Aus Licht und Traum“ beschrieben sein wird.
„Dunkle Städte, Lichte Wälder“, das noch zur Orientierung für die „jüngeren Leser“, ist 1993 erstmals erschienen, als die Schmidt Spiele-Boxen bereits das Granit-Rahmen-Design hatten. Es ist damit für mich noch eine „erlebte“ Neuescheinung, aber de facto auch schon richtig alt. Enthalten waren zwei Bücher, „Geheimnisse der Elfen“ und eben „Geheimnisse der Zwerge“ zu je 88 Seiten. Man erkennt also durchaus, dass sich auch hier einiges getan hat, da das vorliegende Buch – ein Hardcover in gewohnter Qualität, massiv, gutes Papier, Lesebändchen etc. – immerhin 148 Seiten misst. Wer allerdings die restlichen Regionalbände hat oder kennt, oder hier die Rezensionsreihe verfolgt, dem fällt dennoch auf, das „Angroschs Kinder“ damit gut um ein Viertel kürzer ist als die typischen Regionalbeschreibungen.

Auch sonst bricht der Band aus dem gewohnten Schema an einigen Punkten aus. Das Cover etwa ist eine Bildcollage von Caryad, die verschiedenste Angroschim zeigt. Sehr archetypisch. Das Bild erinnert vom Arrangement etwas an die „billligen“ Sepia-Cover, die DSA bei Softcovern in jüngerer Vergangenheit häufiger aufbot, ist aber „echt“ in Farbe. Das Bild ist schön und punktet mit der ersten gutaussehenden, aber glaubwürdigen Zwergenfrau, die mir unter kommt, haut einen aber auch nicht vom Hocker.
Besser als die Wichtel vom Yüce-Cover der 93er-Box ist es aber allemal.
Die Innengestaltung ist mal wieder eher unteres Mittelmaß. Ein echt schöne Kopfleiste duelliert sich leider wieder einmal mit der eher spartanischen Gesamtgestalung und dem unvermeidlichen Stilmix. Der war schon schlimmer, aber während im hinteren Teil des Buches zahlreiche neue Bilder von Caryad und Sabine Weiss das Auge erfreuen, sind es gerade zu Beginne wilde Vermischungen alter und neuer Caryad-Bilder sowie „Klassiker“ von Jens Haupt und Ina Kramer, die zusammen eine gewisse Homogenität vermissen lassen.

Etwas bitter ist die karge Ausstattung der sonst so prallen Kartentasche. Darin findet man exakt einen doppelseitig schwarzweiß bedruckten Bogen im A4-Format, der auf der einen Seite eine sehr schön aussehende, aber nicht praktikable Karte der zwergischen Kernlande zeigt und auf der Rückseite einige Karten und Querschnitte von Xorlosch bietet.
Das ist echt mager. Insgesamt kann das Buch daher auf der Preis/Leistungs-Skala mit den restlichen Bänden nicht ganz mithalten. Es ist rund 50 Seiten kürzer, hat kein vernünftiges Kartenmaterial beiliegen und ist dennoch nur zwei Euro billiger. Zwar würde wohl niemand heutzutage sagen, 23 Euro wären teuer für so ein Buch, aber ein Schnäppchen wie die anderen Teile der Reihe ist es auch nicht.

Kommen wir zum Inhalt. Redaktionell wurde „Angroschs Kinder“ von Momo Evers betreut, was Großes erhoffen lässt, da sie doch normalerweise hier mit Bestnoten entlassen wird, wie etwa vor einer Weile noch mit der DSA-Abenteuer-Trilogie „Verwunschen und Verzaubert“. Das Buch gliedert sich in insgesamt acht große Kapitel, zwischen die zudem insgesamt sieben Abschnitte einer Erzählung namens „Brabans Heimkehr“ eingestreut wurden.
Diese mal außen vor lassend, eröffnet das Buch mit einem immens bedeutsamen Thema: Der Geschichte des Zwergenvolkes. Die Angroschim sind ein sehr altes Volk und haben in ihrer Geschichte, die bereits 9.000 Jahre vor Bosparans Fall ihre Anfänge nimmt, eine ganze Menge erlebt. Die Geschichte der Zwerge ist in Teilen auch die Geschichte Aventuriens und das Buch verpackt alle wichtigen Ereignisse kompakt, aber gut lesbar in diesem ersten Abschnitt. Lob gibt es zudem noch für die sehr übersichtliche Zusammenfassung des Erklärten noch einmal am Ende des Kapitels. Sehr schön.

„Wesen und Kultur der Angroschim“ ist das zweite Kapitel und umso bedeutsamer. „Zwerge sind keine kleinen Menschen“ ist die erste Überschrift und fasst die Kernbotschaft bereits gut zusammen. Die Angroschim sind etwas ganz spezielles; vielleicht nicht so abgehoben wie die Elfen, aber dennoch einfach anders. Dieses Kapitel vermittelt das Denken, aber auch die generelle Kultur des kleinen Volkes, von der Weltsicht über das Familienbild bis hin zu der Sprache wird hier alles beschrieben, und auch das Thema Drachen darf natürlich nicht fehlen.

„Kunst und Handwerk“ an dritter Stelle ist ein Thema, das vermutlich überall aufgesetzt wirken würde, außer in einem Zwergenquellenbuch. Schmiedekunst, Bergbau, Zwergische Waffen, Baukunst, Erfindungen der Angroschim sind die ersten paar Überschriften und umreißen das Thema bereits ziemlich gut.
Verwirrt haben mich die Abschnitte zu Musik und Zechgewohnten der Angroschim, die man hier ebenfalls findet. Die hätte ich eher der im Kultur-Teil erwartet, aber wer weiß, was da überlegt wurde. Fakt ist, dass auch diese Abschnitte gut sind und die Kombination von Zechen und Musik bei Zwergen sehr bedeutsam ist, ist das doch Trinklied anscheinend so mit die höchste Weihe der zwergischen, musischen Künste. Abgerundet wird das Kapitel durch ein paar Worte zu den schönen, zwergischen Gärten.

Konkreter wird es dann wieder im vierten Abschnitt, der die Völker der Angroschim beschreibt. Sehr viele gute und spannende Details zu Amboss-, Erz-, Hügel- und Brillantzwergen, doch noch mehr. „Angroschs Kinder“ schweigt sich auch nicht zu Tiefzwergen, den Wilden Zwergen, den Roten Zwergen und den Finsterkamm-Zwergen aus, die allesamt geradezu danach schreien, mal ein Abenteuer in heimischer Runde aufzuwerten. Hat mir sehr gut gefallen.
Zum Schreien, vom Namen her, ist übrigens ein Beitrag, der das Pseudo-Latein bei DSA auf eine neue Stufe stellt. Ein Vertrag, den dereinst Kaiser Sighelm und Bergkönig Greifax Sohn des Garuban, genannt Greifax Rechtsetzer, geschlossen haben und der das Miteinander von Menschen und Zwergen im Mittelreichen regelt, heißt ... Lex Zwergia.
Heijeijei.

Weiter geht es mit dem „Aventurien der Zwerge“ und der 18 Seiten langen Entschuldigung dafür, warum das vorliegende Buch vielleicht doch ein Regionalband ist. Die „Kernlande“ umfassen die Bergfreiheiten Xorlosch, Eisenwald, Koschim und Waldwacht sowie die Grafschaften Hügellande, Ferdok, Waldwacht (ja, auch) und Schlund, sowie die Bergkönigreiche Angralosch und Phecanowald.
Ist eine Menge und wird in dem Buch dann noch um Orte jenseits dieser Kernland, also etwa die Städte Gratenfels und Tjolmar, ergänzt und erweitert, was mir sehr gut gefällt.
Es gibt auch eine detailliertere Beschreibung Xorloschs, wobei man hier den Layouter ernsthaft übers Knie legen muss. Das Kapitel beginnt auf Seite 94, der Xorlosch-Part beginnt auf Seite 95 als Textkasten. Dieser Textkasten geht dann aber epische sechs und ein Viertel Seiten lang, hat eine Illu, eine Karte und sogar Textkästen im Textkasten. Auf Seite 101 dann geht der Fließtext von Seite 94 weiter.
Was auch immer da beim Setzer durchgebrannt ist, das gehört einfach nur verboten so.

An sechster Stelle folgen dann die obligatorischen Kapitel der grünen Bände. „Berühmte und berüchtigte Angroschim“ sammelt in sieben Kategorien eben genau solche. Sind einige coole dabei, angefangen natürlich bei Albax Sohn des Agam, dem Hochkönig der Zwerge, bis hin zu Perilax Sohn des Pogolosch, Galottas Rüstungsbauer.
Ebenso von gewohnter Qualität und wie immer mit Sternchen-Beiträgen kommen die Mysteria et Arcana daher. Unterteilt in „Mysteriöse Orte“, „Geheimnisvolle Personen“, „Verwunschene Gegenstände“, „Zwerge als Auftraggeber“ und „Die Geoden“ gibt es hier eine Menge Stoff für schöne Abenteuer und Kampagnen.
„Angroschim als Spielercharaktere“ geht dann erfreulich über reine Regelteile, die es hier auch gibt, hinaus, und wimdet sich noch einmal der Frage, wie man einen expliziten Nicht-Menschen im Rollenspiel, so als menschlicher Spieler, eben doch transportiert bekommt. Nicht viel, aber gut.

Darauf folgt dann aber auch schon der gewohnt eng gedruckte und umfassende Index sowie, sehr unelegant, nach dem Index noch ein Textkasten mit DSA-Publikationen, die sich mit dem Zwergenvolk ebenfalls beschäftigt haben.
Realweltliche Quellen und Musikvorschläge, wie sie sonst in der Reihe gang und gäbe sind, sucht man in „Angroschs Kinder“ leider ebenfalls vergebens.

Die wahre Güte des Buches lässt sich bei einer derart schematischen Betrachtung nur erahnen. Was dem Buch meisterhaft gelingt ist die Darstellung der Angroschim und, damit verbunden, deren Spielbar-Machung. Das Buch geht deutlich über das hinaus, was Jörg Raddatz zusammen mit Thomas Römer seinerzeit in „Dunkle Städte, Lichte Wälder“ geschrieben hatten und bietet für jeden Zwergenfreund oder gar -spieler eine Menge interessanter Ideen.
An den höchsten Weihen schrappt das Buch allerdings vorbei. Die maue Kartenausstattung, das nicht ganz perfekte Layout und der im Verhältnis nicht ganz so attraktive Preis verweigern dem inhaltlich brillanten Buch ein glattes „sehr gut“.
Wer auf Angroschim steht, der greift aber dennoch zu!


Name: Angroschs Kinder
Verlag: FanPro
Sprache: Deutsch
Autoren: Momo Evers (Hrsg.)
Empf. VK.: 23 Euro
Seiten: 148{jcomments on}